Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum zeigt eine private Barocksammlung in einer Ausstellung zwischen Bescheidenheit und frivolem Bürgerstolz.
Barockkunst im WallrafKann ein Leben im Überfluss denn Sünde sein?
Es ist Nacht und die fröhlichen Zecher sind wohl erschöpft ins Bett gefallen. Ein schwarzes Mäuslein nutzt die Gunst der späten Stunde, um die Reste der Tafel zu beschnuppern. Die ist reich gedeckt: süßer Wein in einem venezianischen Glas, weit gereistes Zuckerkonfekt, ein goldig schimmernder Pfirsich sowie feine Brot- und Zwiebackscheiben. Ein Bild des Überflusses, durch eine beinahe herunter gebrannte Kerze ins flackernde Licht der Vergänglichkeit getaucht.
Die Sammlung bleibt für zehn Jahre als Dauerleihgabe in Köln
Georg Flegel (1566-1638) schuf dieses kleine „Stillleben mit brennender Kerze und Maus“ in der besten Tradition der niederländischen Barockmalerei. Es zeigt eine Welt des Wohlstands, die selbst im Prunk bescheiden bleibt und in der auch für die Kleinsten verlässlich etwas abfällt – und seien es ungebetene Hausgäste, die man mit der Sünde in Verbindung bringt. Wein und Brot erinnern uns ans christliche Abendmahl und an den Dank, den wir einer höheren Macht für die erhaltenen Gaben schulden. Aber eigentlich, hört man Flegel sagen, haben wir es uns verdient.
Die flegelhafte Maus gehört zu den „Sammlerträumen“, die das Kölner Wallraf-Richartz-Museum derzeit als Neuankömmlinge der eigenen Bestände präsentiert. Sie gehörten einem verstorbenen Sammler, dessen Erben dem Wallraf insgesamt 36 niederländische Barockgemälde und rund 150 Zeichnungen aus derselben Epoche als Dauerleihgaben überlassen. Zunächst für zehn Jahre, so Wallraf-Direktor Marcus Dekiert, aber mit der Aussicht auf Verlängerung.
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Die private Sammlung habe Museumswert, betont auch Anja Sevcik, Kustodin für Barockkunst am Museum, und solle nach dem Willen der Erben als Ganzes erhalten bleiben – was die Chancen auf einen langfristigen Verbleib im Wallraf zweifelsohne erhöhen würde. Sie enthält sowohl Werke prominenter Maler wie Jan Brueghel der Ältere, Jan Steen und Gerrit Dou, als auch einiges abseits des Kanons: etwa ein Gehöft des „Mauermalers“ Emanuel Murant oder eine Straßenansicht Jan van der Heydens. Letzterer, so Sevcik, wurde der Da Vinci der Niederlande genannt, weil er neben seiner Malerei als städtischer Brand- und Lichtmeister wichtige Erfindungen machte. Unter anderem verdanken wir ihm den Feuerwehrschlauch.
Aus der Vielfalt der niederländischen barocken Malerei suchte der ungenannt bleibende Sammler vor allem alltägliche, aus dem Leben gegriffene Szenen im kleinen und mittleren Format. Also Bilder, mit denen man gemütlich leben kann, mit denen man sich gerne in den eigenen vier Wänden umgibt (im Wallraf sind sie im Fenstersaal der Barockabteilung zu sehen). Dazu gehören die wild tosenden Meeresstücke der Seefahrernation so selbstverständlich wie das Eisvergnügen auf einem Landschaftsbild Salomon van Ruysdaels oder eine kleine Hausmusik im bürgerlichen Heim. Ein wenig ähnelt das alles einer gemalten Hymne auf die eigene Nation. Zwar erscheint das „Goldene Zeitalter“ hier eher in gedämpften Farbtönen. Aber auch im kleinen Format war man sichtlich stolz auf das Erreichte.
Ohne Überhöhungen des Alltags kommt natürlich auch diese Ausstellung nicht aus. Dafür steht insbesondere eine schöne Auswahl jener berühmten Blumen- und Früchtestillleben, in denen das niederländische Barock der Vergänglichkeit in virtuosen Darstellungen huldigte und trotzte. Selbst eine in die niederländische Tiefebene versetzte Landschaftsszene mit Jungfrau Maria und Jesuskind wird mit überquellenden Blumengirlanden behängt; bei der Ausstattung des Garten Edens kann selbst der liebe Gott von einem Jan Brueghel noch etwas lernen.
Bei Jan Steen führt derlei paradiesischer Überfluss schließlich zu einer satirischen Kirmesszene. Alle amüsieren sich, gekotzt wird später, und einer winkt dem in See stechenden Narrenschiff betrunken mit einem Messer hinterher. Wer wagt es da, eine diebische Maus der Sünde zu bezichtigen?
„Sammlerträume - Sternstunden niederländischer Barockkunst“, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Obenmarspforten, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, 26. Mai 2023 bis 21. April 2024