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Philharmonie KölnPhänomenale „Großstadtmusiken“, doch einmal ließ HK Gruber die Musik plärren

Lesezeit 3 Minuten
HK Gruber steht mit ausgebreiteten Armen auf einer Bühne.

Der Dirigent HK Gruber war mit dem Ensemble Modern in Köln zu Gast.

HK Gruber und das Ensemble Modern boten in Köln gewohnt Großartiges. Nur Kurt Weill taten sie keinen Gefallen.

Nun ist es also geschafft, nun steht es da, das kleine Haus am Mississippi-Ufer in Louisiana. Sieben Jahre haben die Schwestern Anna 1 und Anna 2 dafür in den großen Städten geschuftet, haben sich erniedrigt und verkauft. Desillusioniert und seelisch zerstört kehren sie heim - aber die Familie, die sie einst losschickte, triumphiert.

Mit „Die sieben Todsünden“ krönten und beendeten Bertolt Brecht und Kurt Weill 1933 ihre glorreiche Zusammenarbeit. In der Kölner Philharmonie krönte und beendete das in Paris uraufgeführte „Ballett mit Gesang“ das ausgesprochen anregende und vitale Konzert des Ensemble Modern unter Leitung des österreichischen Dirigenten, Komponisten und (diesmal leider nicht) Chansonniers HK Gruber.

Das Spiel des Ensemble Modern folgt einem unmittelbar aufklärerischen Impetus

Als „Großstadtmusiken“ waren die gebotenen Werke im Programmheft annonciert, ein Titel, der die vier äußerst heterogenen Partituren bündig zusammenfasste - ein Panorama urbanen Lebensgefühls in den Jahren zwischen 1920 und 1933. Da war die rotzfreche Kammermusik op. 24/1 von Paul Hindemith, in deren manisch überdrehtem Finale am Ende die Sirenen heulen. Da war Erich Wolfgang Korngolds Suite aus der Bühnenmusik zu Shakespeares „Viel Lärm um nichts“, deren mondäne Süffigkeit mit feiner Ironie durchwirkt ist. Und da war, grandios in ihren expressionistisch verkeilten, von unterschwelligem Horror grundierten Gesten, Arnold Schönbergs „Begleitmusik zu einer Lichtspielszene“ in einer Kammerfassung von Johannes Schöllhorn.

Die komprimierten Besetzungen schufen ein ganz eigenwilliges Klangprofil, das zwischen Salonorchester, Tanzband und modernistischem Spezial-Ensemble changierte. Über dieses spezifische Kolorit fanden die Werke auch da zueinander, wo sie sich eigentlich diametral entgegenstanden - besonders auffällig in der straff und kratzig musizierten Korngold-Suite, die das Ensemble Modern ebenso auf Kante nähte wie Hindemiths Kammermusik. Viel von diesem angriffslustigen und zugespitzten Spiel war durch den Maestro bewirkt, aber natürlich ist dies vor allem der ureigene Stil des Frankfurter Ensembles, dessen phänomenale rhythmische Präzision wie gewohnt einem ganz unmittelbar aufklärerischen Impetus folgte.

Das galt auch für Brecht/Weills „Die sieben Todsünden“, die gleichfalls in einer schärfer geschnittenen Kammerfassung erklangen, erstellt von HK Gruber und Christian Muthspiel. Diese neue Version mag der Verbreitung des Stückes dienlich sein, tut seiner Wirkung aber keinen großen Gefallen. Von Kurt Weills charakteristischer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche blieb hier vor allem die Peitsche übrig. Allzu oft plärrte die Musik - und das taten (erstaunlicherweise, denn man kennt sie anders) auch die vier Sänger des Ensembles amarcord, die den spießbürgerlichen Familienclan mit eher groben Strichen karikierten.

Da hat das Autorenteam doch erheblich feinere Mittel eingesetzt, was die kanadische Mezzosopranistin Wallis Giunta als Anna 1 und 2 denn auch hinreißend zum Ausdruck brachte. Sie fand einen perfekten Ausgleich zwischen körperlich fundierter Opernstimme und pointiertem Diseusen-Tonfall, sie machte den moralischen Niedergang, das Zerbrechen aller Illusionen mit maximaler Eleganz hörbar.