Nachdem Luke Mockridge Häme über paralympische Athleten verbreitet hat, will er das alles ganz anders gemeint haben.
BehindertenwitzeLuke Mockridges irreführende Entschuldigung
Mal grob geschätzt: 80 Prozent der Witze, die ich als Jugendlicher auf dem Schulhof erzählt, gehört und geteilt habe, waren rassistisch, sexistisch oder anderweitig diskriminierend. Nun könnte ich anführen, dass meine Schulzeit doch schon einige Jahrzehnte zurückliegt, aber darauf müsste dann zwangsläufig der Satz „Das war eben noch eine ganz andere Zeit“ folgen – und der gehört auf die Müllhalde besonders schlapper Nicht-Entschuldigungen.
Stattdessen zwei mehr oder weniger wissenschaftliche Erklärungsversuche: Mit der Selbstaufwertung durch die Abwertung Schwächerer – das lernt man leider immer noch als Schüler oder Schülerin – lassen sich die eigenen Ohnmachtsgefühle für einen kurzen Moment verdrängen. Und dann wäre da noch die Pubertät. Das Gehirn baut sich um, die Regionen, die für das Verstehen und Mitfühlen anderer Menschen zuständig sind, befinden sich noch in der Entwicklung.
Luke Mockridges schwache Entschuldigung
Aber was ist Luke Mockridges Entschuldigung? Der 35-jährige Comedian hat sich im Podcast „Die Deutschen“ über paralympische Sportlerinnen und Sportler lustig gemacht. Zuerst mit einer vom Stand-up-Comedian Shane Gillis geklauten Routine (worauf zuerst Anja Rützel auf „Spiegel Online“ aufmerksam machte), dann mit eigenen Bemerkungen, die den US-Kollegen in Sachen Widerlichkeit locker überbieten: „Es gibt Menschen ohne Arme und Beine. Die wirft man in ein Becken – und wer als Letzter ertrinkt, der hat gewonnen.“ Wahrscheinlich tut man den Schulhöfen Unrecht, wenn man sie hier zum Vergleich heranzieht. Die öffentliche Empörung hat Mockridge wohl einkalkuliert, so wie vor ein paar Jahren, als er das Publikum des ZDF-Fernsehgartens beleidigte, um Werbung für eine kommende Sat.1-Show zu machen.
Diesmal allerdings schlugen die Wellen der Empörung so hoch, dass sich Sat.1 dazu entschlossen hat, seine für den 12. September geplante neue Luke-Mockridge-Show „Was ist in der Box?“ aus dem Programm zu nehmen. Mockridge versucht sich derweil in Schadensbegrenzung, hat auf Instagram einen Clip hochgeladen, in dem er vor Publikum noch einmal dieselben Shane-Gilles-Witze variiert, diesmal aber behauptet, sie zusammen mit dem kleinwüchsigen Leichtathlet Mathias Mester verfasst zu haben. Mit anderen Worten: Die Empörten und ihr Mitleid sind die wahren Herabwürdiger, Witze über Behinderte dienen der Aufklärung. Inzwischen hat sich Mester übrigens selbst zu Wort gemeldet: „Ich habe nicht mit Luke Mockridge an seinem Programm gearbeitet. Ich habe mit den diskriminierenden Äußerungen in Bezug auf die Paralympics nichts zu tun. Ich finde sie geschmacklos und grenzüberschreitend.“
Das ist Gaslighting. So nennt man den Versuch, bei seinem Opfer die Wahrnehmung der Realität durch das Vortäuschen falscher Tatsachen zu manipulieren. Mockridge hat damit ja Erfahrung, seit er die Vorwürfe übergriffigen Verhaltens gegen ihn von mehreren Frauen in einem „Stern“-Interview folgendermaßen wegerklärte: „Ich komme aus einer Generation, in der das noch Heldenstorys waren, wenn man ‚gestern noch eine geklärt hat‘. Da gab es High-Fives und Schulterklopfen. Aus heutiger Sicht: spätpubertär. Uncool.“ Es war eben eine ganz andere Zeit.
Seitdem kann Mockridge das spätpubertäre Provozieren allerdings erst recht nicht lassen, in seinen Bühnenshows gefällt er sich in der Gratismut-Rolle des Gecancelten, ganz so wie das der amerikanische Comedian Louis C.K. das in seinen Post-Sexskandal-Programmen vorgemacht hat. Mockridge tourt mit seiner aktuellen Show fleißig durch Deutschland und Österreich. Die Hallen sind in der Tat etwas kleiner geworden, aber von Canceln kann keine Rede sein.
Die neue Sat.1-Show sollte eigentlich Mockridges große Rückkehr ins Fernsehen sein. Man kann nur hoffen, dass der Privatsender konsequent an seiner Entscheidung festhält und nicht nur abwartet, bis sich die Wogen wieder geglättet haben.
Wie es jetzt wohl mit Mockridge weitergeht? Vielleicht wie mit dem anderen deutschen Schulhof-Witzler und Nach-unten-Treter Oliver Pocher. Also wie mit jemanden, für den sich die meisten Menschen schämen, der aber immer noch genug moralisch entwicklungsgehemmte Gleichgesinnte um sich versammeln kann, um sehr bequem von seinen glorifizierten Mobbingattacken leben zu können.