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Durchgestylte Feel-Good-Show„Oppenheimer“ räumt bei Oscars ab – Trostpreis für Sandra Hüller

Lesezeit 4 Minuten
Hollywood feierte „Oppenheimer“ als großen Oscar-Gewinner und Robert Downey Jr. durfte seine turbulente Karriere mit einem verdienten Oscar krönen.

Hollywood feierte „Oppenheimer“ als großen Oscar-Gewinner und Robert Downey Jr. durfte seine turbulente Karriere mit einem verdienten Oscar krönen.

In der großen „Oppenheimer“-Nacht gab es wenige Überraschungen. Ein Rennen blieb bis zum Ende offen. Unsere Oscar-Analyse.

Die Produzenten der Oscars werden drei Kreuze gemacht haben, als Moderator Jimmy Kimmel das Fernsehpublikum verabschiedete. Die 96. Preisverleihung ging ohne Skandal oder Entgleisungen gegen 3.30 Uhr deutsche Zeit zu Ende. Stattdessen bekamen die Zuschauer einen Wohlfühlmoment nach dem anderen. Ganz nach Plan der Veranstalter.

Das Historiendrama „Oppenheimer“ gewann sieben Oscars, darunter die großen: bester Film, beste Regie und beste Haupt- und Nebendarsteller. Soweit, so erwartet. Schließlich war der Sommerkino-Hit mit 13 Nominierungen und zahlreichen Hollywood-Preisen im Gepäck als Favorit zur Show angereist.

(V.l.) Emma Thomas, Christopher Nolan und Charles Roven posieren mit ihren frischen Oscar-Statuen für ihren Film „Oppenheimer“.

(V.l.) Emma Thomas, Christopher Nolan und Charles Roven posieren mit ihren frischen Oscar-Statuen für ihren Film „Oppenheimer“.

Robert Downey Jr. durfte seine turbulente Karriere mit einem verdienten Oscar für seine Verkörperung als Oppenheimer-Rivale Lewis Strauss krönen. Auch Christopher Nolan versöhnte sich endgültig mit den knapp 10.000 Wahlmitgliedern der Academy: Nach sechs Fehlanläufen nahm er gleich zwei Oscars als Regisseur und Produzent mit nach Hause.

Schauspiel-Oscars: Alte Neuerung wertet Nominierungen auf

Die Academy flog fünf frühere Preisträger für jede Schauspielerkategorien ein, um die diesjährigen Gewinner zu verkünden. So erhielt zum Beispiel Cillian Murphy seine Statue von den ehemaligen „Besten Hauptdarstellern“ Nicolas Cage, Matthew McConaughey, Brendan Fraser, Sir Ben Kingsley und Forest Whitaker. Ins Gewicht fielen dabei vor allem die Lobeshymnen auf die anderen vier Schauspieler. Sie werteten die Ehrung der Nominierung auf.

Die Schauspieler (v.l.) Matthew McConaughey, Forest Whitaker, Nicolas Cage und Brendan Fraser posieren mit dem „Besten Hauptdarsteller“ Cillian Murphy (m.).

Die Schauspieler (v.l.) Matthew McConaughey, Forest Whitaker, Nicolas Cage und Brendan Fraser posieren mit dem „Besten Hauptdarsteller“ Cillian Murphy (m.).

Zuletzt und das einzige Mal geschah das vor 15 Jahren. Seitdem flehten Oscar-Liebhaber darum, das Format wieder einzuführen. Dieses Jahr erfüllte die Academy den Wunsch. Ein simpler Hollywood-Trick, alte Beliebtheiten wiederzuholen, aber einer, der sich auszahlt.

Die Academy holte Arnold Schwarzenegger und Danny DeVito auf die Oscar-Bühne.

Die Academy holte alte Beliebtheiten wie Arnold Schwarzenegger und Danny DeVito auf die Oscar-Bühne.

Die Organisatoren zückten ein weiteres Mal den Nostalgie-Joker, als sie Arnold Schwarzenegger und Danny DeVito auf die Bühne holten, um ein Blickduell zwischen Mr. Freeze, dem Pinguin und Batman höchstpersönlich, Michael Keaton, zu provozieren.

Hayao Miyazaki gewinnt Oscar für semi-autobiografischen Animationsfilm

Eine mittelmäßige Überraschung kam gleich zu Beginn. „Der Junge und der Reiher“ wurde vor „Spider-Man: Across the Spider-Verse“ als bester Animationsfilm ausgezeichnet. Der Spider-Man-Nachfolger galt eigentlich als sicherer Sieger unter Experten, trotz Legendenstatus von Studio-Ghibli-Mitgründer Hayao Miyazaki.

