Vor der US-WahlSieben Bücher über Donald Trump
Köln – Es ist ganz eindeutig: Der Münchner C.H. Beck Verlag mag Donald Trump nicht. Mit gleich drei aktuellen einschlägigen Veröffentlichungen begleitet er den amerikanischen Wahlkampf. Wobei selbstredend klar ist, dass alle Deutschen, alle Europäer und auch die Verlagsangehörigen und die adressierten Leser rein gar nichts für den Ausgang dieser Wahl bewirken können. Wünschen können wir uns freilich allemal etwas – zumal „uns“, die wir in einer globalisierten Welt leben, das Ergebnis alles andere als gleichgültig sein kann.
Mit den drei Büchern also lässt der Beck-Verlag Trumps Niederlage gleichsam herbeischreiben, diese Figur muss, diese Suggestion wird transportiert, einfach weg, will das menschliche Normalgehirn, ob nun amerikanischer oder sonstiger Nationalität, nicht am Lauf der Dinge völlig verzweifeln. Die drei Titel liefern Blicke „von außen“ und „von innen“. Ziemlich von außen kommt „America first. Donald Trump im Weißen Haus“ aus der Feder des Regensburger Politologen Stephan Bierling, der freilich ausgewiesener US-Kenner ist.
Nichts spricht gegen eine informierte Außenperspektive, Bierling liefert auf gutem gedanklichen und sprachlichen Niveau ein Kondensat etablierter europäischer Trump-Kritik: „Was schon in normalen Zeiten Präsidentenamt und politisches System beschädigte, gefährdete jetzt Menschenleben“, heißt es am Schluss zu Trumps Umgang mit der Corona-Krise: „Die Wähler werden deshalb nicht zuletzt darüber zu entscheiden haben, ob es in der amerikanischen Politik ein Mindestmaß an Rationalität, Kompetenz, Anstand und Würde geben soll.“
Bibliografische Angaben
Stephan Bierling: „America First. Donald Trump im Weißen Haus. Eine Bilanz“, C.H.Beck, 271 S., 16.95 Euro
Klaus Brinkbäumer/Stephan Lamby: „Im Wahn. Die amerikanische Katastrophe“, C.H.Beck, 391 S., 22.95 Euro
Philip Gorski: „Am Scheideweg. Amerikas Christen und die Demokratie vor und nach Trump“, übersetzt von P.G. und Hella Heydorn, Herder, 223 S., 24 Euro
Torben Lütjen: „Amerika im kalten Bürgerkrieg. Wie ein Land seine Mitte verliert“, Theiss, 224 S., 20 Euro
Philip Rucker/Carol Leonnig: „Trump gegen die Demokratie. »A very stable genius«“, übersetzt von Martin Bayer u.a., S. Fischer, 440 S., 22 Euro
Timothy Snyder: „Die amerikanische Krankheit. Vier Lektionen der Freiheit aus einem US-Hospital“, übersetzt von Andreas Wirthensohn, 159 S., 12 Euro
Elmar Thevessen: „Die Zerstörung Amerikas. Wie Donald Trump sein Land und die Welt für immer verändert“, Piper, 320 S., 22 Euro
„Näher dran“ ist das Buch der in den USA lebenden und arbeitenden deutschen Journalisten Klaus Brinkbäumer und Stephan Lamby: „Im Wahn. Die amerikanische Katastrophe“. Die Darstellung ist glänzend geschrieben, spannend, wertet zahlreiche Gespräche der Autoren mit teils direkt Beteiligten aus, mäandert freilich im Aufbau freilich etwas unübersichtlich dahin. Immerhin hat sie in der Darstellung der desaströs zerfallenden amerikanischen Medienwelt, der grassierenden Virtualisierung von Fakten und Wahrheit, in deren Mitte der Präsident haust, ein thematisches Zentrum.
Brinkbäumer und Lamby holen aber auch historisch aus und kommen damit zur Pointe ihres Buches: In der Figur des Watergate-Präsidenten Nixon hat Trump einen genauen Vorläufer. Was so viel heißt wie: Trump ist nicht Ursache, sondern Symptom der aus der Tiefe der Jahrzehnte anrollenden Welle einer politischen Zerstörung, die jetzt endgültig bricht. Was das Phänomen freilich nicht besser macht. Nur geht eben auch die Hoffnung fehl, dass ohne Trump alles sofort besser wird. Ein düsteres Buch, düster wie sein Cover.
