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Museum für Ostasiatische KunstWarum sich Helena Parada Kim nicht in Identitätsfragen verbeißt

Lesezeit 4 Minuten
Ein buntes Kleid liegt auf einem beigefarbenen Grund.

Ein koreanisches Gewand, gemalt von Helena Parada Kim. Ihr ist eine Ausstellung im Kölner Museum für Ostasiatische Kunstgewidmet.

Bei Helena Parada Kim sieht Banales mitunter wie magischer Realismus aus. Jetzt ist ihr Werk in Köln zu sehen.

Es sei durchaus ein „Wagnis“, diese Künstlerin in diesem Museum auszustellen, sagt Shao-Lan Hertel, die neue Direktorin des Kölner Museums für Ostasiatische Kunst. Schließlich versteht sich das Museum als Schaufenster in die Ferne und nicht als Spiegel in die Nachbarschaft. Trotzdem oder gerade deswegen zeigt Hertel in ihrer ersten Ausstellung die altmeisterlichen Großformate von Helena Parada Kim – geboren und aufgewachsen in Köln als Tochter spanisch-koreanischer Eltern. Wie „ostasiatisch“ kann ihre Malerei wohl sein, zumal, wenn Parada Kim ihre Motive im Küchengarten des Benrather Schlossparks entdeckt? Sich in solche Fragen nicht zu verbeißen, hat seine Vorteile – wie auch diese Ausstellung beweist.

Helena Parada Kim legt eine altmeisterliche Aura über Unkraut

Herkunft und Identität spielen in den Gemälden von Helena Parada Kim durchaus eine Rolle. Aber eher in dem Sinne, dass jede Kunst eine Form unlauterer Aneignung ist (von Vorbildern, Traditionen und Eindrücken) und exakte Grenzen in ihr ohnehin unmöglich sind. Das zeigt sich vor allem im ersten, verdunkelten Saal, in dem die Bilder leuchten wie kostbares Licht. Eine Aura schwebt über monumentalen Motiven, die kaum profaner sein könnten: Teichrosen, Rhododendron, Roter Mangold, Pestwurz. Hertel nennt es mal „Unkraut“, mal „Beiwerk der Natur“. Gemalt ist es jedoch mit einer Kunstfertigkeit, die spanische oder flämische Barockmeister zu ihrer Zeit für bedeutendere Gegenstände zu reservieren pflegten.

Parada Kim sucht ganz bewusst diese alte Maltradition, um sie mit einer modernen Sensibilität für triviale Stoffe zu verbinden. Neben Monets Seerosen wirkt ihr Teich wie Grünzeug, das, so klar konturiert wie möglich, auf der Schwärze des Universums schwimmt. Das Spiel von Licht und Schatten ist für ihre Malerei so wichtig wie für die Pflanzen, um zu gedeihen; mitunter sieht der naturalistische Riesenwuchs bei ihr wie magischer Realismus aus.

Pestwurzblätter bedecken einen Teich.

„Pestwurz“ von Helena Parada Kim - alte Kunst, modern interpretiert

Das mag einem vor allem spanisch vorkommen (der Porträtmaler Diego Velásquez gehört zu Parada Kims großen Vorbildern), doch, wie Hertel betont, gibt es in den botanischen Bildern auch eine koreanische Tradition. Sie zeige sich in den an Schriftrollen erinnernden Hochformaten, im kunstvollen Gegensatz „beschriebener“ und „unbeschriebener“ Malflächen oder schlichtweg in der Herkunft der gemalten Kräuter. Pestwurz etwa ist ein ostasiatischer „Gartenflüchtling“ und gilt in seiner Heimat als wichtige Heilpflanze, liest man im Begleitheftchen zur Ausstellung.

Im folgenden Saal zeigt sich die koreanische Seite in Parada Kims Bildern auf den ersten Blick. Sie zelebrieren Stoffe und Gewänder, meist vor planen Flächen, mitunter stecken geisterhafte Menschen darin. Hier ist der Naturalismus kaum weniger ausgefeilt (Parada Kim lässt die steifen Texturen durch gepinselte Gebrauchsspuren lebendig werden), aber weniger magisch. Einzige Ausnahme: Eine Auftragsarbeit für das Museum, für die Parada Kim ein traditionelles Hochzeitsgewand aus der Sammlung auf die Leinwand übertrug. In der Kopie hat sie allerdings einige „Fehler“ versteckt, um die im Zeremonienkleid verwobene Tradition zu brechen. Eine Ecke ist ganz klassisch-modernistisch übermalt, aber vor allem schmuggelte Parada Kim ein Motiv des italienischen Renaissancemalers Antonio Pisanello ins üppige Dekor – bei ihr hat sogar die Subversion einen altmeisterlichen Kern.

Im abschließenden dritten Saal fühlt man sich ein wenig wie vor dem verschlossenen Schlaraffenland. An den Wänden hängen kleinformatige Stillleben, auf denen die barocke Kost auf seltsame Weise kalorienreduziert erscheint. Selbst ein Stapel mit Gebäck wirkt wie hinter Glas, was wohl an der etwas steifen Präsentationsform liegt. Die ist gewollt, denn spanische Stilllebenmalerei trifft hier, so Hertel, auf koreanische Speiserituale. Der Perfektionismus der Malerei soll einem zeigen, dass es um viel mehr als ums Essen geht. Das glaubt man gerne, auch wenn die Menüfolge der Ausstellung ein wenig enttäuschend ist. Das Beste an den Anfang zu stellen, lässt nicht mehr viel Spiel für Steigerungen.

„Zwischenräume: Helena Parada Kim“, Museum für Ostasiatische Kunst, Universitätsstr. 100, Köln, Di.-So. 11-17 Uhr, 15. Dezember 2023 bis 7. April 2024. Zur Ausstellung erscheint eine Broschüre.