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RTL-Live-Show „Die Passion“Hoffentlich hat Jesus Humor

Lesezeit 4 Minuten
Alexander Klaws Jesus passion

Sänger Alexander Klaws als Jesus in der RTL-Show „Die Passion“

Essen – Jesus und die Jünger reisen mit dem Bus an, Stefan Mross singt „Horizont“ von Udo Lindenberg, Jesus predigt im Einkaufzentrum, Nelson Müller schenkt dem Sohn Gottes eine Currywurst, Mark Keller singt als Judas „Durch den Monsun“, die Mutter Gottes ist Fan von Sarah Connor, Menschen tragen ein Leuchtkreuz durch die Rüttenscheider Schlemmermeile.

Nein, das ist kein böser Fiebertraum, das ist die Passionsgeschichte – zumindest so, wie RTL sie sich zur Primetime vorstellt, sollte sie heutzutage in Essen stattfinden. Und eins steht mal fest: Jesus kann verdammt froh sein, dass es vor 2000 Jahren noch kein Privatfernsehen gab.

An der Ausstattung bei „Die Passion“ hat RTL nicht gespart

An der Ausstattung hat RTL immerhin nicht gespart, an Pathos noch viel weniger: Die Bühne in Essen ist imposant, Band und Chor ganz in Weiß gewandet, Thomas Gottschalk als Erzähler gibt ebenfalls alles, um den ganz großen Bogen zu schlagen - vielleicht steht er auch deshalb so breitbeinig da.

Die passion2

Alexander Klaws als Jesus (l.) und Hennig Baum als Pontius Pilatus

„Wir erzählen die Ostergeschichte in neuer Form, im Look von 2022, Reloaded sozusagen“, sagt Gottschalk auf der großen Bühne und man wartet ein bisschen darauf, dass er gleich die Stadtwette ankündigt: „Herrschaften, ein ehemaliger Zimmermann und mittelloser Wanderprediger, der behauptet, der Sohn Gottes zu sein, wettet, dass er stirbt und nach drei Tagen aufersteht.“

Das ist tatsächlich ernst gemeint

Aber nein, das hier ist alles sehr ernst und sehr seriös. Jesus sei ja selbst auch Flüchtling gewesen, betont der 71-Jährige. Da ist dann also auch noch der Bogen zum Ukraine-Krieg.

Die Ansprache richtet sich ans Zielpublikum. „Die Römer fahren die Security hoch. Jesus ist ein Influencer.“ Zwischendrin ist Gottschalk dann aber immer sehr darauf bedacht zu erwähnen, dass das hier alles bloß nicht zu religiös ist.

Klar, das ist die größte Geschichte aller Zeiten, aber eigentlich ist die Bibel ja auch nur ein besonders dicker Roman, den es zu verfilmen lohnt: „Niemand ist hier mit gefalteten Händen unterwegs.“

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Diese Live-Show ist wie der berühmte Autounfall, bei dem man eigentlich nicht hinschauen möchte, aber heimlich doch immer mal wieder einen Blick riskiert. Und jedes Mal, wenn man glaubt, schlimmer kann es nicht kommen, legt RTL noch einen drauf.

Jesus wird nicht einfach nur verhaftet, nein er sitzt neben Katy Karrenbauer (ja, die aus „Hinter Gittern“) und „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“-Urgestein Jo Gerner (Wolfgang Bahro) im Polizeibus. Martin Semmelrogge gibt den Kriminellen Barabbas. Das kann man sich alles nicht ausdenken.

Vielleicht tritt ja auch noch Xavier Naidoo auf?

Und als Ella Endlich mit heiligem Ernst „Und wenn ein Lied“ von den Söhnen Mannheims singt, würde es einen auch nicht mehr wundern, wenn Xavier Naidoo zum Duett auf die Bühne käme. Wäre nur konsequent, schließlich hat Jesus doch immer auch Vergebung gepredigt.

Weil das alles RTL aber offensichtlich immer noch nicht reicht, müssen auch noch rund 100 Menschen ein 225 Kilogramm schweres Leuchtkreuz durch Essen tragen. Und Reporterin Annett Möller hört sich mit Betroffenheitsmiene Geschichten von Wunderheilungen und Erleuchtungen an.

Alexander Klaws gibt als Jesu alles

Den Schauspielern kann man noch nicht mal einen Vorwurf machen. Alexander Klaws wirft sich als Jesus voll rein, auch alle anderen, von Henning Baum, der leider überhaupt nicht singen kann, bis Laith Al-Deen vollbringen die fast unmenschliche Aufgabe, ernst zu bleiben. Und es erstarrt auch niemand vor lauter Fremdscham zur Salzsäule. Das ist doch schon mal was.

Die Passion

Immerhin erspart uns RTL die Kreuzigung, sie wird nur erzählt, aber das ist auch die einzige Gnade, die den Zuschauern gewährt wird. Wobei der grässliche Song „Geboren um zu leben“ von Unheilig, den es stattdessen zu ertragen gilt, auch schon als Folter durchgeht.

Das kann Gott nicht gewollt haben

„Braucht das noch jemand?“, fragte Thomas Gottschalk zu Beginn. Die Antwort ist eindeutig: Jesus vermutlich nicht. Und Gott wohl eher auch nicht. Dabei hatte er doch sogar Zeichen der Warnung gesandt: Kurz nachdem RTL „Die Passion“ 2020 angekündigt hatte, kam Corona. Das kann kein Zufall sein.

Zweimal fiel das Event aus, nun konnte es offensichtlich nicht einmal mehr der Allmächtige verhindern. Wollen wir hoffen, dass er uns dafür nicht mit der nächsten Plage straft.

Sollte es morgen Heuschrecken regnen, wird es nach diesem Event wohl niemanden, der dabei war, wundern. Jesus ist ja für unsere Sünden gestorben, wie uns die Bibel lehrt. Aber diese Show wird RTL ganz allein vor dem Jüngsten Gericht verantworten müssen.