phil.Cologne 2022Ist Deutschland verpflichtet, Waffen an die Ukraine zu liefern?
Köln – Eine der führenden Ethikerinnen des Landes und das „Gewissen der Nation“ – wenn jemand so auf der phil.Cologne vorgestellt wird, hat man es gewiss mit einer Branchenprominenz zu tun: Die Medizinethikerin Christiane Woopen war am Montagabend Gast des Philosophiefestivals.
Sie ist Gründungsdirektorin des Center for Life Ethics an der Universität Bonn und war bis 2021 Vorsitzende des Europäischen Ethikrats. In der Kölner „Kulturkirche“ saß ihr Frauke Rostalski gegenüber. Die Kölner Professorin für Strafrecht und Rechtsphilosophie ist Mitglied im Deutschen Ethikrat und war kurzfristig für den erkrankten Reinhard Merkel eingesprungen.
Die Entscheidung liegt bei der Ukraine
Die große Frage des von Joachim Frank, Chefkorrespondent des „Kölner Stadt-Anzeiger“, moderierten Dialogs, lautete: Was sollen wir tun? Der Krieg in der Ukraine bot Anlass zu besonders intensiver Diskussion. Für Woopen war klar, was zu tun ist. Sie ist Unterzeichnerin eines offenen Briefs an Kanzler Olaf Scholz, der sich für die Waffenlieferung an die Ukraine ausspricht. Deutschland sei verpflichtet, so Woopen, der Ukraine zu helfen, und es liege in ukrainischer Verantwortung, zu entscheiden, welche Art der Unterstützung sie erhalten wolle. Wenn die Ukrainer kämpfen möchten, dann sei es an Deutschland, ihnen die nötigen Waffen nicht zu verweigern.
Anders als Merkel, der mit Alice Schwarzer und anderen in einem – ersten – offenen Brief gegen Waffenlieferungen votiert hatte, positionierte Rostalski sich hierzu weniger entschieden, betonte als Argument aber doch auch die Angst vor einem Atomkrieg, wenn Deutschland nicht verstärkt auf Deeskalation setze. „Mit der Option zu arbeiten, ich lasse gedanklich den atomaren Schlag zu, widerstrebt allem in mir.“ Dafür erhielt Rostalski spontanen Applaus.
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Eine Sache musste Woopen dann doch klarstellen: Auch die Unterzeichner des zweiten Briefs plädierten selbstverständlich und ausdrücklich für Verhandlungen und einen schnellstmöglichen Frieden. Dazu müssten aber beide Konfliktparteien bereit sein.
Bloß eine Verhandlungslösung vorzuschlagen, sei „billig“
Bloß eine Verhandlungslösung vorzuschlagen, sei „billig,“ behauptete Woopen, denn es sei offensichtlich, dass Putin gar nicht verhandeln wolle. Worauf sich die beiden Gäste wohl einigen konnten: Es gibt keine eindeutige, gute Lösung für das Problem.
Zu größerer Einigkeit fanden Rostalski und Woopen beim Thema Corona. Wenngleich die Juristin eher einen nationalen Fokus auf den Umgang mit der Pandemie richtete und die Medizinerin die internationalen Folgen betonte, teilten sie doch eine Überzeugung: Eine allgemeine Impfpflicht nutze der Gesellschaft nichts. Wer sich nicht impfen lassen wolle, werde sich durch eine Pflicht auch nicht dazu bewegen lassen, vor allem dann nicht, wie Rostalski betonte, wenn die Exekutive keine hinreichenden Mittel habe, diese Pflicht auch durchzusetzen.
Trotz solcher Gemeinsamkeiten blieb die Erkenntnis: Einfach machen Ethikerinnen und Ethiker es weder sich noch anderen. Es gebe nun mal nicht die eine Antwort auf die großen Fragen.