Neue Ausstellung im Kölner NS-DokDie fleißigen Handlanger der Diktatur
Köln – Nach den Soldaten kamen die Bürokraten. „Als wir in Bromberg eintrafen, waren die Heckenschützenkämpfe im vollsten Gange. Trotzdem wurde am nächsten Morgen das Arbeitsamt eröffnet und die Hakenkreuzfahne herausgehängt“, sagte Karl Gabriel, Präsident des Landesarbeitsamtes Danzig-Westpreußen im Jahre 1940. Die Bewohner wurden in deutscher und polnischer Sprache aufgefordert, sich bei den Arbeitsämtern zu melden.
Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges stieg aufgrund der Einberufungen zur Wehrmacht der Bedarf an Arbeitskräften im Deutschen Reich. In den besetzten Gebieten errichteten die Deutschen deshalb Arbeitsämter, die zunächst noch Menschen anwarben, später jedoch zu radikalen Maßnahmen griffen und viele Menschen verschleppten. Mehr als acht Millionen zivile ausländische Arbeitskräfte waren während des Krieges im Deutschen Reich beschäftigt.
Einfluss lange unterschätzt
Zuständig für diese Rekrutierungen war das Reichsarbeitsministerium. Das NS-Dokumentationszentrum zeigt nun eine Ausstellung über die Behörde, deren Einfluss von Historikern lange unterschätzt wurde. Die Schau „Das Reichsarbeitsministerium 1933-1945 – Beamte im Dienst des Nationalsozialismus“ wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf der Grundlage von Forschungsergebnissen einer Historikerkommission von der Berliner Stiftung Topographie des Terrors konzipiert.
Eindrucksvoll belegt die Ausstellung, dass das Narrativ vom einflusslosen Ministerium schlicht falsch ist. Arbeitskräfte waren für das Regime besonders nach dem Beginn des Krieges eine wesentliche Ressource. Und das Reichsarbeitsministerium war ein williger Handlanger. Es half nicht nur bei der Zwangsrekrutierung von Arbeitern in den besetzten Gebieten, Arbeitsämter wiesen auch in den für die jüdische Bevölkerung errichteten Ghettos den Bewohnern Arbeit zu.
Als die Deportationen in die Vernichtungslager begannen, teilten Mitarbeiter der Arbeitsämter bis Juni 1942, als die SS zuständig wurde, die Menschen in „arbeitsfähig“ und „nicht arbeitsfähig“ ein. „Die Mitarbeiter entschieden somit über Leben und Tod“, fasst Andrea Riedle, Direktorin der Stiftung Topographie des Terrors, die Rolle der Mitarbeiter zusammen.
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In sechs Kapiteln, die das Wesentliche darstellen, ohne den Besucher mit zu vielen Details zu überfordern, beleuchtet die Ausstellung Struktur und Personal der Behörde, die Rentenversicherung, den Arbeitsmarkt unter staatlicher Kontrolle, die Arbeitsverwaltung im Krieg, die Rekrutierung von Arbeitskräften in der besetzten Ukraine und die Nachkriegszeit. Viele Einzelschicksale werden dabei dargestellt.
NS-Ideologie bestimmte Arbeit
Auf diese Weise zeigt sich auch, wie die NS-Ideologie mit ihrer Einteilung in „wertvolle, arbeitswillige“ und „minderwertige, arbeitsscheue“ Menschen die Arbeit des Ministeriums bestimmte. „Arbeitsscheue“ galten als „Asoziale“ und wurden verfolgt. Bei der „Aktion Arbeitsscheu Reich“ wurden etwa 1938 in zwei Großrazzien mehr als 10 000 Männer verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Auf Rentner wurde, besonders in Kriegszeiten, Druck ausgeübt, damit sie wieder arbeiteten.
Trotz der großen Bedeutung des Reichsarbeitsministeriums für das NS-Regime fassten viele Beamte im Nachkriegsdeutschland rasch Fuß. Im 1949 gegründeten Bundesministerium für Arbeit kam insgesamt knapp ein Drittel der Mitarbeiter zwischen 1950 und 1960 aus dem Reichsarbeitsministerium. Bei den Führungskräften lag der Anteil ehemaliger NSDAP-Mitglieder bei etwa 60 Prozent. Für die während der Diktatur verübten Verbrechen mussten sie sich nie verantworten. „Keiner der Beamten wurde nach dem Krieg verurteilt“, sagt Andrea Riedle. Sie sagten höchstens als Zeugen in den Kriegsverbrecherprozessen aus. Einzig der ehemalige Reichsarbeitsminister Frank Seldte stand auf den Anklagelisten der Alliierten. Doch er starb im Mai 1947 in Haft und entging so einer Bestrafung.
Infos zur Ausstellung
Das NS-Dok, Appellhofplatz 23-25, zeigt die Ausstellung „Das Reichsarbeitsminsterium 1933-1945 – Beamte im Dienst des Nationalsozialismus“ vom 21. August bis zum 25. Oktober, Dienstag - Freitag 10-18 Uhr, samstags, sonn- und feiertags 11 - 18 Uhr.