Akustisch ist die Ausstellung im Kölner Odysseum eine Zumutung. Aber dafür verkürzt sie die Anfahrt ins alte Ägypten erheblich.
„Ramses und das Gold der Pharaonen“Lohnt ein Besuch der Ramses-Ausstellung im Odysseum?
Verglichen mit Ramses II. war Napoleon ein Ausbund an Bescheidenheit. Der ägyptische Pharao der 19. Dynastie beauftragte so viele Zeugnisse seiner herrschaftlichen Größe, dass man von einem ausgewachsenen Gotteskomplex sprechen müsste, wäre seine Gottesähnlichkeit nicht offizieller Teil der altägyptischen Staatsreligion gewesen. Seine emsige Bauherrentätigkeit freut heute nicht nur das Unesco-Weltkulturerbe-Komitee, sondern auch das ägyptische Tourismusministerium.
Was den Parisern der Louvre und ihre Triumphbögen sind, sind den Nachfahren des 1213 v. Chr. verstorbenen Ramses II. der Tempel Abu Simbel oder das Ramesseum, eines der in Theben erbauten Millionenjahrhäuser. Mit seinen kolossalen Ebenbildern allein ließe sich vermutlich das Ägyptische Museum in Kairo füllen, und so tourt Ramses II. (oder jedenfalls sein Sarkophag) seit einigen Jahren als Botschafter der ägyptischen Tourismusindustrie um die Welt.
Nach Stationen in den USA, Sydney und Paris steigt die Wanderausstellung „Ramses und das Gold der Pharaonen“ nun für ein gutes halbes Jahr im Kölner Odysseum ab. Wegen des Aufbaus der 180 Leihgaben aus Kairo musste sogar die benachbarte Maus-Ausstellung vorübergehend die Pforten schließen.
Ramses-Ausstellung im Odysseum: Teil der Einnahmen fließt in Erhalt des archäologischen Erbes
Bei der Eröffnung sparten die ägyptischen Gesandten nicht mit Pathos, gestanden aber freimütig den strategischen Charakter der von einem US-Unternehmen organisierten Welttournee ein. Zahi Hawass, ehemaliger Generalsekretär der ägyptischen Altertümerverwaltung, betonte, ein Teil der Einnahmen fließe direkt in den Erhalt des archäologischen Erbes, und warb recht unverhohlen dafür, die Schau als Appetitanreger für eine ausgedehnte Ägyptenreise anzusehen. Aber es lohnt sich ja auch: Der Ursprung der Hochkultur liegt am südlichen Ufer des Mittelmeers.
Bekanntlich wurden die ägyptischen Altertümer nicht geschaffen, um von Touristen angegafft zu werden. Es waren Grabbeigaben, die den Pharaonen das Leben im Totenreich versüßen sollten und das exakte Gegenteil eines demokratischen Kunstbegriffs. Die kostbaren Schätze entstanden damals für die toten Augen einer Oberschicht, die ihre Grabstätten entgegen der biblischen Überlieferung zwar nicht von Sklaven errichten ließ, aber von einer streng hierarchisch gegliederten Gesellschaft profitierte.
Allein der Gedanke, Kunst sei für alle da, wäre einer Gotteslästerung gleichgekommen, weshalb man vor dem nach Köln gereisten Sarkophag des Pharaos beinahe Mitleid empfindet: Odysseum statt Götterreich, wenn das kein Grund ist, schwermütig zu werden.
Jetzt sollen ausgerechnet die Massen das Ramses-Erbe retten. Mohamed Ismail Khaled, Generalsekretär des ägyptischen Supreme Council of Antiquities, erhofft sich in Köln mehr als eine halbe Million Besucher – diese Spitzenmarke wurde in Sydney aufgestellt. Die Schau ist daher für alle und weniger für das Baedeker-Bildungspublikum konzipiert. Multimedia ist Trumpf, die Saaltexte fallen knapp aus und die deutschsprachige Publikation firmiert als „offizielles Souvenirbuch“.