Schließlich der Ego-Bericht des US-Historikers Timothy Snyder „Die amerikanische Krankheit. Vier Lektionen der Freiheit aus einem US-Hospital“. Der Verfasser schildert eindringlich, wie er anlässlich einer akuten schweren Erkrankung in einem völlig durchkommerzialisierten Gesundheitssystem buchstäblich fast vor die Hunde gegangen wäre. Das hat nicht unmittelbar mit Trump zu tun, mittelbar allerdings schon. Der Präsident und das. was er und seine Gefolgsleute tun – etwa der Kampf gegen Obamacare – stehen halt dafür, was Snyder zufolge in seinem Land politisch-moralisch zum Himmel stinkt.
Gemeinsam ist den drei Beck-Büchern der alarmistische Ton, der die amerikanische Demokratie auf der Kippe sieht. Als Leser kann man das sogar nachvollziehen. Trotzdem stellt sich bei wiederholter Lektüre des Vorhersehbar-Nämlichen und zumal in der Bewertung nahezu Immergleichen Überdruss ein. Auch die europäische Anti-Trump-Haltung bewegt sich – mit welch guten Gründen auch immer – in einer Blase der Selbstreferenzialität, in einer Echokammer aus Erwartung und Erfüllung. Die Leute bekommen zu lesen, was sie lesen wollen, und weil mit Pro-Trump-Büchern hier kein Geschäft zu machen ist, beliefern und bedienen die Verlage beflissen jenen fasziniert-wollüstigen Ekel, der eh schon da ist und gefüttert werden will.
Nun muss man sich nur um eines sportlichen Kontrasteffekts willen keine Trump-Lobrede auf dem deutschen Büchermarkt wünschen. Aber wie wäre es mal mit einer kritisch-differenzierten Bestandsaufnahme, die zum Beispiel fragt, ob nicht an den Invektiven gegen die niedrigen Militärausgaben der Nato-Länder oder gegen Nordstream 2 oder an Trumps rüder Handelskriegspolitik gegenüber China nicht vielleicht doch etwas dran ist. Auch ernsthaft fragt, wieso eigentlich klassische Kernwählerschaft der Demokraten im Rust Belt bei der 2016er Wahl es für richtig befand, zu Trump überzulaufen.
Aber Differenzierung ist in diesen Tagen nicht gefragt, vielleicht ist sie angesichts dessen, was möglicherweise auf dem Spiel steht, auch nicht das vordringliche Gebot. Das Unbehagen aber bleibt – man fühlt sich erinnert an Hegels Kritik an Kant und dessen „Ohnmacht des bloßen Sollens“.
Fahren wir also fort in unserer Anti-Trump-Rallye. Sind Brinkbäumer und Lamby ziemlich nah dran, so ihre US-Kollegen Philip Rucker und Carol Leonnig von der „Washington Post“ in ihrem Buch „Trump gegen die Demokratie“ (diesmal nicht bei Beck, sondern in Übersetzung bei S. Fischer) ganz nah. Klar, die preisgekrönten Autoren konnten die Ära Trump vom ersten Augenblick an aus kürzester Distanz verfolgen – und das merkt man. Politikgeschichtliche Einordnungen und demokratietheoretische Weiterungen findet man nicht bei ihnen, stattdessen liefern sie von Tag eins weg gleichsam ein Tagebuch dieser Präsidentschaft, das den Eindruck erweckt, als seien sie – und in Suggestivübertragung dann auch die Leser – unmittelbar bei allem dabei gewesen.
Grotesk und erschreckend
Obwohl das so nicht stimmen kann, ist die Arbeit nicht unseriös, sondern basiert erkennbar auf gründlicher Hintergrund-Recherche. Was man da erfährt, bewegt sich zwischen grotesk und erschreckend; der Sumpf aus Intriganz, Inkompetenz, Voluntarismus, Lügen und absurder Selbstüberschätzung – auch übrigens aus Verschwendung an Kraft und Ressourcen etwa in der Abwehr der Untersuchungen des Sonderermittlers Robert Mueller zur Russland-Affäre – lässt einem die Haare zu Berge stehen. Theorie und Moralin wären da ganz überflüssige Dreingaben.
