- Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni hat eine amerikanische Frau – und einen Schwiegervater der Donald Trump wählen will.
- Nun hat der ARD-Journalist über seine politisch zerrissene Familie einen Dokumentarfilm gedreht.
- Im Gespräch erläutert Zamperoni, warum es gute Gründe gibt, Trump zu wählen.
Herr Zamperoni, der Riss in der US-Gesellschaft geht bei Ihnen mitten durch die Familie: Ihre Frau ist für Biden, Ihr Schwiegervater für Trump. Wie fühlt sich das an?Ingo Zamperoni: Meine Frau und ihr Vater haben sich schon immer politisch beharkt. Kaum sind wir durch die Tür, gehen die Diskussionen über Trump und seine Politik los, so dass ich manchmal gesagt habe: „Wollen wir vielleicht erst mal die Koffer abstellen und die Jacken ausziehen?“ Im Unterschied zu früher sind beide heute schneller an dem Punkt, wo sie beschließen: „Lass uns lieber aufhören, bevor wir Sachen sagen, die dann nicht mehr zurückzunehmen sind.“ Es gibt eine Menge Familien in den USA, die überhaupt nicht mehr über Politik reden – aus Angst, dass es die Familie zerstört. Und das ist ihnen der Mann im Weißen Haus dann doch nicht wert.
Woher kommt diese bis ins Persönliche gehende Aggressivität?
Das US-amerikanische Zwei-Parteien-System zwingt fast zum Schwarz-Weiß-Denken: Es gibt nur Demokraten oder Republikaner. Es gibt weder Nuancen noch Koalitionen. Also muss man immer gleich das ganze Paket nehmen, auch wenn man seine Wahl als „One-issue-Voter“ von einem ganz bestimmten Herzensthema abhängig macht. Das kann Abtreibungsrecht, Steuerpolitik, Waffenbesitz sein. Alles andere kriegt man dann eben mit dazu.
Hat die familiäre Nähe Ihr Verständnis für Trump-Anhänger vergrößert?
Man erkennt jedenfalls: Es gibt Gründe, warum konservative Amerikaner Trump wählen. Für meinen Schwiegervater ist es die Wirtschaft. Da hatte Trump bis zur Corona-Krise auch große Erfolge vorzuweisen: Deregulierung, Wachstum, Rekordbeschäftigung, der Dow-Jones-Index auf Höchstständen.
Zamperoni auch im „Wochentester“
Ingo Zamperoni wurde 1974 als Sohn einer Deutschen und eines Italieners in Wiesbaden geboren. Seit 2012 moderiert er die „Tagesthemen“, von 2014–16 arbeitete er als Auslandskorrespondent des Ersten in Washington.
Seine Doku „Trump, meine amerikanische Familie und ich“ ist am 2.11. ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
Zuerst ist Zamperoni aber zu Gast bei „Die Wochentester“. Immer zum Wochenende werfen CDU-Politiker Wolfgang Bosbach und Koch Christian Rach in ihrem Podcast einen Blick zurück auf die politische Woche. Zu Gast ist auch Sportmoderatorin Laura Wontorra, die über die Bundesliga-Saison ohne Zuschauer spricht. Sie spart dabei nicht mit Kritik am milliardenschweren Fußballgeschäft.
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Weil viele Pensionspläne in den USA an Aktien hängen, bedeuten steigende Börsenkurse ganz konkret Tausende Dollars mehr im eigenen Rentenfonds. Kein zu vernachlässigendes Argument, oder? Wenn mein Schwiegervater also sagt: „Trump als Typ finde ich auch furchtbar. Aber gut finde ich, was er für das Land tut. Deshalb werde ich mir im Wahllokal die Nase zuhalten und ihm meine Stimme geben.“ – dann verstehe ich seine Gründe. Ob ich dafür Verständnis habe, ist eine andere Sache.
Das ist ein Problem, wenn das höchste Amt im Staate stinkt.
Stimmt. Aber man darf nicht vergessen: Die USA sind ein großes Land. Washington ist für die Amerikaner viel weiter weg als Berlin für uns Deutsche. Und: Mein Schwiegervater vertritt auch nur einen Teil der Trump-Wähler. Es gibt genug andere, die finden Trump einfach gut, genau so, wie er ist, und sie sagen: „Es mag ja präpotent und pubertär sein, was er erzählt. Aber wenigstens steht er hinter mir, der Schulhofrüpel.“ Und glauben Sie ja nicht, dass die Luft wieder rein wäre, wenn Trump am Dienstag abgewählt würde. Die Zerrissenheit, die Polarisierungen, die einen solchen Präsidenten möglich gemacht haben, werden bleiben. Joe Biden hätte die gleichen Probleme – nur mit umgekehrtem Vorzeichen.
Mit dem Finger am Puls Ihrer Familie: Wer gewinnt?
Ich denke, es wird eng. Aber der Pulsschlag sagt mir, das Herz von Trumps Anhängern schlägt heftiger als das von Bidens. Und deshalb: Trump gewinnt hauchdünn. So sorry!