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Sabine Heinrich„Wieso sind wir Frauen immer so zweifelnd?“

Lesezeit 7 Minuten
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Sabine Heinrich

  1. Sabine Heinrich moderiert im ZDF eine neue Primetime-Quizshow.
  2. Die 44-Jährige spricht im Interview über den besonderen Sendeplatz und erklärt, warum sie das Hochstapler-Syndrom erfunden hat.

Frau Heinrich, Sie gehören zu einer Generation, die mit großen Samstagabendshows wie „Wetten, dass..?“ aufgewachsen ist. Ist das für Sie immer noch ein besonderer Sendeplatz?

Sabine Heinrich: Für mich ist der Samstagabend in der Erinnerung das Vollprogramm: frisch gebadet, Oma macht eine Tüte Chips auf, es gibt ein halbes Hähnchen und Cola. Das ist lange her, und tatsächlich weiß ich, dass die Wirklichkeit so nicht mehr ist am Samstagabend. Aber ich mag das immer noch. Ich finde es groß, dass ich jetzt auf der anderen Seite des Fernsehers bin. Ich würde es so gerne mit meiner Oma zusammen erleben. Die wäre echt stolz.

Was war Ihr erster Gedanke, als Sie hörten, dass Sie „Das große Deutschland-Quiz“ im ZDF moderieren? War da nur Freude oder auch Angst vor der eigenen Courage?

Ich wusste schon, als ich ins Casting ging, dass es für eine ZDF-Show ist. Ich habe mich – vermutlich aus Selbstschutz - aber nicht so sehr damit beschäftigt, wann und um wie viel Uhr das läuft. Dann kam die Zusage. Das war, als wir den Rosenmontagszug im Hänneschen Theater aufgenommen haben. Ich hatte noch Herzchen auf der Wange kleben und erhielt dann abends den Anruf. Ich habe aufgelegt und zu meinem Freund gesagt: Wir machen uns jetzt erstmal ein Kölsch auf.

An Quizsendungen mangelt es ja nun nicht gerade im deutschen Fernsehen. Haben Sie nicht Angst, dass beim Publikum irgendwann eine gewisse Übersättigung eintritt?

Ich bin nicht in das Casting gegangenen mit dem Gedanken: Ach, noch eine blöde Quizsendung. Ich finde das Thema gut. Als Zuschauerin finde ich es schön, mich mit den Kandidaten zu messen und mitzuraten. So gucke ich Quizshows. Ich mag an dem Format, dass es sehr inspirierend ist. Ich bin gern unterwegs und jetzt in Vorbereitung auf die Show hab ich schon gedacht, wann kann ich endlich reisen, etwa nach Mecklenburg-Vorpommern. Wir haben wirklich noch mal ein paar Schätze gehoben. Wir wollen auch zeigen, wie unterschiedlich und vielfältig wir in Deutschland leben.

Welches Verhältnis haben Sie denn zu Deutschland? Das ist ja bei vielen Deutschen eher gespalten.

Ich kann diese ambivalenten Gefühle sehr gut verstehen. Ich war viel in der Welt unterwegs. Die letzten anderthalb Jahre ging das durch die Pandemie nicht mehr. Ich habe da noch mal einen Sinn für die Region entwickelt. Ich glaube, dass ich das, was man hat, nicht so gesehen und geschätzt habe. Ich bin mal von Kanada nach Alaska gepaddelt und habe unterwegs eine Frau kennengelernt, die von Vancouver Island kam. Ich war so neidisch, weil sie da leben darf. Dann hat sie erzählt, wo sie gerne mal hinreisen möchte: Eure Alpen – mein großer Traum ist es, dort einmal Ski zu fahren. Wir sehen das Gute vor uns oft gar nicht. Ich bin froh, dass ich in den letzten anderthalb Jahren einen anderen Sinn dafür entwickeln durfte.

Bevor am 7. August die große Primetime-Ausgabe von „Das große Deutschland-Quiz“ startet, wird es ab Samstag vier Vorabendausgaben geben, die 45 Minuten dauern. Erleichtert das das Ankommen am Samstagabend?

Ich finde das ganz gut zum Reinkommen. Erst mal eine Dreiviertelstunde. Ich habe noch nie 150 Minuten am Stück am Samstagabend moderiert, das muss man sich auch mal vor Augen halten. Anderseits moderiere ich jeden Morgen vier Stunden live im Radio. Ich werde es schaffen, aber ich finde es ok, vorher mal zu gucken.

Sie arbeiten schon sehr lange beim Radio, war Fernsehen dennoch immer ein Traum?

