Michel Houellebecq„Trump ist der beste Präsident, den Amerika je hatte“
Köln – Michel Houellebecq genießt den Ruf eines brillanten Provokateurs, wenn nicht gar den des großen Unglückspropheten unserer Zeit. Eventuell ist er aber einfach nur ein Troll. Im Ernst, wer schreibt denn – in einem Beitrag für das altehrwürdige amerikanische „Harper’s Magazine“ – folgenden Satz?
„Kurz gesagt, Präsident Trump erscheint mir als einer der besten Präsidenten, die Amerika je hatte.“ Klar, wer im großen Meinungskonzert gehört werden will, muss schon mal auf die Pauke hauen. Aber irgendwann reißt selbst das dickste Fell.
Doch soll man Houellebecq nicht unterschätzen, wie töricht wäre das nach so bösen und tieftraurigen Meisterwerken wie „Elementarteilchen“ oder „Karte und Gebiet“? Der kontraintuitiven Aussage über den Noch-Präsidenten der USA fügt der französische Autor einschränkend hinzu: „In persönlicher Hinsicht ist er natürlich ziemlich widerwärtig.“
Zum Buch
Michel Houellebecq: „Ein bisschen schlechter. Neue Interventionen“, übersetzt von Stephan Kleiner, DuMont Buchverlag, 200 Seiten, 23 Euro, E-Book: 17,99 Euro.
Schon lehnt sich der Leser entspannt zurück. Immerhin, man scheint ja doch noch in derselben Welt zu leben. Mal hören, was er noch über Trump zu sagen hat, der alte Fuchs. „Dass er sich Nutten bestellt, ist kein Problem, wen juckt das, aber sich über Behinderte lustig zu machen, das ist nicht gut.“
Houellebecq, der Frauenfeind; Houellebecq, der Humanist. Ja, was denn nun? Warum nicht schlicht: Houellebecq, der Konservative? So geht es weiter im Text: „Ein echter christlicher Konservativer – also ein ehrenwerter und sittlicher Kerl – mit einem gleichwertigen Programm wäre für Amerika besser gewesen.“ Na gut, hoffentlich meint er nicht Mike Pence. Aber mit dem Konservatismus ist es Houellebecq so ernst wie mit dem Christentum.
Daran zumindest besteht nach der Lektüre des jetzt im DuMont Buchverlag erschienenen, durchgehend amüsanten Bandes „Ein bisschen schlechter“ kein Zweifel. Die hier versammelten „Interventionen“ setzen sich aus Essays, Vorworten und Interviews der vergangenen Jahre zusammen, auch ein erste Reaktion auf das Leben unter Pandemiebedingungen ist enthalten. Was Corona verändern werde? Nichts. „Wir werden nach der Ausgangssperre nicht in einer neuen Welt erwachen; es wird dieselbe sein, nur ein bisschen schlechter.“
Am Anfang des Buches steht jedoch programmatisch ein älterer Artikel aus dem „Figaro“, „Der Konservatismus, Quelle des Fortschritts“ übertitelt. Aller Konservatismus, argumentiert der Autor darin, wurzele in intellektueller Faulheit. Die sei jedoch ein mächtige Kraft, die „Mutter der Effizienz“. Konservativ, das ist für Houellebecq folglich derjenige, der Veränderungen so lange scheut, bis sie unumgänglich geworden sind, er ist ein „ungefährliches Individuum“. Er glaube nicht, sagt der Autor in einem Interview für die „Revue de Deux Mondes“, dass der Mensch für das Leben in einer sich ständig verändernden Welt gemacht sei.
Diese ungefährlichen Individuen, sie erinnern nicht von Ungefähr an die lebensunfähigen Protagonisten aus den Romanen Houellebecqs: Männer, die isoliert im Widerschein ihrer Laptops in Apartments herumhängen, völlig ausgelaugt vom Geschlechterkampf und den anderen Zumutungen der Gegenwart. Männer, die sich fragen, warum sie nicht mehr im TGV rauchen, oder mit ihren Bedürfnissen zu Prostituierten gehen. dürfen. Der Autor als Anwalt seiner Figuren, warum sollte uns das überraschen?
Er selbst sucht sein Heil im Katholizismus, einem erträumten Katholizismus, der zu altem Glanz, oder besser in den Schoß der orthodoxen Kirche zurückgekehrt ist. Allein, ihm fehlt der Glaube. Oder, wie er es kokett im Gespräch formuliert: „Gott will mich nicht, wissen Sie. Er hat mich zurückgewiesen.
Dennoch: die Moderne, die Aufklärung, die Renaissance, ja selbst die Gotik, sie sind für Houellebecq Irrwege ins Unglück, lauter falsche Abzweigungen, die auf direktem Weg zu den geistig und moralisch erschlafften Männern seiner Geschichten führen.
Fragwürdige Typen
Insofern kann man seinen Konservatismus als radikal im Wortsinn bezeichnen. Dabei begibt er sich mutwillig ins Umfeld einiger fragwürdiger Typen. Etwa, wenn er beharrlich den rechten Islamhasser Éric Zemmour verteidigt, gegen dessen Polemiken Thilo Sarrazin als Stimme der Vernunft erscheint.
Die festen Überzeugungen hinter Houellebecqs eleganten Provokationen sind jedoch von bäuerlicher Schlichtheit: Er misstraut den Fremden, dem Feminismus, dem Welthandel und der EU. Und er misstraut nicht weniger Hurra-Patrioten und Organisationen, die sich in das Sexualleben ihrer Mitglieder einmischen wollen.
Provokateur oder Spießer?
Kurz: er sehnt sich nach Struktur und Routine, nach Nahbarkeit und Privatsphäre. Der Provokateur ist ein Schrebergärtner. Gerade deshalb kann er jedoch tiefer in den Wunden unserer Zeit bohren, als seine Kollegen: Michel Houellebecq weiß, dass mit jedem Update die Traurigkeit steigt.