Das Ensemble Modern spielte unter Leitung des Dirigenten George Benjamin in der Kölner Philharmonie. Die Sopranistin Anna Prohaska überzeugte nicht durchweg.
George Benjamin in der Kölner PhilharmonieFür diese Musik gelten neue Gesetze
Zwei Fackeln der Moderne rahmten das erste von zwei Konzerten des Ensemble Modern unter Leitung von George Benjamin. Edgard Varèses „Octandre“ von 1924 beginnt mit einem ornamental variierten Motiv der Oboe. Die scheinbar bukolische Hirtenmusik schlägt jedoch prompt in schrille Spitzenlagen und schreiende Dissonanzen um. Statt Melodie, Harmonie und Schönklang gelten in diesem Bläserseptett plus Kontrabass fortan neue Gesetze von Klangfarbe, Energetik und elementarer Kraft in sagenhaft druckvoller Interpretation.
George Benjamins erstaunt in der Kölner Philharmonie mit seiner Interpretation
Einen Schock bereitete 1907 auch die Uraufführung von Arnold Schönbergs erster Kammersinfonie. Der eleganten Auflösung eines schwebenden Anfangsklangs zu wohlklingendem Dur folgt eine markig aufsteigende Quarten-Fanfare der beiden Hörner, die in frei-tonale Regionen führt. Der britische Dirigent gestaltete die Partitur zügig. Eindrücklich hervor traten dadurch die dichte Verarbeitung der Themen sowie die hybride viersätzige Sonatenform in der äußeren Einsätzigkeit.
Das übrige Programm war mehr in Details als emphatische Aufbruchsgesten verliebt. Benjamins Bearbeitung zweier Sätze aus Bachs „Kunst der Fuge“ erstaunte durch die aparte Kombination von sehr tief geführten Hörnern mit Flöte und Violine in mehroktavigen Parallelen als seien es Orgelmixturen. Benjamins einstiger Kompositionsschüler Saed Haddad folgte in seinem Quartett für Violine und Streichtrio dem Prinzip von Haydns ersten Streichquartetten. Die charaktervollen Abschnitte bestanden aus figuralem Rankenwerk, motorischem Pulsieren, ruhigen Akkorden und finalem Verebben.
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Anna Prohaska konnte sich nicht gegen das Orchester durchsetzen
Anna Prohaska sang Maurice Ravels „Trois Poèmes de Stéphane Mallarmé“ auf schillernde Gedichte von Pathos, Ironie, Frivolität und Passion mit wenig variiertem Timbre und Ausdruck. Im zweiten Konzert der zum Ensemble Modern Orchestra erweiterten Formation zeigte sich die österreichisch-englische Sopranistin variabler. Doch in Francisco Filideis kurz zuvor in Berlin uraufgeführter Kantate „Cantico delle creature“ konnte sie sich gegenüber dem Orchester nicht genug durchsetzen. Die x-te Vertonung des „Sonnengesang“ des Heiligen Franz von Assisi ist lautmalerische Programmmusik. Zu mittelalterlicher Gregorianik erklingen silberhelle Celesta und Harfe als „Schwester Mond und Sterne“, wogende Streicher zur Feier des „Wassers“ und wuselndes Waldweben zum Hymnus auf alle „Geschöpfe“ des Herrn.
Unsuk Chins „Spira“ pendelte zwischen psychedelisch vibrierenden Schwebeklängen und massig anrollendem Orchester. Die Gegensätze machten großen Effekt, ohne jedoch erkennen zu lassen, wie sich Material und Form zueinander verhalten. Ein Feuerwerk an Farben bot auch „Cloudline“ der 1989 geborenen Amerikanerin Elizabeth Ogonek. George Benjamins frühes „A Mind of Winter“ von 1981 zeichnete eine Szenerie mit unter Schnee erstickten Lauten und klirrendem Eis. Zum Abschluss pumpte Dieter Ammanns „glut“ reichlich Schalldruck in die Philharmonie. Doch alles Hämmern, Schnauben und Hetzen erzeugte, trotz ausgezeichneter Interpreten, keine Hitze.