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Nachruf auf Hilary MantelDer eiskalte Hauch der Geschichte

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Hilary Mantel

London – Doch, sie glaube durchaus an ein Leben nach dem Tod, hatte Hilary Mantel noch vor wenigen Tagen in einem Fragebogen der „Financial Times“ geantwortet. „Ich kann mir nur nicht vorstellen, wie das funktionieren könnte.“ Andererseits: „Das Universum ist nicht durch das begrenzt, was ich mir vorstellen kann.“

Am 22. September ist die britische Autorin unerwartet im Alter von 70 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben.

Ihren Debütroman veröffentlichte Mantel 1985. „Jeder Tag ist Muttertag“ ist eine schwarze Komödie, für die sie auf ihre Erfahrungen als Sozialarbeiterin in Altenheimen zurückgriff.

Überzeugungstäter statt dekolletierte Damen

Das Genre, in dem sie es zur Meisterschaft bringen sollte, hatte sie da bereits gewählt, konnte nur keinen Verlag für ihr wahres Erstlingswerk finden, einen historischen Roman über die Französische Revolution, ganz ohne tief dekolletierte Damen mit gepuderten Perücken, dafür voll von gewaltbereiten Überzeugungstätern.

Der späte Durchbruch als eine der wichtigsten literarischen Stimmen ihrer Generation gelang Mantel mit einer nicht weniger schonungslos erzählten Geschichte politischen Handelns und Intrigierens.

In drei zunehmend voluminösen Bänden – „Wölfe“, „Falken“, „Spiegel und Licht“ – imaginiert sie den mühsamen Aufstieg und jähen Fall Thomas Cromwells vom Sohn eines brutalen Schmiedes zum obersten Ränkeschmied am Hofe Heinrich VIII.

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Selten wehte Leser der Hauch der Geschichte kälter an, selten kamen sie den Menschen hinter den Machenschaften so nahe. Gleich zwei Mal hintereinander gewann Mantel den Booker-Preis für ihre in 41 Sprachen übersetzte Tudor-Trilogie. Das Preisgeld, pflegte die chronisch kranke Autorin zu scherzen, werde sie für Sex, Drogen und Rock’n’Roll verpulvern. Die so ausgezeichneten Bücher wurden, mit Mantels Hilfe, zuerst als Dramen für die Royal Shakespeare Company adaptiert, dann von der BBC verfilmt. Die Queen verlieh der überzeugten Sozialistin und Anti-Royalistin für ihre schriftstellerischen Verdienste die Ritterwürde.

Man konnte Mantels Romane mit ihrer unglaublich präzisen Sprache kaum lesen, ohne Rückschlüsse auf die Gegenwart zu ziehen, das ist ja das Wesen des historischen Romans. Die Autorin warnte indes davor, es sich allzu einfach zu machen: „Die Leute versuchen immer, mich dazu zu zwingen, solche Parallelen herzustellen“, klagte sie noch vor kurzem gegenüber dem „Guardian“: „Ich bin dagegen.“