In Leipzig erregte Rod Stewarts Unterstützung für die Ukraine den Unmut des Publikums. Am Dienstag trat der Sänger nun in der Kölner Lanxess-Arena auf.
Rod Stewart in KölnHat da etwa jemand gebuht?
Während Wladimir Putin alles daran setzt, Europa zu spalten, reist Rod Stewart im Zickzack-Kurs durch Ost und West. Von Łódź nach Hamburg, von Budapest nach Köln, wie eine Nähnadel, die eilig Risse flickt. Oder doch eher wie ein Geigerzähler prorussischer Verstrahltheit. Die Buhrufe, mit denen Leipziger Konzertgänger Stewarts „Fuck Putin“-Ausruf quittierten, lösten im Westen Deutschlands Kopfschütteln und Händeringen aus. In Berlin gab es an gleicher Stelle Applaus. Zuletzt, in Budapest, löste vor allem das bühnenwandhohe Porträt von Wolodymyr Selenskyj, vor dem der Sänger zu salutieren pflegt, hörbaren Unmut im Publikum aus.
Am Dienstagabend in der Kölner Arena, zwei Drittel der Show sind schon gelaufen, ist es dann wieder so weit. Stewarts blonde Backgroundsängerinnen schmettern Chaka Khans „I’m Every Woman“, der Star nutzt die Gelegenheit, um sich umzuziehen, strahlend blauer Anzug, gelbes Hemd. „Das sind nicht nur die Farben der schwedischen Flagge“, setzt er – unnötigerweise – an. Dann erzählt er von seinem Engagement für ukrainische Geflüchtete, widmet den nächsten Song den Menschen des Landes, seinen Soldaten, seinem Präsidenten und seinem Sieg. Auf Invektiven gegen Putin verzichtet er diesmal allerdings.
Mächtiger Applaus brandet auf, die Kölner erheben sich von ihren Sitzen. Hat da jemand gebuht? Ach nein, es war nur ein zustimmendes „Juhu“. Als zu den finalen Akkorden von „Rhythm of My Heart“ schließlich der ukrainische Präsident seinen Foto-Auftritt hat, pfeifen ein paar Zuschauer auf den Fingern. Aber das mag eher Zustimmung signalisieren. Anschließend wird noch lange geklatscht. West-Test bestanden, wir haben nie an dir gezweifelt, Köln.
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Der Rest ist gepflegte Unterhaltung. Zu den Dudelsack-Klängen von „Scotland the Brave“ wird pünktlich um fünf Minuten nach acht der Vorhang gerafft, Rod Stewart steht breitbeinig vor vier schwarz bestrumpften Gitarristinnen und einer Keytar-Spielerin und singt „Addicted to Love“, eben ganz genauso wie im ikonischen Robert-Palmer-Video, nur, dass Stewarts Beistellfrauen selbstredend blond sind. Kurz darauf werden Sam Cookes „Having a Party“ und Bonnie Tylers „It’s a Heartache” gedudelt und man fühlt sich ein wenig wie auf einer langen Taxifahrt, bei der man den Moment verpasst hat, den Fahrer zu bitten, endlich WDR 4 auszuschalten.
Aber Stewart selbst klingt fantastisch, das Sandpapier seiner Stimme reibt so wohlig gegen das Trommelfell wie eh und je. Ein ASMR-Trigger, der zuverlässig die Nackenhaare aufstellen lässt, lange, bevor man das passende Akronym dafür kannte. Er kann auch noch sehr gut seine mit bunten Rosen-Aufnähern tätowierte Skinny Jeans tragen, auf die Gefahr hin, den 79-jährigen Blondschopf sexuell zu objektivieren.
Ach, das würde ihm doch gefallen. Auf der glänzend weißen Bühne gibt er den gut gealterten Shuffleboard-Casanova, die Ärmel seiner weißen Jacke hat er hochgerafft, und spätestens mit „Tonight’s the Night (Gonna Be Alright)“ – einem jener schunkelnden Verführungssongs, die niemand so überzeugend singen kann wie Rod Stewart – ist das Eis gebrochen. „Da haben wir doch einen guten Start hingelegt“, kommentiert der Altstar und knüpft das Hemd für ein dynamisches Cover von Muddy Waters „Rollin‘ and Tumblin‘“ noch ein wenig weiter auf. Das anschließende „Stay With Me“ stammt aus der Zeit, als Stewart mit Ron Wood die Faces als beschwingtere Alternative zu den Rolling Stones etablierte. Neckisch schwingt er den Popo und die ausverkaufte Arena schwingt mit.
Es wird zu viel gefiedelt, aber das verweht im Charme Rod Stewarts
Dass manches zu sehr nach Kreuzfahrt-Unterhaltung klingt, kulminierend in der finalen Zugabe „Sailing“, die Stewart mit Kapitänsmütze und Arm in Arm mit seinen Sängerinnen absolviert, als könnten jeden Moment Wunderkerzen-sprühende Torten hereingetragen werden: geschenkt. Auch vom gelegentlichen Folklore-Overkill – es wird eindeutig zu viel gefiedelt und in Sackpfeifen geblasen – lässt man sich nun nicht mehr irritieren. Das alles verweht im Charme des Showbiz-Veteranen.
„The First Cut Is the Deepest“ und „I Don’t Want to Talk About It“ summt das Publikum angerührt mit. Rotwein, Käse und Rod Stewart, es war mal so einfach mit dem Geschlechtlichen. Und wenn dann erst das Saxofon röhrt! „Maggie Mae“, sein Erkennungslied, kündigt Stewart als „song about my early sex life“ an. Man vergleiche dieses Porträt des Künstlers als junger Verführter mit dem thematisch ähnlich gelegenen „Und es war Sommer“. Wo Peter Maffays Ballade in unfreiwillig komisches Pathos umschlägt, zeichnet sich Stewart selbstironisch als übereifriges Missbrauchsopfer. Damit käme er heute wohl nicht mehr durch, doch der Song bleibt unwiderstehlich.
Zum Abschied winkt Rod Stewart mit der Kapitänsmütze
Nicht anders verhält es sich mit seinen späteren Ausflügen in New Wave („Young Turks“) und Disco („Da Ya Think I’m Sexy?“). Rod Stewart steht immer exakt so weit neben sich, dass keine Anverwandlung anderer Genres als Ausverkauf wirkt, eher wie ein gut gelaunter Kommentar. Umso bereitwilliger schmilzt man in Köln bei Stewarts gefühlvollen Covern von Tom Waits' „Downtown Train“ oder Van Morrisons „Have I Told You Lately“ dahin. Letzteres croont er zum Standbass als Liebeserklärung ans Publikum.
25 Songs in zwei Stunden hatte Rod Stewart angekündigt und genau das hatte man bekommen. Sollte das allen Ernstes seine Abschiedstour gewesen sein, war es eine würdige. Mit Haltung und Augenzwinkern und Lässigkeit. „Some Guys Have All the Luck“, raspelt er zum Höhepunkt und kann damit nur sich selbst gemeint haben. Zum Abschied winkt er ein letztes Mal mit der Kapitänsmütze unterm Vorhang.