Am Eingang gibt es die erste Fotogelegenheit – Besucher können sich vor einer Wandtapete ablichten lassen, vielleicht als Trost dafür, dass Selfies mit dem Pharao oder einer seiner acht Bräute nicht im Eintrittspreis enthalten sind. Auf den ersten Metern schlägt einem dann eine klebrige Muzak-Klangwelle entgegen, die durch den gesamten Ausstellungsparcours schwappt und durch zwei lautstarke Erklärfilme noch zusätzlich verstärkt wird. Akustisch ist die Ramses-Schau eine Zumutung. Aber immerhin eine, die man großzügig gegen den vergleichsweise kurzen Anfangsweg ins alte Ägypten aufrechnen kann.
Ramses-Ausstellung: Lohnt ein Besuch im Odysseum?
Gleich das erste Ausstellungsstück zeigt, wofür man gekommen ist. Es ist der riesige Ramseskopf einer Kolossalstatue aus rotem Granit, und der Pharao trägt darauf die ebenmäßigen Gesichtszüge zur Schau, die den Schönheitsbegriff der alten Ägypter über Jahrhunderte hinweg geprägt haben. Diese Steinbilder sollten nicht den abgebildeten Menschen ähneln, sondern diese im gottgleichen Ideal entdecken; heute sehen so Schaufensterpuppen aus. Individualität war nicht gefragt, weshalb es dem Bildhauer vermutlich leichtfiel, die Statue eines früheren Königs für seinen Ramses zu überarbeiten.
Solche Monumente feierten meist den Feldherrn Ramses II., der etliche Kriege führte, aber mit den Hethitern auch den ersten bekannten Friedensvertrag der Weltgeschichte schloss. Einige Ägyptologen feiern daher sein diplomatisches Geschick. Andere glauben, er habe diesen einen Frieden geschlossen, um in Ruhe andere Kriege führen zu können.
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Der Politiker Ramses II. ist so umstritten wie der Kriegsherr, zumal die historischen Dokumente rar und unzuverlässig sind. In der Ausstellung informiert eine Texttafel über die Erfindung von Fake News: „Unabhängig davon, ob er gewonnen oder verloren, ein Unentschieden erreicht oder manchmal verloren hat, Ramses wird immer als Sieger dargestellt.“ Sein anhaltendes Kriegsglück wird auch in Köln ausführlich gewürdigt, etwa in einem Fotofilm, der Ramses im Schlachtgetümmel mit seinem Hauslöwen zeigt. Immerhin meldet der Erzähler leise Zweifel an seiner eigenen Schilderung an.
Als schillernder Charakter füllt Ramses II. jeden Ausstellungsraum, und die wirtschaftliche Blüte während seiner langen Herrschaft (man schätzt sie auf 66 Jahre) tut ein Übriges. Neben prächtigen Statuen des Herrschers und einiger Familienmitglieder bietet die Schau reichlich Schmuck, aber auch Fayencen-Fliesen mit Darstellungen ausländischer Gefangener, erstmals gezeigte Tiermumien (sie wurden den Göttern geopfert) oder steinerne Notizzettel. Ein Höhepunkt der Schau ist das Grabkleid des Pharaos Scheschonq I., Herrscher der 22. Dynastie, das aus einer goldenen Totenmaske, Amuletten, Gürtel und Fingerlingen und Zehenfingerlingen besteht. Sie werden aufrecht stehend präsentiert, als könnte sich ihr Träger jederzeit in der Vitrine materialisieren.
Im feierlichen Finale stehen wir vor dem herrlichen Zedernholzsarg von Ramses II. Der König blickt uns darauf gütig in der Blüte gottgleicher Schönheit an, weshalb man ein wenig erschrickt, als ein Porträt der Mumie über die Wand flimmert. Ewiges Leben verleiht nur die Erinnerung. Ewige Jugend war nicht einmal dem Pharao vergönnt.
„Ramses und das Gold der Pharaonen“, Odysseum, Corintostr. 1, Köln, Di.-Fr. 10-18 Uhr, Sa.-So. 10-20 Uhr, 13. Juli 2024 bis 6. Januar 2025. Eintritt: 22 Euro für Erwachsene (ab 16 Jahren), Kinder ab 5 Jahren zahlen 16 Euro. Die Tickets werden in Timeslots zu 90 Minuten angeboten. Weitere Informationen unter: www.ramsesausstellung.de