Weil die „Welt am Sonntag“ einen Gastbeitrag von Elon Musk abdruckt, kündigt sogar eine Ressortleiterin. Nun hagelt es Kritik von allen Seiten.
„Beschämend und gefährlich“Scharfe Kritik an Springer-Verlag wegen Veröffentlichung von Musks AfD-Werbung
Elon Musk ist der festen Überzeugung, nur die AfD könne „Deutschland retten“. Diese Meinung teilte der Tech-Milliardär auf seiner Plattform X mit Blick auf die Neuwahlen in Deutschland 2025 im Dezember mit. Mehrere Posts hat der 53-jährige Trump-Unterstützer inzwischen zur Politik in Deutschland abgesetzt – und dabei nicht nur einmal die AfD gelobt. Bislang nutzte der Rechtspopulist dafür seinen 2023 erworbenen Mikroblogging-Dienst, nun aber hat Musk erstmals auch in einem deutschen Medium seine AfD-Unterstützung zum Ausdruck gebracht.
Elon Musk schreibt Gast-Beitrag für die „Welt“ – und macht Wahlwerbung für die AfD
Die „Welt am Sonntag“ veröffentlichte einen Gastbeitrag des US-Milliardärs mit einem Wahlaufruf für die AfD – und steht dafür nun massiv in der Kritik. In seinem Gastbeitrag für die „WamS“ führte der Chef des Onlinedienstes X aus, angesichts eines angeblich bevorstehenden „wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenbruchs“ Deutschlands sei die AfD „der letzte Funke Hoffnung für dieses Land“, da nur sie die deutsche Wirtschaft wiederbeleben oder durch eine „kontrollierte Einwanderungspolitik“ einen Identitätsverlust verhindern könne.
Obwohl Musks Beitrag eine Gegenrede des designierten „Welt“-Chefredakteurs Jan Philipp Burgard gegenüber gestellt war, löste die Veröffentlichung scharfe Kritik aus – sowohl in den eigenen Reihen, als auch von Politikerinnen und Politikern sowie Journalisten anderer Medienhäuser. Die Meinungschefin der „Welt“, Eva Marie Kogel, reichte laut eigener Aussage am Samstag wegen der Veröffentlichung ihre Kündigung ein.
Medienberichten zufolge soll der Abdruck des Gastbeitrages von Musk bereits vor Heiligabend eine heftige Kontroverse innerhalb der Redaktion ausgelöst haben. So habe der Redaktionsausschuss schon damals vor der Veröffentlichung gewarnt, schreibt der Branchendienst „Medieninsider“, der „Spiegel“ berichtet von weiterem Streit in der finalen Redaktionskonferenz am Freitag.
Scharfe Kritik an Springer-Verlag nach Musk-Interview in „Welt am Sonntag“
Am Sonntag kritisierte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch den Springer-Verlag scharf. „Dass der Springer-Verlag Elon Musk überhaupt eine offizielle Plattform bietet, um Wahlwerbung für die AfD zu machen, ist beschämend und gefährlich“, sagte Miersch dem „Handelsblatt“. Der Vorgang zeige, „wie weit rechte Netzwerke inzwischen vorgedrungen sind“.
Auch den US-Unternehmer und künftigen Berater des designierten US-Präsidenten Donald Trump ging Miersch mit scharfen Worten direkt an. Es sei „inakzeptabel, dass ausländische Milliardäre versuchen, unsere politische Landschaft zu beeinflussen und dabei Parteien unterstützen, die unsere demokratischen Werte untergraben“, erklärte er in Richtung Musk. „Deutschland braucht keine Einmischung von außen und schon gar keine Unterstützung für rechtsextreme Positionen.“
Zugleich lobte Miersch das Verhalten von „Welt“-Redakteurinnen und -Redakteuren, die gegen die Veröffentlichung des Artikels protestiert hatten. „Die Reaktionen innerhalb der Redaktion der ‚Welt am Sonntag‘ geben Hoffnung – sie zeigen, dass es auch in schwierigen Zeiten Journalistinnen und Journalisten gibt, die Verantwortung übernehmen und klar Haltung zeigen.“
Politiker kritisieren Musk-Gastbeitrag – „Journalistisch und politisch falsch“
Unterstützung erhielt Miersch von Parteikollege Karl Lauterbach. „Wenn Zeitungen mitmachen schaufeln sie ihr eigenes Grab und sind nicht besser als soziale Medien“, so der Bundesgesundheitsminister. Kritik kam auch aus der Union. „Die Veröffentlichung in der „Welt“ ist kein mutiger Beitrag zur Meinungsvielfalt, sondern ein unverantwortlicher zur Normalisierung der #noafd vor einer schicksalhaften Wahl. Journalistisch und politisch falsch“, schrieb Karin Prien auf X.
Doch nicht nur Politiker, auch viele Journalistinnen und Journalisten diskutierten den Abdruck des Musk-Beitrags im Springer-Medium. Ulrich Deppendorf, ehemaliger Chef im ARD-Hauptstadtstudio, bezeichnete den Abdruck als „Tiefpunkt in der so traditionsreichen Geschichte des Springer-Verlags“.
Der scheidende Chefredakteur Ulf Poschardt und sein designierter Nachfolger Jan Philipp Burgard verteidigten hingegen die Veröffentlichung. Die Diskussion um Musks Text sei „sehr aufschlussreich. Demokratie und Journalismus leben von Meinungsfreiheit. Dazu gehört es, sich auch mit polarisierenden Positionen auseinanderzusetzen und diese journalistisch einzuordnen“, schrieben sie in einem Statement.
Insbesondere die Argumentation mit der Meinungsfreiheit wollten viele nicht gelten lassen. „Die Chefredakteure feiern sich für diese ‚Meinungsfreiheit‘, doch in Wahrheit lassen sie sich vor den Karren verfassungsfeindlicher Absichten spannen“, kommentierte Teresa Stiens für das „Handelsblatt“. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) protestierte „gegen den Freifahrtschein für Musk durch die Redaktionsverantwortlichen der ‚Welt‘“, per Gastbeitrag Wahlwerbung für die AfD machen zu dürfen. Die „Welt“ „lasse sich von Musk kapern“. Der Vorsitzende des DJV, Mika Beuster, rief Redaktionen dazu auf, sich im Bundestagswahlkampf nicht instrumentalisieren zu lassen. Redaktionen sollten „extrem sorgfältig“ mit Gastbeiträgen umgehen. „Deutsche Medien dürfen sich nicht als Sprachrohr von Autokraten und deren Freunden missbrauchen lassen“, teilte Beuster mit.
Die AfD selbst griff das Interview am Sonntag sofort auf. AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel verbreitete selbst auf X Auszüge daraus. Auch die rechtsextreme deutsche Webvideoproduzentin Naomi Seibt, die der AfD nahe steht, nutzte ihre Reichweite, um Musks Wahlwerbung für die Rechtsaußen-Partei zu verbreiten. (mit afp)