Popstar Lizzo castet TänzerinnenGanz schön fette Unterhaltung
Nein, diese Frauen sind nicht curvy oder mollig, wie Amazon Prime sie ziemlich ungelenk in der deutschen Ankündigung von Lizzos Reality-Show nennt, sie sind einfach big.
Und so heißt dieses neue, ungewöhnliche Casting-Format dann auch: „Watch Out for the Big Grrrls“. So nennt die amerikanische Musikerin ihre Tänzerinnen und für diese Truppe sucht die 34-Jährige nach Nachwuchs.
Gekommen sind Frauen, die die Gesellschaft als dick oder fett abstempelt und ihnen damit auch gleich noch diverse Attribute aufdrückt: faul, undiszipliniert, unsportlich. So als reichte ein – meist abschätziger – Blick von außen, um alles über den Menschen zu wissen.
Wie eingeengt unser Blick auf die Welt ist, wie vorurteilsbehaftet wir Menschen anschauen, die nicht den klassischen Schönheitsidealen entsprechen, entlarvt diese Serie in vielen Momenten.
Mehr als einmal ertappt man sich bei dem Gedanken: Das hätte ich ihr nicht zugetraut, etwa wenn Kandidatin Jayla plötzlich in einen Spagat springt und Sydney sich atemberaubend zur Musik bewegt. Diesen Frauen wurde ihr Leben lang gesagt, so wie sie sie aussehen, könnten sie keine Tänzerinnen werden. Und nun steht da eine mehrfache Grammy-Gewinnerin und sagt ihnen: Doch! Genau Dich haben wir gesucht.
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Dreizehn Frauen sind es zu Beginn der ersten von acht Folgen, zehn dürfen in die für die Kandidatinnen reservierte Villa einziehen. Lizzo lässt offen, wie viele von ihnen das Ziel erreichen, am Ende der Dreharbeiten mit ihr bei einem großen Konzert auf der Bühne zu stehen.
Lizzo macht ihre eigenen Regeln
Aber strenge Vorgaben gibt es ohnehin nicht. Weil eine Tänzerin sie so beeindruckt, nimmt sie sie direkt am Ende der ersten Folge in die Truppe auf. Lizzo macht ihre eigenen Regeln.
Das gilt nicht nur für diese Show, das gilt für ihre gesamte Karriere. Denn auch Melissa Viviane Jefferson, so ihr bürgerlicher Name, weiß genau, mit welchen Dämonen die Frauen zu kämpfen haben. Auch ihr wurde jahrelang gesagt, sie passe nicht in die Welt, in der sie einen Platz suchte. Weibliche Musikstars sind in der Regel normschön. Richtig dick sind sie eigentlich nie.
Selbstbewusst in den sozialen Netzwerken
Lizzo kämpfte jahrelang für ihren kommerziellen Durchbruch. Heute setzt sie sich gegen Fat Shaming ein und postet selbstbewusst Nacktfotos in den sozialen Netzwerken. Sie will sich nicht mehr verstecken. Dafür wird sie von vielen gefeiert und von mindestens ebenso vielen mit Hass überschüttet. „Sie wollen nicht, dass wir sexy sind. Sie wollen nicht, dass wir glücklich sind. Und deshalb ist diese Show so wichtig für mich: Es ist hart, sich in einer Welt selbst zu lieben, die dich nicht zurückliebt“, sagt sie zu den Frauen in einer Szene unter Tränen.
Anders als etwa in „Germany’s Next Topmodel“ geht es in dieser Show eben nicht darum, dass die Gastgeberin als der Inbegriff der Perfektion inszeniert wird. Und nur wer sich ihren eisernen Regeln unterwirft wird das Ziel am Ende der Verwandlung vielleicht erreichen. Lizzo zeigt ihre eigenen Narben, wenn sie die Frauen kritisiert, dann konstruktiv. Herabgewürdigt wird hier niemand.
Diversität ist in dieser Show nicht eine lästige Pflichtübung, die es zu erfüllen gilt, weil man sich nicht angreifbar machen will. In „Watch Out for the Big Grrrls“ gehören eigentlich alle Kandidatinnen einer marginalisierten Gruppe an. Fast alle sind schwarz, eine hat südkoreanische Wurzeln, Jayla ist eine Transfrau. Und alle sind sie dick.
Ohne Voyeurismus
Ihren teils dramatischen Geschichten gibt die Show viel Raum, dennoch werden sei ohne Voyeurismus erzählt. Wenn Charity etwa berichtet, sie habe sich als Kind die Haut mit Bleichcreme eingeschmiert, damit sie zumindest weniger schwarz ist, wenn sie schon dick ist, erahnt man, wie groß der Druck ist, der zeitlebens auf sie ausgeübt wurde.
Es ist eine Form von Castingshow, wie man sie in Deutschland noch nicht gesehen hat. Hierzulande geht es immer auch darum zu zeigen, dass man bloß nicht zu hoch fliegen sollte, weil dann der Absturz naht. Lizzo hingegen will ihre Kandidaten ermutigen, endlich einmal groß zu denken, sich etwas zuzutrauen. Hier dürfen sie einfach so sein, wie sie sind.
Gesicht: Gut. Körper: Schlecht. Das sind typische Zuschreibungen, die sie alle kennen. Da fließen viele Tränen, wenn ihnen jemand schlicht sagt: Du bist schön. Ohne Aber.
Wie in „Germany“s Next Topmodel“ gibt es auch in „Watch Out for the Big Grrrls“ ein Nacktshooting. Doch als Kandidatin Isabell, deren Familie aus Südkorea stammt, sich nicht nackt fotografieren lassen will, weil sie Angst hat, das könne ihren Plan B, als Lehrerin in Seoul zu arbeiten, gefährden, versucht niemand sie umzustimmen. „Wir respektieren deine Grenzen, bei jedem Schritt auf deinem Weg“, heißt es schlicht. Am Ende posiert sie in Unterwäsche und in ein Tuch gewickelt – und wird für ihren Mut gelobt.
Echtes Empowerment
Wer glaubte, gute Castingshows funktionieren nur mit viel Schadenfreude wird hier eines Besseren belehrt. Das ist echtes Empowerment. Vor allem aber macht das Zuschauen einfach Spaß. Denn „Watch Out for the Big Grrrls“ ist tatsächlich ganz schön fette Unterhaltung.