Neue Konzertreihe in KölnSoll man ausgerechnet jetzt russische Komponisten spielen?
Köln – Soll man gerade jetzt russische Komponisten spielen? Die Bratsche beginnt ganz allein mit zwei klagenden Viertonmotiven und wagt dann eine vorsichtig öffnende Frage. Diese beantworten prompt die übrigen Instrumente, indem sie in den Trauergesang einstimmen. Dimitri Schostakowitschs 13. Streichquartett ist eine Art instrumentales Requiem.
Die düstere Grundtonart b-Moll des 1970 entstandenen Spätwerks führt im bewegten Mittelteil zu schreienden Dissonanzen, abgerissenen Tutti-Akzenten und einem sarkastischen Marsch. Während sich der Cellist in gequälten Spitzenlagen eine zarte Melodie abringt, kommentiert dies die zweite Geige mit spitzen Einwürfen. Am Ende senkt sich der Bogen des einsätzigen Stücks wieder ins Anfangsadagio zurück. Den Schlusspunkt setzt ein zum Kreischen anschwellendes fiebrig hohes Unisono. Gerade jetzt soll man russische Komponisten spielen!
Das in Köln ansässige Asasello Quartett versteht sich als „europäisches Ensemble“. Die Mitglieder stammen aus Russland, der Schweiz, Polen und Finnland. Sie spielen Quartettliteratur aus der ganzen Welt. Im Saal des Museums für Angewandte Kunst Köln eröffneten sie ihre neue Konzertreihe „Sputnik DSCH“. Der Titel verdankt sich dem von Schostakowitsch mehrfach verwendeten Viertonmotiv der klingenden Initialen seines Vor- und Nachnamens. Und „Sputnik“ bedeutet auf Russisch Begleiter, denn im Zentrum der rund vier Konzerte pro Jahr stehen als ständige Begleiter sämtliche fünfzehn Streichquartette Schostakowitschs. Und diese werden ihrerseits von anderen Quartetten aus Klassik und Moderne begleitet, darunter auch von hierzulande wenig bekannten Komponisten der ehemaligen UdSSR, die wie Schostakowitsch Repressalien durch die stalinistische Diktatur erlitten.
Der erste „Begleiter“ war Schuberts monumentales spätes G-Dur-Quartett, dessen Grundtonart im Kopf- und Schlusssatz immer wieder nach g-Moll umschlägt. Die plötzlich kippende Harmonik gibt den dramatischen Grundton für eine in Extreme zerrissene Musik jenseits aller klassisch ausgewogenen Form. Die vier ausgezeichneten Musiker spielten alle Zart- und Schroffheiten voll aus. Der im Pianissimo als huschendes Elfenscherzo beginnende dritte Satz verkehrt sich plötzlich zum wilden Hexentanz, dem dann der Trio-Mittelteil umso weicher einlullende Volkstümlichkeit entgegensetzt.
Ein manischer Höllenritt ist schließlich das furiose Allegro-Finale mit unablässig voranhetzendem 6/8-Galopp, bizarren Ausgriffen in Höchstlagen und bis ins dreifache Forte an die Grenze des Geräuschhaften forcierten Tongebung. Die Asasellos spielten wie um ihr Leben, großartig, erschütternd und erschöpfend zugleich.
Soll man in Kriegszeiten Musik machen? Man soll in Kriegszeiten Musik machen!