Köln – Für Chiara Battaglia endet der Kampf nicht mit einer offiziellen Erlaubnis zur Segnung homosexueller Paare. Sondern erst dann, wenn sich zwei sich liebende Menschen das Ja-Wort am kirchlichen Altar uneingeschränkt geben dürfen. Von solch einer Entwicklung ist die katholische Kirche allerdings Lichtjahre entfernt: Vor zwei Wochen noch erteilte die römische Glaubenskongregation der durchaus verbreiteten Praxis der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare eine Absage.
Ein herber Schlag für Battaglia: Denn die 27-Jährige bezeichnet sich als queer, ist katholisch aufgewachsen und arbeitet derzeit in der Flüchtlingshilfe des Kölner Erzbistums. „Da es mich persönlich betrifft, habe ich sehr emotional reagiert, obwohl es mich nicht überrascht hat, denn ich kenne die Haltung aus Rom. Mittlerweile sehe ich das nüchterner, denn viele haben sich auf die Seite queerer Menschen gestellt, während einige Wenige auf dem Nein beharren“, sagt die gebürtige Hannoveranerin.
Segnungsverbot für gleichgeschlechtliche Paare: Theologen und Kirchengemeinden reagieren solidarisch
Die Solidarität und der Rückhalt sind in der Tat groß. Über 200 Theologinnen und Theologen haben öffentlich Stellung bezogen. Das Segnungsverbot nennen sie einen paternalistischen Gestus, eine Diskriminierung. Bistümer wie Limburg zeigten sich in den sozialen Medien prompt in Regenbogenfarben, auch Gemeinden in Köln hissen dieser Tage demonstrativ die Regenbogenflagge. Und: Am 10. Mai sollen bundesweit Gottesdiente stattfinden, in denen schwule und lesbische Paare gesegnet werden. Also alles gut? Das sei zwar ein schönes Zeichen, findet Battaglia, doch die Aktion stimme sie auch traurig. „Es werden Fußballfelder, Haustiere und Autos gesegnet. Es ist paradox und absurd, dass man im Jahr 2021 erst ein Zeichen setzen muss“.
Ist es da nicht widersprüchlich, sich in einer Organisation zu bewegen, die die eigene Persönlichkeit missbilligt? „Es ist ein scheinbarer Widerspruch. Als ich aufgewachsen bin, habe ich gemerkt, dass ich beide Welten verkörpere. Aber ich selbst bin ja nicht widersprüchlich, ich bin ich“. Ihren Glauben wollte sich die damalige Jugendliche nicht nehmen lassen. Als Kind habe sie gebetet, wenn es ihr nicht gutging oder sie den Tag abschließen wollte. Ihre katholische Sozialisation, das Engagement in der Gemeinde: gleichermaßen Teile ihrer Identität wie ihre sexuelle Orientierung.
Kölner Arbeitsumfeld ist wohlwollend
Bei ihrer aktuellen Tätigkeit in der Geflüchtetenhilfe spiele ihr Privates indes keine Rolle. „Das nahe Umfeld ist sehr wohlwollend und ich fühle mich sehr wohl.“ Die schmerzhafte Erfahrung, dass die Kirche massiv in die persönliche Entfaltung eingreifen kann, machte sie während des Studiums in Münster. Dort kombinierte sie die Fächer Katholische Theologie und Germanistik. „Das sind gute Fächer für das Lehramt. Dann musste ich feststellen, dass ich keine Lehrerin werden kann, falls ich eine Frau heiraten will, weil mir dann die Lehrerlaubnis wieder entzogen wird. Das ist hart. Von der Taufe an wurde mir suggeriert, du gehörst dazu. Doch wenn du in den Strukturen bist, hat nicht jeder die gleiche Teilhabe“.
Dabei begreift sie sich als Paradebeispiel für Loyalität. Wer bleibe schließlich noch einem System treu, das einen von oben nicht akzeptiere, wie man ist, so Battaglia.
Das könnte Sie auch interessieren:
Doch mittlerweile rütteln auch die Schlagzeilen an ihren Grundfesten. Stichwort Missbrauchsskandal: Wenn sich Negativmeldungen nur so aneinander reihen, Menschen en masse aus der Kirchen austreten, werden die Zweifelrufe auch bei Battaglia lauter. „Ich bin nicht mehr so fest im Glauben. Es wäre unverantwortlich nicht zu zweifeln. Beim Skandal um die Ausübung und die Vertuschung sexualisierter Gewalt denke ich ständig an die Betroffenen, die jetzt permanent retraumatisiert werden und da frage ich mich natürlich: unterstützte ich ein System und was für eine Rolle spiele ich dabei?“.
Dabei kann das Gute verblassen. Was hält sie denn überhaupt noch? „Das Positive ist die karitative Seite der Kirche. Altersarmut, Menschen mit Behinderung, Obdachlosigkeit – überall dort, wo der Staat versagt, fängt die Kirche etwas auf.“ Das reiche aber nicht. Die Kirche müsse endlich alle Menschen in den Blick nehmen. Es gebe auch queere Geflüchtete und queere Menschen in Altersarmut. „Wenn die Kirche für alle da sein will, dann muss Veränderung her“.