Regisseur Peter Thorwarth hat mit „Blood Red Sky“ und „Blood & Gold“ zwei Netflix-Welterfolge gelandet. Ein Gespräch bei veganem Döner.
„Blood & Gold“-Regisseur im Interview„Tarantino fand den Film cool - das finde ich cool“
Peter Thorwarth: Sorry, dass ich während wir sprechen, was zwischen die Kiemen brauche. Da habe ich mal richtig einen Lauf und kann den Moment gar nicht richtig genießen. Ständig will irgendwer was – in eineinhalb Stunden muss ich schon wieder zum nächsten Termin. Und wenn ich schon mal in Köln bin, will ich natürlich auch ein paar Freunde treffen. Darum habe ich sie hier zum Mittagessen eingeladen - ich hoffe, das stört nicht bei unserem Interview. Aber ich will mich nicht beschweren. Mein neuer Film ist zwar nicht ganz so erfolgreich gestartet wie „Blood Red Sky“. In der ersten Woche hatte er es in 57 Ländern auf Platz eins von Netflix geschafft, „Blood & Gold“ „nur“ in 56, dafür war er aber in Deutschland ganz oben, mit „Blood Red Sky“ hatten wir es hier nur auf die zwei geschafft. Hätte mir das vor ein paar Jahren jemand gesagt, hätte ich den für verrückt erklärt.
Plötzlich können Sie sich vor Angeboten gerade kaum retten?
Kann man so sagen, ja. Im Moment ist es echt krass. Ich werde mein nächstes Projekt sehr genau auswählen müssen – will die große Welle aber natürlich auch reiten.
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Wenn man auf Ihre Filme schaut, fällt auf, dass nicht nur viele Haupt- und Nebendarsteller, sondern auch andere Weggefährten wie Wolly Düse immer wieder auftauchen. Alexander Scheer war in „Blood Red Sky“ dabei – jetzt spielt er in „Blood & Gold“ den eiskalten Obersturmbannführer. Ralf Richter, Alexandra Neldel, Produzent Christian Becker … Arbeiten Sie gern mit alten Bekannten?
Filmemachen ist ein verdammt stressiges Geschäft. Da umgebe ich mich gern mit einem Team mit guter Energie, Menschen, von denen ich weiß, wie sie ticken – das finde ich ganz wichtig.
Für „Blood & Gold“ haben Sie mal wieder den gebürtigen Kölner Christian Kahrmann besetzt, bekannt als Benny Beimer aus der Lindenstraße, der sich zwischenzeitlich zu seiner Alkoholsucht bekannt hatte und ziemlich abgestürzt war.
Kahrmann kam damals zum Casting für einen Serien-Piloten, den ich noch während der Filmhochschule drehen durfte. Die Rolle hatte dann Henning Baum bekommen. Aber ich fand „K-Man“ super und bei „Bang Boom Bang“ hat es dann gepasst. Er hatte während der Pandemie eine schwere Corona-Infektion – samt drei Wochen Koma – das hat ihn gezeichnet. Er hat von den Beatmungsschläuchen eine Narbe im Gesicht, da haben wir für die Rolle noch ein paar dazu gemacht, sodass es nach Fechten in einer Studentenverbindung aussah (alle lachen) – das passte super. Christian hat so etwas Gebrochenes in seinen Rollen, eine Tiefe auch. Ich habe ihm die Rolle bestimmt nicht nur gegeben, weil er ein alter Kumpel ist. In seiner Laufbahn hatte er ein bisschen Pech, dass sein Charakter als Benny in der Lindenstraße lange alles überstrahlte.
Ein Image kann man schnell weghaben – bei Ihnen dürfte das nach dem Sensationserfolg von „Bang Boom Bang“ ähnlich gewesen sein. Das ist bis heute der größte Kultfilm des Ruhrgebiets ...
„Bang Boom Bang“ ist einer der größten Kultfilme Deutschlands. Von manchen wurde der Film so als Ruhrgebietsklamotte abgetan – was ja auch ok ist. Ich stehe zu meinen Wurzeln - aber der Film ist nicht nur wegen des Lokalkolorits immer noch im Bewusstsein. Ich habe „Bang Boom Bang“ Freunden in Amerika gezeigt und die sind voll auf die Story und den Humor abgefahren. Und gerade erst habe ich erfahren, dass selbst Tarantino „Bang Boom Bang“ kennt und feiert.
Waren Sie nach dem Film trotzdem erstmal in einer Schiene: Der Typ, der derbe Komödien macht, der keine künstlerische Anerkennung bekommt?
Es kamen natürlich vor allem Angebote für Komödien. Aber mit den Büchern konnte ich nix anfangen. „Bang Boom Bang“ war mein Baby. Der Film hat genau mein Lebensgefühl von damals eingefangen – darum habe ich mich auch immer geweigert, einen zweiten Teil zu machen. Die Geschichte war für mich auserzählt.
Und warum haben Sie nicht einfach eine ähnliche Geschichte nachgelegt, um im Geschäft zu bleiben?
