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„Don’t Look Up“Warum Forscher den Netflix-Film lieben und Kritiker ihn hassen

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Leonardo DiCaprio und Jennifer Lawrence

Los Angeles – Als Adam McKays Weltuntergangs-Satire „Don’t Look Up“ an Heiligabend 2021 auf Netflix veröffentlicht wurde (nach einer kurzen Kino-Auswertung), hatten viele amerikanische Kritiker ihr Urteil bereits gefällt: Allzu selbstgefällig, ja zynisch wäre der Film, in dem Leonardo DiCaprio und Jennifer Lawrence Astronomen aus der amerikanischen Provinz spielen, deren Warnungen vor einem Kometen, der in sechs Monaten auf der Erde einschlagen und alles Leben auf ihr vernichten werde, ungehört verhallen. Beziehungsweise im Medien-, Politik- und Internetzirkus mit so vielen Spins versehen werden, dass die schlichte Wahrheit – wir werden alle sterben, wenn wir nicht sofort etwas unternehmen – dabei sofort ins Trudeln gerät.

Selbstverständlich geht es um die Indifferenz, mit der die westlichen Gesellschaften die nicht irgendwie drohende, sondern eben ganz sicher eintretende Klimakatastrophe von sich fernhalten. McKay lässt jeden mitschuldigen System-Teil von einem oder mehreren Stars verkörpern: Meryl Streep spielt die US-Präsidentin als ebenso einfach gestrickte wie durchtriebene Trumpine, Cate Blanchett und Tyler Perry lassen sich als Talk-Show-Hosts in ihrer quotenfixierten Leutseligkeit von keinem Massenaussterben stören, Mark Rylance sieht als Steve Jobs oder Elon Musk ähnlicher visionär-narzisstischer Tech-Guru (definitiv die beste darstellerische Leistung des Films) im Kometen nur eine weitere Möglichkeit viel Geld auf Kosten der Allgemeinheit zu machen, und so weiter.

Den unweigerlich folgenden Einschlag zelebriert McKay mit der Untergangslust eines Roland Emmerich. Er ist in der Struwwelpeter-Pädagogik des Films die gerechte Strafe für eine Menschheit, die sich im Kommentieren und Weiterdrehen von Klatschgeschichten und angeblichen Skandalen verfangen hat: „Wir können ficken oder beten“, schlägt Tyler Perry angesichts des unmittelbar bevorstehenden Endes vor. „Ehrlich gesagt würde ich lieber trinken und über Leute herziehen“, antwortet Cate Blanchett, oberflächlich bis zum Schluss.

Vage, kindisch, offensichtlich

„Don’t Look Up“ sei eher Moralpredigt als Satire, schreibt Alison Willmore für „Vulture“. Vage, kindisch und offensichtlich“, assistiert James Berardinelli von „Reelviews“. Die Katastrophen-Komödie sei selbst ein Desaster, ätzt der „Guardian“ und der „National Review“ tut seine Verachtung schon in der Überschrift kund: „Noch eine idiotische Komödie vom ehemals witzigen Adam McKay“. Laut Joe Morgenstern vom „Wall Street Journal“ trivialisiere der Film alles, was er kritisieren wolle, triefe vor Selbstgefälligkeit und werde auf diese Weise selbst zum Teil des Geplappers und Gejammers, das er verdammt.

Klar, in den 130 Minuten, die man zu Hause auf dem Sofa damit vertrödelt sich „Don’t Look Up“ anzuschauen, könnte man auch rausgehen und seinen Beitrag zur Klimarettung leisten. Aber das ist ein Totschlagargument, mit dem man jede Tätigkeit, die nicht unmittelbar der Lebenserhaltung dient, verdammen kann.

Netflix-Rekord gebrochen

Und das Publikum scheint die Sache ganz anders zu sehen, als die Filmkritiker: Auf Netflix bricht „Don’t Look Up“ alle Rekorde, hält sich seit drei Wochen beharrlich in den Top Ten und ist schon jetzt der drittmeistgesehene Film in der Geschichte des Streamingdienstes. Es gibt zurzeit keinen populäreren Film auf der Welt. Dass die Meinungen von Leuten, die ihren Lebensunterhalt mit dem Schreiben über Filme verdienen und solchen, die sich diese Filme abends zur Zerstreuung angucken weit auseinanderliegen, das kommt schon mal vor. Zumal in Zeiten, in denen Menschen eher Amazon-Bewertungen vertrauen, als dass sie Feuilleton-Artikel lesen.

In diesem Fall aber erhalten die andersdenkenden Zuschauer Schützenhilfe von zahlreichen Wissenschaftlern, die „Don’t Look Up“ bescheinigen, ihren jahrzehntelangen Frustrationen mit ungehörten Warnungen eine adäquate künstlerische Form gegeben zu haben.

Der Film möge zwar eine Satire sein, schreibt etwa Peter Kalmus im „Guardian“, „aber als Klimawissenschaftler, der alles in seiner Macht Stehende tut, um die Menschen wachzurütteln und die Zerstörung des Planeten zu verhindern, ist dies auch der exakteste Film über die erschreckende Nicht-Reaktion der Gesellschaft auf den Zusammenbruch unseres Klimas, den ich je gesehen habe“.

Bittere Medizin

Für Michael E. Mann, Atmosphärenwissenschaftler und Autor des Buches „Propagandaschlacht ums Klima“ ist der bissige Humor des Films nur der Löffel Zucker, der die bittere Medizin bekömmlich macht: „Don’t Look Up“ sei so erfolgreich, weil er es verstehe, seine wichtige Botschaft zu kommunizieren. Was nützen die Erkenntnisse der Klimawissenschaft, wenn sie die Öffentlichkeit nicht von ihren unbequemen Wahrheiten überzeugen und letztendlich zum Handeln bewegen kann?

Der englische Naturschutz-Aktivist George Monbiot fühlte sich durch die verzweifelten Appelle von DiCaprio und Lawrence an alles weglächelnde Fernsehmoderatoren an seinen eigenen Kontrollverlust in einem Morgenmagazin vor ein paar Monaten erinnert. Angesichts der „strukturellen Dummheit der Medien“ brach er vor den laufenden Kameras von „Good Morning Britain“ in Tränen aus. „Kein Wunder, dass Kritiker den Film verrissen haben", sagt Monbiot, „er handelt ja von ihnen“. Nathan J. Robinson, Gründer des linken Magazins „Current Affairs“, pflichtet Monbiot bei. Einige der Reaktionen hätten glatt im Film selbst vorkommen können.

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Diese Einschätzung macht es freilich unmöglich, den Film zu kritisieren. Es ist ja nicht so, dass jedwede negative Kritik einzig dazu dient, vom eigentlichen Problem der Klimakatastrophe abzulenken. Noch mehr Geplapper statt beherztem Handeln.

Da liegt der Haken: Offensichtlich funktioniert „Don’t Look Up“ als Satire mit aufklärerischer Absicht sehr viel besser, als Kritiker dem Film anfangs zugestehen wollten. Was jedoch noch lange nicht bedeutet, dass sich hochbezahlte Hollywood-Regisseure und Schauspieler fortan unanfechtbare Klima-Aktivisten gerieren dürfen.