Sahra Wagenknecht debattierte bei „Maischberger“ mit der Konfliktforscherin Florence Gaub. Einigkeit herrschte dabei keineswegs.
Trotz und Täter-Opfer-UmkehrWagenknecht liefert sich intensives TV-Duell zu Russlands Krieg bei „Maischberger“
Zwei große Themenblöcke standen auf dem Programm: In der ARD-Talkshow „Maischberger“ wurde am Mittwochabend zum einen über Russlands Krieg gegen die Ukraine und zum anderen über das neue Heizungsgesetz diskutiert. Mit Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und Florence Gaub, Forschungsdirektorin am Nato Defense College, schickte Moderatorin Sandra Maischberger zwei Kontrahenten ins „Talk-Duell“.
Zum Start stellte sich die Frage nach der Verantwortung für die Zerstörung des Kachowka-Staudamms nahe der ukrainischen Stadt Cherson. „Ich habe keine Informationen“, räumte Wagenknecht zunächst ein – äußerte dann jedoch dennoch ihre Theorie.
Sahra Wagenknecht bei Maischberger: „Ich habe keine Informationen“
So habe es sie irritiert, dass bereits schnell in westlichen Medien die Rede davon gewesen sei, dass Moskau hinter dem Dammbruch stecke, erklärte Wagenknecht. „Ich finde es beeindruckend, wie schnell viele wissen, wer es war.“
Die Linken-Politikerin, die von ihrer Parteiführung nicht mehr erwünscht ist, erinnerte an die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines, deren Hintergründe nach wie vor nicht aufgeklärt sind. Die Ermittlungen dauern an. „Uns wurde allen Ernstes weis gemacht, die Russen hätten ihre eigene Pipeline gesprengt“, empörte sich Wagenknecht.
Kurz darauf äußerte sich Wagenknecht, als sei klar, dass die Ukraine für die Sabotage-Aktion verantwortlich sei – und nahm dabei Bezug auf Berichte der Medien, die beim Kachowka-Damm angeblich vorschnell urteilen würden.
Ukraine-Talk bei Maischberger: Sahra Wagenknecht fordert Waffenstillstand und Verhandlungen
„Deutschland gibt Milliarden aus, um die Ukraine zu unterstützen und als nette Gegenleistung sprengen sie einen erheblichen Teil unserer Infrastruktur“, behauptete Wagenknecht – und erntete dafür eine kritische Nachfrage Maischbergers. Das klinge, als sei sicher, dass die Ukraine verantwortlich sei, bemerkte die Moderatorin. „Ich lese, was Medien schreiben“, entgegnete Wagenknecht.
Beweise für eine der Nord-Stream-Theorien gebe es derzeit nicht, intervenierte dann auch Daub. „Wir wissen, dass Russland in der Vergangenheit bereits Gasleitungen sabotiert hat“, fügte sie an. Maischberger beendete „diese Spekulationen“ daraufhin.
Nato-Expertin bei Maischberger: „Der Krieg fängt in den Köpfen an, und er muss auch dort enden“
Mit Blick auf die Situation auf dem Schlachtfeld in der Ukraine wiederholte Wagenknecht im Gespräch mit Daub ihre bekannte Forderung nach einem Waffenstillstand und schnellen Verhandlungen. Dafür sei noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen, entgegnete Militärexpertin Daub.
Die konkrete Situation an der Front sei aus der Ferne schwer zu beurteilen, so Daub. „Aber darum geht es auch nicht“, führte die Konfliktforscherin aus. „Es geht um die Frage, was der Krieg in den Köpfen der russischen Bevölkerung macht. Der Krieg fängt in den Köpfen an, und er muss auch dort enden.“ Bei der Gegenoffensive gehe es weniger um Geländegewinne als darum, Russland davon zu überzeugen, dass ein militärischer Sieg gegen die Ukraine unmöglich sei.
Sahra Wagenknecht spricht bei Maischberger von einem „völlig sinnlosen Krieg“
Wagenknecht, der von Kritikern seit Kriegsbeginn immer wieder vorgeworfen wird, russische Narrative zu verbreiten, entgegnete prompt, die Offensive sei nicht geeignet, den Krieg zu deeskalieren, vielmehr eskaliere sie ihn hingegen. In der Konfliktforschung bedeutet „Eskalation“ den Übergang eines Konflikts in einen höheren Intensitätsgrad.