Ich habe dem Geschäft ja nicht den Rücken gekehrt. „Was nicht passt, wird passend gemacht“ und „Goldene Zeiten“ haben zwar einen etwas anderen Ton, aber man muss sich ja auch ausprobieren. Ende der Neunziger hatte der Neue Markt eine Menge Geld in die Kassen gespült. Es war viel möglich. Doch mit dem Geld kamen auch die Finanzheinis, die Filme am Reißbrett planen wollten. Alles sollte mainstreamiger sein. Und die glattgebügelten Geschichten mit den gleichen Plots und Darstellern waren nicht so mein Ding.
Zu der Zeit wäre so etwas wie „Bang Boom Bang“ wahrscheinlich gar nicht mehr möglich gewesen, obwohl der auf DVD erst so richtig der Renner wurde und bis heute immer noch im Kino läuft. Ich habe erst gestern auf einer Film-Party jemanden getroffen, der mit seiner Frau und einem Kumpel, alle drei aus Essen, einen Podcast gemacht hat – die haben jede Minute aus „Bang Boom Bang“ im Schnitt eine Dreiviertelstunde lang besprochen. Das Ganze haben die eineinhalb Jahre durchgezogen. Krass, wie viel Lebenszeit sie dem Film gewidmet haben. Ich wusste lange Zeit gar nicht, dass der Podcast überhaupt existiert. Da die drei im Schnitt 15 Jahre jünger sind als ich, war es echt interessant, wie sie den Film beurteilen.
Geht es in dem Podcast auch darum, welche Sprüche heute gecancelt würden?
Dass ein Vereinsmäzen auf den Platz geht und sagt: „Ich will nicht wieder so ein Tuntenballett sehen wie letzte Woche!“, wäre heute undenkbar. Aber zum einen steht das für die Zeit und zum anderen wird da ein Typ charakterisiert, der ein Arschloch ist und in dem Film dann auch sein Fett wegkriegt. Genauso die hübsche Sekretärin, die für ein dummes Blondchen gehalten wird und von ihrem neureichen Chef und dessen notgeilen Sohn sexuell bedrängt wird. Aber am Ende ist sie es, die die ganzen Machotypen abzockt: Von solchen umgedrehten Klischees gibt es einige in dem Film.
Statt eine Fortsetzung zu drehen, haben Sie sich rar gemacht – man hätte denken können: Peter Thorwarth bleibt ein „One-Hit-Wonder“…
Na ja, „Was nicht passt…“ und „Nicht mein Tag“ waren im Kino sogar erfolgreicher als „Bang Boom Bang“ und dann habe ich auch noch das Buch für „Die Welle“ geschrieben. Ich habe immer versucht, meine Nische zu finden, aber es war über viele Jahre sehr hart, meine speziellen Projekte finanziert zu bekommen. Und statt Filme zu drehen, zu denen ich keinen Bezug habe, habe ich mich lieber mit Werbung über Wasser gehalten - wenn schon verkaufen, dann richtig. Ich bin viel rumgekommen, konnte viel ausprobieren und habe Leute kennengelernt – Bei einem Spot mit Jürgen Klopp und Franz Beckenbauer habe ich zum Beispiel den Kameramann kennengelernt, der jetzt „Blood & Gold“ fotografiert hat. Aber zurückblickend ist Werbung schon sehr inhaltsleer. Meine eigenen Filme machen zu dürfen, ist schon das geilste.
Gab es Zeiten, in denen Sie dachten: Mist, ich kann nicht das machen, was ich als Regisseur immer wollte?
Die gab es, sogar lange, aber ich denke, ich habe es geschafft, standhaft zu bleiben. Das hat am Ende wahrscheinlich mein Profil geschärft und kommt mir jetzt zugute. Natürlich gab auch Filme wie „Der letzte Bulle“, den ich gemacht habe, weil wieder einmal die Finanzierung von „Blood Red Sky“ zusammengebrochen war und ich mittlerweile Familie hatte und Geld brauchte. Dennoch habe ich den Film mit voller Leidenschaft gemacht. Ich fand die Prämisse der Serie witzig und habe sie in meinem Style fürs Kino neu erzählt. Leider ist es uns nicht gelungen, die Fans von der Fernsehcouch wegzulocken und für die Cineasten roch das Ganze zu sehr nach Wohnzimmer. Zum Glück kam danach der Anruf von Netflix, dass ich endlich „Blood Red Sky“ drehen kann. Das Buch lag 15 Jahre in meiner Schublade. Das Buch zu „Blood & Gold“ sogar noch länger.
„Blood & Gold“ erinnert an „Inglourious Basterds“ mit Christoph Waltz – das Buch gibt es aber schon deutlich länger als den Film von Tarantino …
Stefan Barth hat das Buch, das zuerst „Es war einmal in Deutschland“ hieß, im Jahr 2006 geschrieben, seitdem hatten wir das zusammen weiterentwickelt. Als wir es vor 16, 17 Jahren rumgeschickt haben – einen Nazi-Western mit satirischen Elementen – haben wir uns überall eine blutige Fresse geholt.
Wäre der Film ohne den Erfolg von „Inglourious Basterds“ möglich gewesen?
