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„Maestras“-Ausstellung im Arp-MuseumWarum die Kunst keine Männer zum Strahlen braucht

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Blassrosa Kirschen liegen auf einem mit Blättern bedeckten Teller.

Giovanna Garzonis „Stillleben mit Kirschen auf einem Teller“ ist ein Meisterwerk der Barockmalerei.

Das Arp-Museum Bahnhof Rolandseck stellt 51 „vergessene“ und wiederentdeckte Künstlerinnen vor.

Offenbar ließ sich mit Wunderkindern schon immer Handel treiben, in dieser Hinsicht unterschied sich das Barockzeitalter nicht wesentlich von unserer populärkulturellen Gegenwart. Die kleine Louise Moillon (1610-1696) war jedenfalls keine zehn Jahre alt, als sie dem erfolgreichen Kunsthändler François Garnier auffiel. Das Talent hatte sie wohl vom Vater geerbt, einem flämischen Landschaftsmaler, der nach Paris gezogen war und die Tochter von klein auf unterrichtete. Der Vater starb, als Louise neun war. Im folgenden Jahr nahm Garnier sie unter Vertrag und heiratete bald darauf die Mutter. So blieben seine 50 Prozent Umsatzbeteiligung wenigstens in der Familie.

Aber es ist wohl kein Zufall, dass die Wiederentdeckung vergessener Malerinnen länger auf sich warten ließ

Das Vertrauen zahlte sich aus. Bereits als 20-Jährige hatte sich Moillon einen Namen als Stillebenmalerin gemacht, die marktfrisches Obst und Gemüse mit naturalistischen Pinselstrichen knackig hielt und auf leicht verderbliche Symbolik verzichtete. Moillon war so erfolgreich, dass sie mit dem Heiraten warten konnte. Als sie einen wohlhabenden Holzhändler erhörte, war sie 30 Jahre alt und beendete ihre Karriere als Malerin. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren, aber ihre drei Kinder dürften eine Rolle gespielt haben.

Es ist keinesfalls eine müßige Frage, wie Louise Moillons kunsthistorische Karriere verlaufen wäre, wenn sie ein Mann gewesen wäre. Sie hätte nach ihrer Heirat sicherlich weiter gemalt, also ein „reifes“ Werk hinterlassen, und vermutlich wäre sie nach ihrem Tod weniger schnell und gründlich in Vergessenheit geraten. War die Nachwelt also frauenfeindlicher als das Barock? Dagegen spricht, dass auch zu Lebzeiten berühmte Männer nach ihrem Tod so gründlich aus der Mode kamen, dass man mit ihren Gemälden die Wände hätte tapezieren können. Selbst Rembrandt und Frans Hals mussten erst wiederentdeckt werden, bevor sie ihren heutigen Heldenstatus erlangten. Aber es ist wohl kein Zufall, dass die Wiederentdeckung vergessener Malerinnen in der Regel länger auf sich warten ließ.

Eine junge Frau leidet im braunen Gewand.

Artemisia Gentileschis „Büßende Maria Magdalena“ ist derzeit in der „Maestras“-Ausstellung im Apr-Museum zu sehen.

Das Arp-Museum Bahnhof Rolandseck widmet diesem „Gender-Gap“ der Malerei nun eine ganze Ausstellung. Sie heißt „Maestras. Malerinnen 1500-1900“ und versammelt etliche „Fälle“ wie Moillon, die in Remagen mit einem schönen Früchtestilleben vertreten ist. An seiner Seite finden sich Werke von Sofonisba Anguissola, Fede Galizia oder Rachel Ruysch, deren Namen allmählich wieder geläufig werden und die allein das Klischee widerlegen können, die Geschichte der Kunst hätte für die Frauen erst mit der Moderne begonnen. Anguissola wurde 1559 an den spanischen Hof gerufen, um die königliche Familie zu porträtieren, bei der Barockmalerin Galizia stand die bessere Gesellschaft Mailands Schlange und Rachel Ruysch konnte ihre Blumenbilder auf dem Höhepunkt ihres Ruhms zu einem Vielfachen dessen verkaufen, was Rembrandt für ein Historiengemälde einstrich.