Das wären sie auch in dem Report „Die Zerstörung Amerikas. Wie Donald Trump sein Land und die Welt für immer verändert“ aus der Feder von Elmar Thevessen, des ZDF-Hauptstadtstudioleiters in Washington. Thevessen, der sich dem Fernsehgucker durch seine temperamentlose Sachlichkeit empfiehlt, zieht hier ungewohnt apokalyptisch vom Leder: „Donald Trump ist ein Rassist mit faschistischen Zügen, weil er die demokratische Ordnung schleift, die Gewaltenteilung bekämpft, absolute Macht für sich in Anspruch nimmt und sich selbst über das Gesetz stellt. Donald Trump ist eine Gefahr für die Welt, weil er den Autoritarismus der liberalen Demokratie vorzieht, weil er Despoten und Mörder hofiert, unverzichtbare Bündnisse schwächt, die westliche Wertegemeinschaft infrage stellt.“
Horrortrip ins Trumpland
Dieses Resümee wird freilich dem Leser durch die vorangehenden Schilderungen nahe genug gelegt, der Autor muss da eigentlich nicht mehr nachhelfen. Thevessen begibt sich auf seinen journalistischen Reisen – oder soll man sagen: seinem Horrortrip – tief ins Innere von Trump Country. Und fördert in der Tat Unheimliches zutage. Indes stellt sich halt auch hier der geschilderte Überdruss ein: So oder so ähnlich hat man es schon oft, mittlerweile zu oft gehört und gelesen.
Vom Journalismus zur Wissenschaft. Besagte Theorie liefert der deutsche, an der amerikanischen Vanderbilt-Uni lehrende Politologe Torben Lütjen, in seinem Buch „Amerika im kalten Bürgerkrieg. Wie ein Land seine Mitte verliert“. Trump im Weißen Haus ist auch nicht sein zentrales Thema, das ist vielmehr die sich seit Jahrzehnten entwickelnde extreme Polarisierung der parteipolitischen Sphären, die jegliche Brücken zueinander abgebrochen haben und in deren Zug sich der Gegner auf gut Carl Schmitt’sche Weise in einen vernichtenswerten Feind verwandelt.
Symptom statt Ursache
In diesem Sinne ist Trump – hier trifft sich Lütjen mit Brinkbäumer/Lamby – weniger die Ursache als vielmehr ein allerdings besorgniserregendes Symptom. Wie viel hasserfüllte Polarisierung verträgt eine Demokratie, ohne dass sie in die Knie geht?
Insgesamt ist die Diagnose Lütjens, der in jeder Zeile erkennbar Trumps Wahlniederlage herbeisehnt, im Vergleich zu vielen anderen Statements dieser Tage erfreulich unaufgeregt: Nein, dafür, dass die TV-Ikone mit den gelben Haaren einen neuen Faschismus etabliert, gibt es aus seiner Sicht gerade keine belastbaren Indizien – Trump ist nicht Hitler: „Trump hat die Normen der amerikanischen Politik immer wieder gebrochen – und damit, wie einige meinen, auch den Geist der Verfassung. Aber ausgehebelt hat er sie nicht.“
Religiöse Rechte
Nicht unmittelbar, wohl aber mittelbar ist auch das Buch des an der Vale University lehrenden Religionssoziologen Philip Gorski ein Anti-Trump-Buch: Gorski verfolgt in „Am Scheideweg. Amerikas Christen und die Demokratie vor und nach Trump“ durch die vergangenen Jahrzehnte den Aufstieg der Evangelikalen und die Formierung einer religiösen Rechten – auch im Sinne einer starken Unterstützergruppe für den gegenwärtigen Präsidenten.
Gorski geht der Frage nach, warum „so viele amerikanische Christen sich von einem offen autoritären und antidemokratischen Führer wie Donald Trump angezogen fühlen“. Seine deprimierende, von historischer Tiefenanalyse solide unterfütterte Antwort: Die bereits von Haus aus alles andere als selbstverständliche, vielmehr in und von der Geschichte immer wieder dementierte Allianz von Demokratie und Christentum ist in den USA bei vielen Evangelikalen dieser Tage im Zeichen eines fanatischen, jedweder Toleranz abholden Kulturkampfes, eines weißen, christlichen, subkutan von Rassismus gespeisten Nationalismus auseinandergebrochen. Eine Umkehrung dieser Entwicklung hält Gorski indes wenigstens nicht für ausgeschlossen.
Drohung des Faschismus
Wie nun also: Droht aus den USA ein neuer Faschismus oder nicht? Die Antworten im Anti-Trump-Bücherregal fallen, wie beschrieben, unterschiedlich aus. Das verwundert nicht, denn die „Diagnosen“ sind genau das nicht, sondern es sind recht eigentlich Prognosen. Kaffeesatzleserei? Das wäre ein zu hartes Urteil – niemandem kann man verwehren, auf der Basis vergleichsweise gesicherter Erkenntnisse in die Zukunft zu blicken. Die allerdings ist, wie immer, offen und verhüllt. Wünschen wird man sich allemal dies: dass die Wahl am 3. November so ausgeht, dass wir – vielleicht – über einen bevorstehenden Faschismus nicht mehr mutmaßen müssen.