Dating-ShowKölnerin ist die erste „Princess Charming“ und sucht die Liebe
Köln – Die Fernseh-Prinzessinnen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Statt brav darauf zu warten, dass sie ein edler Ritter vor dem Drachen rettet, knutschen sie hemmungslos mit einem Haufen Frauen, sprechen offenherzig über Sex und feiern wilde Partys am Pool.
„Princess Charming“ heißt diese Show und die Prinzessin heißt Irina Schlauch – im echten Leben Rechtsanwältin aus Köln, im Fernseh-Märchen lesbische Traumfrau. Das Prinzip kennt man vom RTL-Dauerbrenner „Bachelor“, wo hübsche Frauen um die Gunst eines Super-Manns buhlen. Feminismus sieht definitiv anders aus – so wie in „Princess Charming“ zum Beispiel.
„Die Community feiert das total, und hat sich auch sehr nach so einem Format gesehnt“, sagt Irina Schlauch. Vor allem, nachdem es 2019 mit „Prince Charming“ die erste schwule Dating-Show gab.
Warum die Sender mit der lesbischen Variante zögerlicher waren? „Vielleicht hat das mit Vorurteilen zu tun, dass Frauen grundsätzlich nicht so unterhaltsam sind“, überlegt die 30-Jährige. „Und gerade lesbischen Frauen wird oft nachgesagt, dass sie zum Lachen in den Keller gehen. Das ist natürlich völliger Quatsch. Umso besser, dass der Sender sich jetzt getraut hat.“
Kurzgeschorene Zicken im Blaumann – mit solchen Klischees aus dem vergangenen Jahrtausend räumt die Serie auf. Die Frauen, die in Kreta am Pool liegen, sind völlig unterschiedlich: lustig, zurückhaltend, politisch, offensiv.
Nur überdurchschnittlich gut aussehend sind sie fast alle – schließlich sprechen wir von Unterhaltungsfernsehen. Sicher ist: „So viele homosexuelle Frauen auf einmal gab es im deutschen Fernsehen noch nie“, freut sich „die Princess“, wie sie in der Serie gerne genannt wird.
Warum das wichtig ist? „Für mehr Sichtbarkeit“ – eben wegen der vielen hartnäckigen Klischees. Und auch, um anderen Frauen und Mädchen Mut zu machen, offen zu ihrer Sexualität zu stehen.
Von ihrer eigenen Familie und auch als Kölnerin werde ihr das sehr leicht gemacht, sagt Irina Schlauch. Aber das Glück hätten längst nicht alle: „Ich bin für viele jetzt ein Role Model – das ist richtig schön, da kriege ich Gänsehaut, wenn Leute mir schreiben, dass sie beispielsweise vom Dorf kommen und die Show ihnen Halt gibt und Mut macht.“
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Der Vorspann zeigt eine Szene, in der die Princess mit ihrem Gefolge zusammensitzt, Gebäck in unverkennbarer Form weiblicher Geschlechtsteile nascht und dabei fröhlich sexuelle Vorlieben abfragt. So wird im deutschen Fernsehen selten über Sex gesprochen.
„Total erfrischend und schön“, findet Irina Schlauch, dass es keine Tabus gibt und sagt, dass auch sie selbst durch die Serie noch lockerer geworden ist: „Gerade als Frau offen über Sexualität zu sprechen – ich finde es wichtig, das zu zeigen. Dass sich die Frauen nicht mehr mit ihrer Lust verstecken müssen.“
Der Quote schadet es sicher nicht. Und einige Liter Sekt, Champagner und Bier fließen auch im Dienste der allgemeinen Lockerheit. Aber tatsächlich schafft „Princess Charming“ den schwierigen Spagat zwischen Unterhaltung und Aufklärung.
Nachdem die zehn Folgen abgedreht waren, geht Irina Schlauch jetzt nicht nur lockerer mit dem Thema Sex um. Sondern sie ist auch durch die vielen Gespräche politischer geworden, erzählt sie: „Ich hatte mich vorher auch noch nicht in der Tiefe mit allen Themen auseinandergesetzt. Und ein paar Kandidatinnen waren sehr engagiert und haben auch immer wieder politische Themen angesprochen.“
Einmal fließen sogar Tränen, nachdem eine Kandidatin sich dazu bekannte „auf Vulven zu stehen“. Das sei „transphob“ urteilte eine andere gnadenlos – weil Transpersonen sich dadurch ausgeschlossen fühlten.
Geweint wird ohnehin viel, aber das ist dem Format geschuldet. Schließlich muss „die Princess“ ständig Kandidatinnen aus dem Urlaubsparadies nach Hause schicken. Und einige davon hätten ihr Herz sehr gerne erobert – diverse Einzeldates stehen unter Hochspannung.
„Das bekannte Format hilft, in die Show reinzufinden“
In der homosexuellen Variante der Dating-Show ist die Prinzessin – oder auch der „Prince Charming“ – natürlich längst nicht das einzige mögliche Objekt der Begierde. Aber Irina Schlauch spielt ihre Sonderrolle trotz dieses Paradoxes mit royaler Souveränität. „Dass ich diese Ausnahmestellung habe, liegt daran, dass es ein Format geben muss, das die Leute kennen, so dass sie schnell rein finden. “
Diese bunte, lustige, homosexuelle Party-Welt unter der Sonne Kretas scheint auf dem Bildschirm so selbstverständlich. Ist sie aber natürlich nicht – vor allem mit Blick auf den Osten Europas.
Die Show
Der RTL-Streamingdienst TVNOW und die Produktionsfirma Seapoint sind die Ersten weltweit, die eine lesbische Dating-Show nach dem Vorbild des „Bachelor“-Formats produzieren. „Princess Charming“ wird bei TVNOW gestreamt – später soll die Show noch bei VOX zu sehen sein. In zehn Folgen kämpfen 20 Singles um die Liebe der Kölner Rechtsanwältin Irina Schlauch (30) .
Wegen des großen Erfolges der ersten Folgen von „Princess Charming“ ist die zweite Staffel für 2022 schon in Auftrag gegeben. 2019 lief die erste Dating-Show für Schwule auf TVNOW. „Prince Charming“ wurde mit dem Grimme-Preis in der Kategorie Unterhaltung ausgezeichnet.
„Die Entwicklungen in Ungarn finde ich super beunruhigend, das ist schließlich direkt vor unserer Haustür“, sagt Irina Schlauch und: „Ich bin sehr froh, dass ich in einem Rechtsstaat lebe wie Deutschland. Umso wichtiger ist es, dass die Leute raus auf die Straße gehen, Lärm machen und auch unpolitische Räume nutzen, um Zeichen zu setzen – wie jetzt beim Fußball.“ Oder eben bei der Fernsehunterhaltung.