„Wenn man den Krieg deeskalieren will, muss man versuchen, Gespräche über einen Waffenstillstand zu führen“, erklärte die Linken-Politikerin. Durch die Offensive befördere die Ukraine, dass Russland „mehr Raketen und Bomben“ einsetze und begab sich damit nah an eine Täter-Opfer-Umkehr.
Es sei, so Wagenknecht, ein „Abnutzungskrieg von beiden Seiten“, der „völlig sinnlos“ sei. Deswegen müsse man nun alles für Verhandlungen tun – „wie erfolgreich die dann sind, muss man testen“. Der Kreml hatte zuletzt als Bedingung für Verhandlungen das Ende westlicher Waffenlieferungen gefordert – was laut westlichen Experten einer militärischen Niederlage Kiews gleichkäme.
Nato-Expertin Florence Gaub bei Maischberger: „Dass jemand aufsteht und sich verteidigt, ist ehrenwert.“
Auch Daub stimmte Wagenknecht bei „Maischberger“ nicht zu – derzeit gebe es nichts, worüber die Ukraine und Russland verhandeln wollten. „Das heißt, dass man eine andere Lösung finden muss. Und meistens kommt man den Punkt erst, wenn man sich ein bisschen zermürbt hat“, führte die Nato-Expertin aus. „Irgendwann kommt man an den Punkt, wo die Bereitschaft erreicht ist.“ Noch sei es allerdings nicht so weit.
Zudem gehe es gar nicht um Eskalation oder Deeskalation, sondern darum, „den Krieg so zu beenden, dass er danach nicht wiederkommt“, erklärte Daub. „Manchmal muss es erst richtig nach oben gehen, bevor eine Seite einschwenkt.“ Die Ukraine habe die Situation nicht herbeigeführt.
„Die Ukraine hat entschieden, sich zu verteidigen – und jetzt gehen wir hin und sagen: Jetzt hör mal auf, dich zu verteidigen, ist doch schöner am Leben zu sein“, kritisierte Daub die Haltung Wagenknechts. „Dass jemand aufsteht und sich verteidigt, ist ehrenwert.“ Russland habe internationales Recht gebrochen.
Maischberger: TV-Duell zwischen Sahra Wagenknecht und Florence Daub endet ohne Einigkeit
Wagenknecht wagte daraufhin den Blick in den Jemen, wo es derzeit Friedensverhandlungen gebe – lieferte damit aber vor allem Kontrahentin Gaub ein Argument. Acht Jahre habe der Krieg im Jemen, der ein Stellvertreterkrieg gewesen sei, gedauert, führte die Konfliktforscherin aus.
Prompt warf Wagenknecht ein, auch der Krieg in der Ukraine sei ein Stellvertreterkrieg – eigentlich handele es sich um einen Konflikt zwischen den USA und Russland, behauptete sie. Erneut gab es keine Zustimmung von Daub: Die Lage in der Ukraine sei komplizierter – tatsächliche gehe es um eine „neue Weltordnung“ dabei. So endete das „Duell“ zwischen Wagenknecht und Daub schließlich ohne Einigkeit.
Neben Wagenknecht und Daub waren die Grünen-Parteichefin Ricarda Lang, Moderator Cherno Jobatey, der ehemalige „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann und die „taz“-Journalistin Ulrike Herrmann bei „Maischberger“ zu Gast.
Lang räumte im Gespräch mit Maischberger Versäumnisse beim Heizungsgesetz ein. „Die soziale Frage muss immer am Anfang stehen, also die Frage ‚Wie kann das am Ende bezahlt werden‘. Das wurde wirklich versäumt“, erklärte Lang. Bis zur Sommerpause solle das Gesetz nachgebessert und sozialer gestaltet werden. „Für eine Rentnerin mit wenig Geld soll es so billig sein, wie es gerade eine Gasheizung ist“, erklärte Lang.