Zum Tod von Meat LoafWarum „Bat Out of Hell“ ein missverstandenes Meisterwerk ist
- Der Rocksänger ist mit 74 Jahren gestorben. Sein Debüt wird sehr viel länger leben. Ein Nachruf
New York – Vor seinem kommerziellen Durchbruch mit seinem 1977er Album „Bat Out of Hell“, heißt es, habe sich Meat Loaf von seiner Theaterkarriere verabschiedet.
Der gewichtige Sänger – 1947 als Marvin Lee Aday in Dallas, Texas geboren – war ein Bühnenkind: Seinen Einstand hatte er in Los Angeles mit „Hair“ gegeben, kurz darauf spielte er auch in der Broadway-Version des Hippie-Musicals mit. Den „Bat Out of Hell“-Komponisten Jim Steinman lernte er kennen, als er für dessen Vietnamkriegs-Musical „More Than You Deserve“ vorsprach. Und die Sängerin Ellen Foley, mit der er sich im Titelsong und „Paradise By the Dashboard Light“ duettiert, war seine Ensemblekollegin in der Broadway-Produktion „Lemmings“, in der Meat Loaf als Zweitbesetzung für seinen Freund John Belushi auftrat. Zuvor hatte er an der Westküste große Erfolge in der Doppelrolle Eddie/Dr. Scott in der „Rocky Horror Show“ gefeiert.
In der Musikbranche, zumal im Rock-Business, hielt man indes nicht allzu viel von singenden Schauspielern. Wie ein Zirkusclown sei er behandelt worden, pflegte Meat Loaf zu klagen. Was auch seine damaligen Beteuerungen erklärt, mit der Bühne endgültig gebrochen zu haben. Eine glatte Notlüge. Die meisten Songs der Platte stammen aus einem weiteren Musical Jim Steinmans namens „Neverland“, einer futuristischen Peter-Pan-Bearbeitung. Nie zuvor und nie danach klang Rockmusik theatralischer als auf „Bat Out of Hell“, die Plattenrillen werden zu weltbedeutenden Brettern. Seit 2017 tourt auch eine Bühnenfassung von „Bat Out of Hell“ um die Welt, die ihre Schöpfer (Steinman starb im April 2021) nun überlebt.
Todd Rundgren glaubte an einen Witz
Und Meat Loaf spielt immer schön mittig an der Rampe. Nie zuvor hat ein Sänger mit so großem Engagement solch schwindelnde Höhen melodramatischer Absurdität erklommen. Musiktheater und Musik fallen hier in eins, Parodie und Parodiertes sind nicht länger voneinander zu unterscheiden. Auch nicht für die Beteiligten: Todd Rundgren, Produzent und Lead-Gitarrist des Albums, wähnte sich bis zuletzt als Teil eines elaborierten Insider-Witzes, einer liebevollen Persiflage auf Bruce Springsteens operettenhaftes (aber völlig ernst gemeintes) Album „Born to Run“. Immerhin spielen hier mit dem Drummer Max Weinberg und dem Pianisten Roy Bittan zwei Veteranen der E-Street-Band mit.
Wirklich gemeinsam ist „Born to Run“ und „Bat Out of Hell“ jedoch nur die hörbare Verehrung für Phil Spectors überorchestrierte „Wall of Sound“; in „You Took The Words Right Out Of My Mouth“ wird denn auch prompt das berühmte Schlagzeug-Intro von „Be My Baby“ zitiert. Ansonsten interessieren sich Steinman und Meat Loaf eher für die Shangri-Las, die makabren Gegenspielerinnen der Ronettes, und ihre todessehnsüchtigen Lieder über Teenager in Autowracks.
Noch häufiger liest man, Jim Steinman habe das Genre des Wagnerianischen Rocks begründet, wahrscheinlich stammt die Behauptung von Steinman selbst. Auch sie trifft nicht wirklich zu. Es wäre sowieso eine Mesalliance, wie man sie etwa auf dem unfreiwillig komischen Cover-Album „Rock Classics“ des blondgelockten Siegfried-Sängers Peter Hofmann nachhören kann. Die Komik von Steinman und Meat Loaf aber ist eine mit aller Macht und allen zur Verfügung stehenden Mitteln gewollte.
Was man bereits am völlig lächerlichen Cover erkennen kann: Den dämonischen Motorradfahrer, der mit Karacho aus dem Grab fährt hat Richard Corben gemalt, der beste und augenzwinkerndste aller Fantasy-Illustratoren.
Eine Fummel-Sinfonie
Das komische Meisterwerk der beiden Maximalisten ist wahrscheinlich die Fummel-Sinfonie „Paradise By the Dashboard Light“. Hätten sich Tristan und Isolde auf dem Rücksitz eines parkenden Wagens kennen- und lieben gelernt, wäre ihnen statt König Marke die Knüppelschaltung in die Quere gekommen – das Achteinhalb-Minuten-Stück könnte in der Tat von Richard Wagner stammen. Rechnet man den Disco-Part ab, in dem ein Stadionsprecher die Petting-Fortschritte des Protagonisten kommentiert.
Hier begeben sich Steinman und sein kongenialer Interpret in die Untiefen allergröbster Farce, aber das ist nur ein weiterer Theatertrick: Denn eigentlich spielt Meat Loaf einen alten Mann, der sich in einer lieblosen Ehe gefangen fühlt und sich hier noch einmal daran erinnert, wie aufregend und fiebrig diese einmal angefangen hatte. Pathos und Slapstick trennt nur eine Messerscheide.
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Jede Plattenfirma lehnte das Album entrüstet ab, Radiostationen weigerten sich es abzuspielen, Rockkritiker, die noch darum kämpften, ernst genommen zu werden, zerrissen es gnadenlos zerrissen: „Ein Libretto, das mit Clearasil auf den Badezimmerspiegel geschmiert wurde“, schrieb der „Rolling Stone“. Doch „Bat Out of Hell“ hat sich mehr als 40 Millionen mal verkauft. Und bleibt in seiner Grand-Guignol-Energie unübertroffen.
Am 20. Januar ist Meat Loaf im Alter von 74 Jahren gestorben.