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Pixies-Konzert in KölnAufgeschlitzte Augen und lustvolle Schmerzensschreie

Lesezeit 4 Minuten

Die Pixies am Montagabend im Palladium 

  1. Die Pixies traten am Montagabend im Palladium auf. Die Band aus Boston gilt als Vorreiter der Grunge-Welle.
  2. Sänger Black Francis sieht zwar aus wie Gunter Gabriel, ist aber ein echter Rockstar.
  3. Die Fans warfen sich trotz fortgeschrittenen Alters ungehemmt ins Moshpit.

Köln – Der Pixies-Sänger Black Francis, man muss es leider sagen, sieht jetzt, wo er endlich sein Resthaar frei wachsen lässt, aus wie Gunter Gabriel. Oder wie ein Finalist bei der Dart-WM. Jedenfalls nicht wie ein Rockstar. Aber genau das ist er: Auf der Bühne des Kölner Palladiums steht ein Mann in Schwarz, der auf ranschmeißerische Publikumsansagen verzichtet, in zwei Stunden genau einmal lächelt, dafür aber in dieser Zeit fast 40 Songs raushaut, keiner davon länger, als er unbedingt sein muss, um seinen Punkt zu machen.

Prall gefüllte Setlist

Für die prall gefüllte Setlist gibt es einen guten Grund: Die Menschen, die hier die Karten gekauft haben, wollen vor allem Stücke des genialischen Frühwerks der Bostoner Band hören, also solche von der EP „Come On Pilgrim“ und den beiden ersten Langspielern „Surfer Rosa“ und „Doolittle“, erschienen zwischen 1987 und 1989.

Das ist lange her, die Mauer stand noch. Die vor einigen Jahren wiedervereinigten Pixies – für Ur-Bassistin Kim Deal ist 2014 Paz Lenchantin eingesprungen – aber haben just ein neues Album veröffentlicht, „Beneath the Eyrie“, und hat keine Lust, wie die Rolling Stones zu enden, die sich hüten, live Songs zu spielen, die nach 1981 entstanden sind. Also gibt es fast die gesamte Neuveröffentlichung zu hören, zum Ende des Konzerts hin, wo man doch eigentlich mit einer Abfolge von Hits nach steigernder Beliebtheit gerechnet hatte, sind es sogar gleich vier neue Titel am Stück.

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Als Black Francis anschließend ein lakonisches „Hey!“ ins Mikrofon ruft, während er sich langsam eine neue Gitarre umschnallt, ist die Erleichterung spürbar. Denn auch dieses „Hey!“ ist selbstredend kein Versuch der Kontaktaufnahme, sondern die erste Zeile des gleichnamige Songs aus dem klassischen Katalog der Pixies. Was den ausmacht, kann man hier mustergültig herausarbeiten.

Krampf-Funk

Da ist zum Beispiel der erstaunlich große Raum, den die Stille in Pixies-Songs einnimmt. Die wird dann häufig schlagartig durch einem hysterischen Lärmausbruch beendet. Hier ist es aber eher eine Art Krampf-Funk, ein Basslauf wie ein dorniges Büßergewand, über den Gitarrist Joey Santiago lustvolle Schmerzensschreie legt, während Black Francis wie ein schizoider Stalker über die Huren in seinem Kopf klagt und den Teufel, der zwischen ihm und der Angebeteten steht. Der Refrain besteht dann einzig aus der weinerlichen Behauptung, dass man aneinander gekettet sei, und ja, das geht bei den Pixies als Liebesballade durch und bei ihren Fans als ein weiterer Anlass, sich ungehemmt ins Moshpit zu werfen. Es wird also viel geschwitzt und gepogt an diesem Abend, vor allen von gestandenen Männern, für Black Francis’ Songs den Soundtrack zu den Geschlechtsnöten ihrer (Spät-)Pubertät bildeten. Als könnte man sich den süßsauren Vogel Jugend einfach so zurückrempeln.

Der Witz ist, dass dies für die Dauer des Konzertes durchaus zu funktionieren scheint, denn die überschäumende Melange von alttestamentarischen Furor, surrealistischen Provokationen und Surf-Rock ist noch immer unwiderstehlich, und die Spielfreude scheint so hoch wie seit Jahren nicht mehr . Was wiederum nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass die Pixies mit „Beneath the Eyrie“ nach einer desaströsen und einer höchst durchschnittlichen Veröffentlichung endlich einen Weg nach vorne gefunden haben, nämlich in Richtung psychedelischen Country-Rock. Das mag dann zwar Alte-Leute-Musik sein, aber wenigstens fällt der peinliche Direktvergleich mit den einstigen Großtaten weg.

Eine Art Wiedergutmachung

Solange die immer noch zwei Drittel der Show ausmachen, können alle zufrieden sein, David Lovering trommelt wuchtig federnd wie eh und je und Joey Santiago spielt sein einziges längeres Solo mit dem Feedback des ausgestöpselten Gitarrensteckers. Und weil Effizienz alles ist, gibt die Band ihre einzige Zugabe, ohne dafür eigens die Bühne zu verlassen. Die ist eine Art Wiedergutmachung: Bei ihrem Kölner Auftritt vor drei Jahren mussten sie „Debaser“ wegen eines ausgefallenen Verstärkers abbrechen, jetzt quäkt Black Francis ungestört vom aufgeschlitzten Frauenauge, das ihn in Luis Buñuels Film „Der andalusische Hund“ so begeistert hat. Und seine Fans werfen sich ein letztes Mal in die Bresche.