Louis Tomlinsons Solokarriere startete nach seiner Zeit bei One Direction nicht glanzvoll. In der Kölner Arena werden seine Originale aber enthusiastisch aufgenommen.
One Direction-Star in KölnBleibt für Tomlinson nur der Trostpreis übrig?
Sein ganzes Leben lang, bekennt Louis Tomlinson in der Kölner Arena, habe er geglaubt, er müsse etwas an sich verändern. Dabei möchte er doch nur in Kalifornien herumlungern und draußen bei Bestwetter einen Joint rauchen. So ungefähr singt er in „High in California“, das Lied fängt friedlich bekifft an, sogar ein wenig langweilig, steigert sich aber immer zur von vieltausend Stimmen mitsingbaren Hymne aufs Seinlassen.
One-Direction-Star in der Kölner Lanxess Arena
Die unterstützenden Stimmen kommen in der Arena an diesem Dienstagabend zuverlässig aus dem Publikum, gut 12.000 haben sich eingefunden, um Tomlinson zu feiern, oder wenigstens die eigene Jugend als One-Direction-Fan. Ist jetzt auch schon acht Jahre her, dass die damals größte Boyband der Welt mit einem letzten Album verabschiedet hat. Die Kinderzimmer, in denen ihre Poster hingen, sind längst verwaist.
Und doch singen hier, in der Arena, noch alle mit, beinahe jede Zeile. Ja, sie überschlagen sich vor Enthusiasmus, während der Ex-Boy – kommenden Heiligabend wird er 32 – gemächlich über die Bühne streift. Das mit dem Lungern ist ihm gelungen, viel entspannter kann man ein Konzert kaum bestreiten.
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Tomlinson war schon bei One Direction der Ruhige, Unauffällige. Andere hatten mehr Charisma, waren bessere Sänger. Spätestens seit sein schillernder Bandkollege Harry Styles zum Darling der ganzen Welt aufgestiegen ist, muss sich der bekennende Normalo aus Doncaster damit abfinden, als lebender Trostpreis um die Welt zu touren.
Louis Tomlinsons erstes Soloalbum fiel durch
Das ist gar nicht so schlimm: Als der Sänger seinen fünf Musikern um kurz nach 21 Uhr im Holzfällerhemd auf die Bühne folgt, wird er mit einem Kreischorkan begrüßt, als würde er immer noch glattrasiert und untätowiert über tränennasse Gesichter hinwegtänzeln. Dabei hat das Leben ihn in der Zwischenzeit hart rangenommen, seine Mutter – sie waren sich sehr nah – starb mit 43 Jahren an Leukämie, seine 18-jährige Schwester nur zweieinhalb Jahre später an einer Drogenüberdosis. Kein Wunder, dass sein erstes Soloalbum durchfiel, ein „Morast an Banalität“ ätzte damals der „Independent“.
„Walls“ hieß das verunglückte Debüt und man fragte sich, warum sich Tomlinson, der immer viel glücklicher wirkte, wenn er für seinen Heimatverein, die Doncaster Rovers, als durchaus talentiertes Maskottchen auf dem Fußballfeld stand, das überhaupt noch antut. Aber das beharrliche Dranbleiben ist vielleicht seine wahre Stärke. Sein zweites Album hat Tomlinson trotzig „Faith in the Future“ getauft. Die Hoffnung steht ihm gut.
Der Sänger bringt Hits aus „Faith in the Future“ mit
Mit dem Auftaktstück „The Greatest“ eröffnet er auch das Konzert, gleich darauf wird die Bühne für „Kill My Mind“ in intimes Rot getaucht. Star und Fans sind nun ganz eng beieinander. Zu eng, möchte man meinen. Tomlinson muss eigentlich nur die jeweilige Strophe ansingen, Pre-Chorus und Refrain übernimmt die Menge, sogar bei einem Stück wie „Copy of a Copy of a Copy“, das nie offiziell erschienen ist. Der Sänger wirkt dadurch etwas beschäftigungslos. Das soll wohl so sein. Zu viele seiner Songs, ob Ballade oder Mid-Tempo, nehmen die kürzeste Route zum Stadion-tauglichen Refrain. Der fällt dann entsprechend generisch aus – die Kopie einer Kopie von Robbie Williams oder Oasis – und die Show vermittelt den fatalen Eindruck, jemand hätte vergessen, das Radio auszuschalten.
Im hinteren Teil des Innenraums bilden Fans bereits eine Polonaise zum Zeitvertreib, aber das machen sie, wie wütenden Fans den Kritiker aufklärten, bei Harry Styles auch. Aber dann – zum selbstbewusst betitelten „She Is Beauty We Are Word Class“ – reißt Tomlinson das Steuer noch einmal herum, plötzlich hat einen die Musik wieder gepackt, hat sich die Beharrlichkeit des Underdogs ausgezahlt. Jetzt schwenken die Fans Regenbogenfahnen und Handys, die in eben diesen Farben glühen. Der Gitarrist legt ein 1A-George-Harrison-Gitarrensolo als Sahnehäubchen drauf, Louis Tomlinson frönt seiner Liebe zu den Arctic Monkeys, mit eigenen Soundalikes und einem Cover von deren „505“. Bis er das aus seinem System hat. „Out of My System“ heißt jedenfalls der letzte Song vor den drei Zugaben.
Und siehe da: Der One-Direction-Klassiker „Where Do Broken Hearts Go“ wird weniger enthusiastisch aufgenommen als die Tomlinson-Originale „Saturdays“ und „Silver Tongues“. „Ich bin König auf einer 50 Meter langen Straße“, singt Tomlinson. An deren Ende wartet sicher ein gemütlicher Pub.