Matalons Musik zu Fritz Langs FilmZwiespältig ist „Metropolis rebooted“
Köln – Noch bevor die ersten Bilder des Films sichtbar werden, kreist ein eigenartig wummerndes Pulsieren durch das Rund der Philharmonie. Das motorische Trudeln der elektronischen Zuspielung wird eindringlicher, kommt näher, pocht dann aber wieder schwächer und taucht ab. Plötzlich schwillt es erneut an und flutet endlich mit voller Macht den ganzen Saal. Martin Matalon gelingt gleich zu Anfang von „Metropolis rebooted“ ein eindringliches Klangszenario, dessen ebenso bedrohliche wie verheißungsvoll irrlichternde Energetik den Grundcharakter des alten Stummfilmklassikers erfasst.
Fritz Lang und Thea von Harbou zeichneten 1927 in „Metropolis“ eine scherenschnittartige Gegenüberstellung der Klugen, Reichen und Schönen in der lichten Oberwelt sowie in der dunklen Tiefe der armen ausgebeuteten Arbeitermassen, die von der fauchenden Monstermaschine „Moloch“ regelrecht zermalmt und verschlungen werden. Oben herrscht der Stadtgründer als „Hirn“ über die Großstadt mit all ihren modernistischen Riesentürmen, Verkehrsströmen und Unterhaltungsangeboten. Unten helfen die Maschinen nicht mehr der „Hand“ des Menschen, sondern haben Schaltkreise, Getriebe, Uhren und Apparaturen die Arbeiter versklavt. Der Schwarz-Weiß-Film zeichnet den Klassenkampf mit mythologisch klaren Fronten zwischen Nacht -und Lichtalben, Katakomben und Sündenbabel, Heiliger und Hure.
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Die Gegensätze ließen sich leicht mit ebensolchen Klangklischees auskleiden: hier das romantisch-gefühlvolle, menschlich warme Sinfonieorchester, dort die bedrohliche, technoide, kalte Elektronik des Pariser Studios IRCAM. Dieser Verführung ist der argentinische Komponist glücklicherweise nicht erlegen. Seine uraufgeführte Musik zur 2010 restaurierten zweieinhalbstündigen Urfassung von „Metropolis“ lebt von faszinierenden Mischungen der Elektronik mit dem unter François-Xavier Roth punktgenau agierenden Gürzenich-Orchester. Diese Variabilität schafft auch wechselnde Verhältnisse zum Film. Oft folgen die Klänge und Rhythmen exakt den Tempi und Schnitten der Filmhandlung. Zur finalen Verfolgungsjagd im Dom rauf und runter über Treppen laufen ebenso schnelle Skalen in Marimbaphon und Trompeten auf und ab.
Mickey Mousing und freie Analogien
Auf der Grenze zwischen Mickey Mousing und freien Analogien verlaufen die Klänge zur großen Dampforgel bei den Schichtwechseln sowie zum Ticken von Uhren, Stampfen von Kurbelwellen, Rotieren von Zahnrädern und Pleuelstangen, Sirren von Turbinen und Blitzen von Transformatoren. Zudem dient Musik stets als Gefühlsverstärker bei Angst, Schrecken, Gewalt oder Hoffnung, Schönheit, Liebe, Religion. Anderes erscheint dagegen schillernder. Free-Jazz-Einlagen illustrieren wahlweise Exzesse der männermordenden Maschinen oder Ausschweifungen lüsterner Snobs. Manchmal entstehen auch Kontrapunkte zum Film. Als tosende Wasser die Unterwelt fluten und alle Kinder erbärmlich zu ertrinken drohen, herrscht plötzlich beklemmende Stille und schweben bloß irreale Vibraphon-Klänge durch den Raum.
Nichtssagend und beiläufig
Über Strecken ist der Film langatmig, redundant und auf der Stelle tretend. Auch musikalisch wirken einige Passagen nichtssagend und beiläufig wie tönender Hintergrund, der die bewegten Bilder nicht neu zu beleuchten vermag. Ein solistisches Trio aus Akkordeon, E-Gitarre und E-Bassgitarre liefert zwar besondere Klangfarben, spielt aber minutenlang unverändert vor sich hin, als gälte es, schlicht Zeit zu schinden. Großer Applaus für ein ebenso eindrückliches wie zwiespältiges Erlebnis.