Die Frage, warum der Ruhm dieser und anderer „Maestras“ jeweils verblasste, wird vermutlich eine Generation an Forschern in Arbeit halten. Im Moment erobern sich die „vergessenen“ Künstlerinnen aber schon mal die Wände in den Museen zurück (in Hamburg war gerade die Ausstellung „Geniale Frauen“ zu sehen) oder sie füllen die Buchseiten wie in Katy Hessels Bestseller „Die Geschichte der Kunst ohne Männer“. Auch die Remagener Ausstellung hat eine Vorgeschichte. Sie war bereits im Thyssen-Bornemisza-Museum in Madrid zu sehen, wo mehr als 100.000 Besucher kamen. Mit solchen Zahlen können sonst vor allem männliche Kunststars renommieren.

Die Schau im Arp-Museum ist etwas kleiner als in Madrid und versammelt 68 Werke von 51 Künstlerinnen

Die Schau im Arp-Museum ist etwas kleiner als in Madrid, versammelt aber immerhin 68 Werke von 51 Künstlerinnen. Historisch beginnt sie dafür sogar etwas früher mit einem Vorspiel im Mittelalter. Auch in den Stiften wurde schließlich gezeichnet und gemalt, und manchmal sogar in modern anmutenden Visionen, wie in Remagen das Beispiel Hildegard von Bingen zeigt. Schnell springt die Ausstellung danach in Renaissance und Barockzeitalter, etwa mit einer „Büßenden Maria Magdalena“ von Artemisia Gentileschi oder einem Selbstbildnis Fede Galizias als männermordender Judith. Ein auf 1556 datiertes kleines Selbstporträt von Sofonisba Anguissola gilt laut Kuratorin Susanne Blöcker als das erste, auf dem sich eine Malerin nicht im historischen Kostüm versteckt.

Eine eigene Abteilung ist den „Naturforscherinnen“ gewidmet, also Stillebenmalerinnen wie Giovanna Garzoni, Ruysch, Moillon und Maria Sibylla Merian. Sie beherrschten die Finessen ihrer Kunst nicht schlechter als ihre männlichen Konkurrenten, ein Zeichen dafür, dass Geschlechtergrenzen eine geringere Rolle spielten, solange die Malkunst vor allem in der Familie weitergegeben wurde. War die Tochter begabter als der Sohn, sah der Vater aus betriebswirtschaftlichem Eigennutz über seinen männlichen Dünkel hinweg. Eine interessante Frage ist, ob das barocke Stilleben als „geringeres“ Genre ein Ghetto für malende Frauen war? Allerdings würde man mit dieser Zuschreibung einen wesentlichen Teil der niederländischen Malerei abschreiben.

Solche weiblichen Rollenklischees verfestigten sich ausgerechnet in den aufgeklärten Zeitaltern, als die bürgerliche Mutterrolle eine enorme Aufwertung erfuhr. Die Säkularisierung des alten Bildmotivs „Madonna mit Kind“ wurde zu einer weiblichen Domäne, in der sich noch die Impressionistin Mary Cassatt mit einer stillenden Mutter virtuos in Szene setzte. Leider fehlt es in Remagen etwas an Masse, um diese einleuchtende These tatsächlich mit Bildern belegen zu können.

Ihrem Titel offen widersprechend endet die Ausstellung im frühen 20. Jahrhundert. Die moderne Freiheit kam auch malenden Frauen wie Paula Modersohn-Becker oder Gabriele Münter zugute, aber selbst ein Ausnahmetalent wie Käthe Kollwitz musste sich ihren Platz in der Kunstwelt gegen eisernen Widerstand erobern. Ein schönes Gruppen- und Selbstporträt von Helene Funke zeigt, dass auch die Zeit nach 1900 ihre „vormodernen“ Frauenschicksale hatte. Im Jahr 1928 wurde Funke mit dem österreichischen Staatspreis geehrt, 1957 starb sie vergessen und verarmt.


„Maestras. Malerinnen 1500-1900“, Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Remagen, Di.-So. 11-18 Uhr, bis 16. Juni 2024. Der Katalog kostet 42 Euro.