NachrufWie Ronnie Spector einst die Beatles und die Rolling Stones becircte

Ronnie Spector im Jahr 2010
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Los Angeles – Boom-Boom-Boom Pow! Wer an „Be My Baby“ denkt, den größten Hit der Girl Group The Ronettes, hat wohl als erstes Hal Blaines mächtigen und oft kopierten Schlagzeug-Beat im Ohr. Aber gleich darauf folgt Ronnie Spectors hochdramatische, sehnsuchtsvolle, aber auch sehr selbstbewusste Stimme. Die erhebt sich mühelos über den wagnerianischen Wumms des Studio-Orchesters.
„Die Ronettes konnten mit ihrem Gesang Schallmauern durchbrechen“, erinnerte sich Keith Richards 2007, anlässlich der Aufnahme des Trios in die Rock’n’Roll Hall of Fame. In den 1960ern spielten die Rolling Stones im Vorprogramm der Ronettes und ihr Gitarrist ließ sich nur selten das Backstage-Einsingen der Mädchen aus Manhattans Washington-Heights-Viertel entgehen. Eine kurze Affäre mit Ronnie verzeichnete Richards in seiner Autobiografie als einen der Höhepunkte seines Lebens.
Schwestern und Cousinen aus Washington Heights
Zusammen mit ihrer älteren Schwester Estelle und ihren drei Cousinen hatte Veronica Bennet, wie Ronnie Spector von Haus aus hieß, schon seit Kindertagen gesungen, bei der gemeinsamen Großmutter. Sie teilten afro-amerikanische, irische, puerto-ricanische und Cherokee-Wurzeln und nannten sich The Darling Sisters. Später, zwei Cousinen waren inzwischen ausgestiegen, tauften sie sich in Ronnie and the Relatives um. Und schließlich, als sie schon regelmäßig in der hippen Peppermint Lounge – Geburtsort des Twists – auftraten, in The Ronettes. Was sich nicht änderte, man kann es an den Namen ablesen, war Veronicas Status als unerschrockene Lead-Sängerin des Trios.
Anfang 1963 tätigte Estelle den Telefonanruf, der das Leben ihrer Schwester für immer verändern sollte. Die Ronettes, erzählte Estelle Phil Spector, würden gerne für ihn vorsingen. Schon nach den ersten Zeilen von „Why Do Fools Fall in Love“ war der Produzent außer sich. Das, rief er aus, sei genau die Stimme, nach der er immer gesucht habe. Als Spector im Juli 1963 „Be My Baby“, die erste Single unter ihrem eigenen Namen veröffentlichte, wusste die ganze Welt, dass sich hier zwei Künstler zusammen getan hatten, die sich perfekt ergänzten: Ronnie Bennets Stimme verlieh Spectors bewusst verwaschenen, gewaltig dröhnenden Klangwänden erst Persönlichkeit.
Die engsten Röcke, die höchsten Haare
Außerdem waren die Ronettes umwerfend sexy. Während sich andere Girl Groups in weite Abendkleider warfen, trugen sie die kürzesten und engsten Röcke, die sie auftreiben konnten. Ihr jugendliches Alter versteckten sie unter gewaltigen Bienenkorb-Frisuren und dicken Mascara-Schichten.
Auf „Be My Baby“ folgten noch weitere Hits wie „Do I Love You?“, „Walking in the Rain“ und „A Christmas Gift For You From Phil Spector“, das beste Weihnachtsalbum der Welt. Hinter den Kulissen hatte Ronnie eine Affäre mit Spector begonnen. Der verbot seiner Geliebten 1966 an einer gemeinsamen Tour der Ronettes mit den Beatles – John Lennon und Ronnie waren eng befreundet, Estelle hatte eine Liebschaft mit George Harrison – teilzunehmen. Bald darauf trennte sich das Trio, Ronnie heiratete den krankhaft eifersüchtigen Produzenten und wurde, wie sie später in ihrer Autobiografie schilderte, zur Gefangenen in der gemeinsamen Villa in Beverly Hills, die Spector mit Stacheldraht umzäunen ließ.
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Erst 1972 konnte sie mit Hilfe ihrer Mutter barfuß ihrer Ehehölle fliehen. Phil Spector starb vergangenes Jahr als verurteilter Mörder im Gefängnis. Anschließend hatte Ronnie Spector Mühe, ihre unterbrochene Karriere wieder aufzunehmen. Trotz einiger Hilfe von Fans wie Bruce Springsteen, Billy Joel und Joey Ramone wurde sie vor allem als Oldie-Act wahrgenommen. Was Tina Turner, auch sie Überlebende einer musikalischen Missbrauchs-Beziehung, gelang, blieb Ronnie Spector verwehrt.
Am Mittwoch ist Ronnie Spector im Alter von 78 Jahren an einer Krebs-Erkrankung gestorben.