Nein, ich hatte nie den Gedanken, ich will zum Fernsehen. Ich habe zum ersten Mal 2006 mit Thorsten Schorn Fernsehen gemacht. Da gab es ein Casting. Wir kannten uns von 1Live, er machte ein Sommershow und sagte zu mir: Wir wollen eine bestimmte Kollegin gewinnen, aber es ist wichtig, dass man nicht nur eine anbietet. Kannst du dieses Casting mitmachen, einfach damit es eine größere Auswahl gibt? In Wirklichkeit ging es nie um eine andere Kollegin. Er wusste einfach, dass ich mich irrsinnig unter Druck gesetzt hätte, wenn er mir gesagt hätte, dass er es mit mir machen will.

Sie bezeichnen sich selbst als Arbeiterkind. Ertappen Sie sich manchmal bei dem Gedanken, dass Sie in diese Fernsehwelt gar nicht so richtig gehören?

Ja, das Gefühl kenne ich gut. Wenn ich mal zum Fernsehpreis gegangenen bin, hatte ich immer das Gefühl, ich bin falsch abgebogen. Aber man darf das nicht zu ernst nehmen und muss dem mit Humor begegnen. Ich fühle mich da heute nicht mehr völlig falsch. Aber es ist auch gut, dem Ganzen mit ein bisschen Abstand zu begegnen, alles zu hinterfragen und bloß nicht zu viel um sich selbst zu kreisen. Das ist auch die Botschaft, die mir meine Eltern vermittelt haben. Die würden mir einen mitgeben, wenn sie merkten, dass ich die Bodenhaftung verliere. Dass ich am Samstagabend um 20.15 Uhr eine Show moderiere ist groß – aber ich mach das jetzt erstmal und dann flippen wir aus.

Was Sie beschreiben, klingt ein bisschen nach dem Hochstapler-Syndrom. Damit beschreibt man, dass manche Menschen das Gefühl haben, sich ihren Erfolg nur erschlichen zu haben und irgendwann aufzufliegen. Kennen Sie das?

Ich habe es erfunden. Ich höre oft: Du bist doch Medienprofi, du machst das schon so lange. Aber ich denke: Irgendwann werden die verstehen, dass sie sich geirrt haben und ich gar nichts kann. Ich frage mich dann ja immer, ob Männer solche Gedanken auch kennen? Wieso sind wir Frauen immer so zweifelnd und sagen nicht stattdessen einfach: Klar kann ich das!

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Geht es um große Shows, ist es immer noch ein Thema, wenn sie von Frauen moderiert werden. Woher kommt das?

Bei den Talkshows gibt es Anne Will, Sandra Maischberger, Maybrit Illner. Die machen großartige politische Talks. Da hat sich viel getan. Warum das in der Unterhaltung lange nicht so war, weiß ich nicht. Ich kenne viele Frauen in den Medien, denen ich das zutraue und die selbst auch wissen, dass sie es können. Da würde ich Programmverantwortliche nicht so schnell aus der Verantwortung entlassen. Ich hoffe, dass wir in ein paar Jahren gar nicht mehr darüber reden müssen und in Zukunft noch diverser besetzt wird.

Vor ein paar Jahren haben Sie noch gesagt, Shows können andere besser moderieren. Nun trauen Sie es sich zu?

Es ist eine Entwicklung. Es geht um Erfahrung. Wenn man auf eine Bühne geht, muss man das wollen. Es ist nicht so, dass man einfach ein schickes Kleid anzieht und dann da steht. Das ist auch Handwerk. Ich habe die Abschlussrede an der Schule gehalten und war tierisch nervös. Aber ich hatte auch richtig Lust drauf. Heute weiß ich, wie nervös ich auch sein mag, ich kann mich auf mich verlassen. Ich mache erstmal meine Arbeit, und dann habe ich es nicht mehr in der Hand. Dann beurteilen es andere, und ich hoffe, sie tun es fair.

Im Netz ist die Kritik allerdings ziemlich oft ziemlich hämisch und ungerecht. Lesen Sie solche Kommentare?

Ja, klar. Ich texte sogar mit. Aber das Gute ist: Ich sterbe daran nicht. Ich bin 44, wenn die Leute sich mit meiner Zahnlücke beschäftigen wollen, sollen sie. Was soll ich tun? Ich kann ja nicht an mir rumschneiden lassen. Da zitiere ich Christine Westermann: Immer schön bei sich bleiben und mit Humor und offenem Herzen drangehen.

Aber es ist doch schwer, das von sich fernzuhalten.

Weh tut Kritik, bei der ich weiß, da ist vielleicht was dran. Aber sich damit zu beschäftigen, bringt einen ja weiter. Wenn Menschen Äußerlichkeiten beurteilen oder mich schlecht machen wollen, sage ich mir: Ich kann nichts für deren Probleme, und ich möchte mir das Leben nicht schwermachen. Ich versuche, einfach drüberzustehen. Das ist das Tolle am Über-40-Sein: Ich weiß, dass ich davon nicht kaputt gehe. Ich glaube deshalb auch, die Show kommt zur richtigen Zeit. Ich habe so viele Erfahrungen gesammelt. Und jetzt kommen noch neue hinzu. Ich habe das Spiel noch lange nicht durchgespielt.