Schau im Kölner Museum LudwigVon der Komplexität amerikanischer Nachkriegs-Kunst
- Das Kölner Museum Ludwig zeigt ab sofort eine neue Ausstellung. „Mapping the Collection“ speist sich aus den tiefen Kammern der eigenen Sammlung, mit dezidiert weiblichen und indigenen Perspektiven.
- Lohnt sich ein Besuch der Ausstellung? Wir haben die Schau vorab besucht.
Köln – Wer durch die Nachkriegssammlungen großer westlicher Museen läuft, käme wohl kaum auf den Gedanken, sie würden eine Welt in Aufruhr zeigen. Sicher hatte auch die Pop Art ihre Abgründe und der abstrakte Expressionismus seine düsteren Seiten, aber letztlich stehen sie nicht weniger für den Siegeszug des US-amerikanischen Gesellschaftsmodells als Coca-Cola oder Wassereis in Plastiktüten. Auch in der berühmten Pop-Art-Sammlung des Kölner Museum Ludwig scheint das Schlaraffenland zur Greifen nah – jedenfalls in seiner Ausprägung als Konsumentenparadies.
Was man dabei leicht vergessen kann: Während Andy Warhol Suppendosen zu Kunstwerken veredelte und McDonalds zum Botschafter einer besseren Welt verklärte, kämpften in den USA die Jugend gegen den Vietnamkrieg, die afroamerikanische Gemeinschaft gegen den alltäglichen Rassismus, Frauen um gleiche Rechte und die indigene Bevölkerung darum, überhaupt gehört zu werden. Auch in der Kunst hinterließ das zahlreiche Spuren, die bis heute allerdings selten bis in die heiligen Hallen der Museen führen. Oder wer hat in Europa schon mal Werke von T.C. Cannon oder Senga Nengudi gesehen?
Zwei Jahre lang durfte die von der amerikanischen Terra Foundation bezahlte Gastkuratorin Janice Mitchell die Sammlung des Museum Ludwig auf diesen Widerspruch hin abklopfen und mit Hilfe ausgesuchter Leihgaben eine erweiterte und „komplexere“ Geschichte der amerikanischen Nachkriegskunst erzählen. In ihrer „Mapping the Collection“ genannten Ausstellung werden Werke „weißer“ Kunststars wie Jasper Johns, Robert Indiana oder Roy Lichtenstein durch „farbige“, weibliche oder dezidiert politische Kunst ergänzt, wobei das Ausleihbudget offenbar keine Gegenüberstellung wirklich „ebenbürtiger“ Stücke zuließ. Einige hübsche Nebenwerke von David Hammons, Adrian Piper und Barbara Chase-Riboud konnten organisiert werden oder auch Fotos von Kunstguerilla-Aktionen des in Los Angeles aktiven Asco-Kollektivs.
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Ansonsten speist sich die Ausstellung weitgehend aus den tiefen Kammern der eigenen Sammlung. Es gibt ein Wiedersehen mit Louise Nevelsons Wandrelief „Royal Tide IV“, mit Pirkle Jones’ Aufnahmen der Black-Panther-Bewegung, man sieht, wie sich Ana Mendietas einen Schnurrbart aus echten Männerhaaren „transplantiert“, staunt vielleicht über die politischen Botschaften von Robert „Love“ Indiana und ganz bestimmt über die wunderbaren historischen Fotografien des Yosemite Valley von Charles Leander Weed.
Ein wenig erinnert die Schau an Kasper Königs Ausstellungen als Wunschlisten, und tatsächlich trauerte Ludwig-Direktor Yilmaz Dziewior bei der Pressekonferenz unmissverständlich schon mal einigen Werken hinterher, die das Haus im August wieder verlassen müssen. Größere Erkenntnisse hält die Schau hingegen nicht bereit, schließlich ist es eine Binsenweisheit, dass sich der kunsthistorische Kanon beständig wandelt und jede Generation darin neue, unerklärlich erscheinende Lücken entdeckt.
Am interessantesten ist die Ausstellung dort, wo sie keine Gegengeschichte entwirft, sondern in politischer und scheinbar unpolitischer Kunst das stilistisch Verbindende entdeckt. So sind von T.C. Cannon, einem indigenen Maler, zwei große Ölgemälde als Leihgaben zu sehen, die Westernmythen mit den Mittel der amerikanischen Avantgardekunst karikieren. Auf dem einem Bild grasen müde Pferde unter einem weiß gescheckten Sonnenuntergang (der zu poppig-idyllisch ist, um wahr zu sein), auf dem anderen versetzt Cannon das Massaker am Wounded Knee ins Märchenreich; der Bildtitel „Tale of a Bigfoot Incident in American Vernacular“ ist pure Ironie, sein Bekenntnis zur Maltechnik Robert Rauschenbergs hingegen eine bewusste Aneignung der „weißen“ Kunstmoderne.
Zur Ausstellung
„Mapping the Collection“, Museum Ludwig am Dom, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, 20. Juni bis 23. August
Digitale Eröffnung: Freitag,
19. Juni, 18.30 Uhr, live auf der Instagram-Seite des Museums
Auch die afroamerikanische Objektkünstlerin Senga Nengudi fügt sich stilistisch erstaunlich nahtlos in die Heldensaga der Nachkriegskunst ein. Im Ludwig liegen vier riesige, mit farbigem Wasser gefüllte Vinylschläuche, die verdächtig nach Lutscheis aus der Tüte aussehen, aber wohl nicht als Pop Art gemeint waren. Gleich daneben hat die Kuratorin ein Streifenbild von Morris Louis gehängt, das Nengudis leicht als Vorbild gedient haben könnte. Es wirkt wie eine Triumphgeste: Meine drei Dimensionen sind besser als deine zwei.