Wahrscheinlich nicht. Tarantino hat uns auf jeden Fall den Weg geebnet.
Quentin Tarantino ist Peter Thorwarths großes Vorbild
Über Tarantino-Anleihen wird bei „Blood & Gold“ aktuell viel diskutiert…
Tarantino ist sicher einer der Filmemacher, der der mich am meisten beeinflusst hat. Das abzustreiten wäre lächerlich. Tatsächlich scheinen wir von der Denkweise nicht so weit auseinanderzuliegen. Wahrscheinlich, weil wir uns früher die gleichen Filme reingezogen haben. Seine Filme sind ja auch eine Huldigung an seine Vorbilder. Und seine Begeisterung für Sergio Leone und Spaghetti-Western ist unverkennbar. Steven Gätjen hatte ihn neulich in Berlin interviewt und ihm den Trailer von „Blood & Gold“ gezeigt. Er fand ihn cool – das finde ich cool.
Bis Sie „Blood & Gold“ und „Blood Red Sky“ realisieren konnten, sind jeweils rund 15 Jahre vergangenen. Was ist außer Geduld und einem dicken Fell notwendig, um in Ihrer Branche an seine eigenen Projekte zu glauben – auch wenn Sie immer wieder scheitern?
Ausdauer ist wichtig. Aber man braucht ganz sicher auch Glück und muss das richtige Projekt zur richtigen Zeit haben. Und man sollte sich nicht zu sehr verbiegen – sondern es sportlich nehmen, wenn Projekte sich nicht finanzieren lassen. Das passiert ja immer wieder – Kinofilme sind nun mal leider teuer.
Was war an der Zusammenarbeit mit Netflix besonders?
Zunächst mal haben mich die Verantwortlichen bei Netflix darin bestärkt, mein Ding zu machen. Ich durfte aus den unzähligen Drehbuchversionen, die ich über die Jahre für vermeintliche Interessenten geschrieben hatte, meine Lieblingsversion erstellen. Die hatte sie überzeugt und dann wurde das Buch bis ins kleinste Detail kalkuliert und genauso gedreht – das gab es bei meinen deutschen Filmen in der Form nie – bei „Blood & Gold“ war es genauso. Die Finanzierung eines Kinofilms ist viel komplizierter, weil sie meist mehrere Geldgeber benötigt. Ohne Fernsehsender bekommst du in der Regel keinen Verleih. Ein Fernsehredakteur hat aber ganz andere Ansprüche an sein Produkt: Es muss von Anfang an knallen, damit die Leute nicht wegschalten. Für Privatsender brauchst du Cliffhanger vor den Werbepausen – die Dramaturgie ist da schon mal verzerrt. Dann musst du die Filmförderungen ins Boot holen: Ohne die sind die meisten Filme nicht realisierbar. Du brauchst verschiedene Länderförderungen, oft noch einen Weltvertrieb, der Geld durch Verkäufe ins Ausland generiert – wenn du nicht alles zusammenbekommst, platzt das Projekt, oder du musst große Abstriche machen.
Nach den zwei erfolgreichen Netflix-Filmen dürfte es aber auch fürs Kino leichter werden…
Ich würde auch gern wieder mal Kino machen, bin da im Moment aber nicht festgelegt. Ich muss auf jeden Fall einen Schritt weiter gehen – ohne fahrlässig in ein riesiges Projekt reinzuschlittern, das ich nicht beherrschen kann.
Haben Sie ein Projekt in der Schublade, dass Sie unbedingt machen wollen?
Es gibt eine Mittelalter-Geschichte über einen alternden Ritter, die ich mit einem Kumpel zusammen geschrieben habe … und für die ich vor ein paar Jahren mal Arnold Schwarzenegger begeistern wollte. Die Geschichte hat ein Augenzwinkern, sie hat Anti-Helden, vielen Ebenen…
Es gibt die kuriose Geschichte, dass Sie Schwarzenegger gern in LA getroffen hätten, um ihm diese Geschichte vorzuschlagen. Sie haben seinem Neffen, der auch Schwarzeneggers Anwalt ist, das Skript geschickt – und Schwarzenegger dann am Morgen Ihres Fluges in die USA zufällig auf dem Rad in München gesehen …
Das war völlig irre. Ich war total perplex, als Arnold Schwarzenegger mitten in München mit einer Entourage aus Bodyguards an mir vorbeigeradelt ist. Er saß dann sogar im gleichen Flieger nach LA, ich wollte mich in der Ersten Klasse mit ihm treffen, Arnolds Freund Ralf Möller hatte kurzfristig mit ihm telefoniert und das arrangiert. Die Chefstewardess hat mich aber nicht zu ihm durchgelassen. Sie hat ihm das Lookbook des Films zusammen mit einem kleinen Brief von mir übergeben, in dem ich geschrieben habe, dass „Bang Boom Bang“ im Bordprogramm läuft – ob er sich den Film nicht mal angucken wolle. Der Neffe hat mir zwei Tage später in LA erzählt, dass Arnold das Skript gelesen habe. Leider ist bislang nichts draus geworden. Aber wer weiß: Manchmal trifft man sich ja zweimal im Leben.