Spider-Man-Produzent Christopher Miller nahm die Niederlage mit Stolz hin und nannte Miyazaki den „GOAT“, also den „Greatest of all time“.

Emma Stone oder Lily Gladstone? Spannendstes Rennen des Abends offen bis zum Ende

Das spannendste Rennen um die beste Hauptdarstellerin ließ die Academy so lange wie möglich offen. Wettbüros hatten zwischen Emma Stone („Poor Things“) und Lily Gladstone („Killers of a Flower Moon“) ein offenes Rennen ausgemacht. Die deutsche Oscar-Hoffnung Sandra Hüller („Anatomie eines Falls“) war zwar eine beliebte Nominierte, hatte aber geringe Chancen auf den Sieg.

Emma Stone nimmt den Preis für die beste Leistung einer Hauptdarstellerin für „Poor Things“ entgegen.

Emma Stone nimmt den Preis für die beste Leistung einer Hauptdarstellerin für „Poor Things“ entgegen.

Am Oscar-Abend setzte sich Stone als sichtlich überwältigte, aber verdiente Gewinnerin durch. „Poor Things“ wurde drei weitere Male prämiert, darunter für die Kostüme und das Szenenbild. Gladstones Niederlage besiegelte den rabenschwarzen Abend für „Killers of a Flower Moon“, der die drittmeisten Nominierungen (11) hatte. Martin Scorseses Aufarbeitungsversuch der Morde an indigenen Völkern fand keine Anerkennung.

Oscars: Sandra Hüller, Wim Wenders und Ilker Çatak gehen leer aus

Auch aus deutscher Sicht war es eine Nacht zum Vergessen. Schauspielerin Hüller verlor folglich ebenso gegen Stone, doch einen Trostpreis gab es für sie. Die britische Produktion „The Zone of Interest“ von Jonathan Glazer wurde zum besten internationalen Film gekürt, in dem Hüller die Frau des Auschwitz-Kommandanten Höß spielte.

Damit gingen wiederum in derselben Kategorie der deutsche Beitrag „Das Lehrerzimmer“ von Ilker Çatak und der für Japan nominierte Film „Perfect Days“ des Deutschen Wim Wenders leer aus.

Ukraine und Israel: Unpolitisches Bild von Hollywood

Die Oscar-Verleihung gab ein – angesichts der Weltlage – bemerkenswert unpolitisches Bild von Hollywood ab. Der ukrainische Regisseur Mstyslaw Tschernow erinnerte in einer spannungsvollen Siegesrede für den besten Dokumentarfilm „20 Tage in Mariupol“ an die ukrainischen Kriegsopfer. Er wünschte sich, den Film über den Kriegsausbruch nie hätte drehen zu müssen.

Auf dem roten Teppich trugen einige Anwesende, darunter Sängerin Billie Eilish und die Schauspieler Mark Ruffalo, rote Anstecknadeln, um der Forderung nach einem Waffenstillstand Ausdruck zu verleihen.

Auf dem roten Teppich trugen einige Anwesende, darunter Sängerin Billie Eilish und die Schauspieler Mark Ruffalo, rote Anstecknadeln, um der Forderung nach einem Waffenstillstand Ausdruck zu verleihen.

Glazer wehrte sich in seiner Dankesrede dagegen, dass sein „Jüdischsein und der Holocaust“ ausgenutzt würden für eine Besatzung, die für so viele unschuldige Menschen zum Konflikt geführt habe. „Ob es die Opfer des 7. Oktober in Israel oder der andauernden Attacke auf Gaza sind, alle sind Opfer dieser Entmenschlichung.“ Andere Anwesende nahmen zum Gaza-Krieg Stellung, in dem sie rote Anstecknadeln trugen, um der Forderung nach einem Waffenstillstand Ausdruck zu verleihen.

Alles in allem verkraftbar für die Academy. Einstudierte Schock-Momente wie ein nackter John Cena boten mehr Gesprächsstoff. Jimmy Kimmel moderierte die Show mit risikolosen Witzen durch, wie man es von einem vierfachen Host erwarten darf. Publikumslieblinge wie Ryan Gosling und Billie Eilish durften ihm mehrfach die Show stehlen. Da störte es auch kaum jemanden, dass Al Pacino sich durch die finale Kategorie nuschelte und schließlich fragend „Oppenheimer“ sagte, als läse er den Filmtitel zum ersten Mal. (mcl mit dpa)