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So war der Schwarzwald-„Tatort“Spannender Krimi trotz schlechter Dialoge und Jugend-Klischees

Lesezeit 5 Minuten
Benno (Aniol Kirberg) und Zoe (Caroline Cousin) im „Tatort: Das geheime Leben unserer Kinder“ am Rhein.

Benno (Aniol Kirberg) und Zoe (Caroline Cousin) im „Tatort: Das geheime Leben unserer Kinder“.

Das Generationendrama „Das geheime Leben unserer Kinder“ endet im Thriller-Showdown. So war der „Tatort“ mit Tobler und Berg aus Freiburg.

Der „Tatort“ am Sonntag spielt in Freiburg. In „Das geheime Leben unserer Kinder“ ermitteln die Schwarzwald-Kommissare Tobler und Berg.

Der Fall zum „Tatort“ aus dem Schwarzwald

Benno (Aniol Kirberg) und Zoé (Caroline Cousin) hängen auf Plätzen in Freiburg herum, sind vom Klimawandel geschockt und ziehen sich in einem Bauwagen im Wald vom Uni- und Schulstress zurück – augenscheinlich führen die beiden jungen Erwachsenen ein normales junges Leben. Das denken zumindest ihre Eltern. Benno Schenk und Zoé Wolf sind Stiefgeschwister und stehen sich näher, als es ihre Familie weiß.

Als ihr Freund Chris ermordet aufgefunden wird, wollen nicht nur die Eltern wissen, was wirklich in ihrem Leben vor sich geht. Auch die Polizei beginnt, Fragen zustellen: Der Teil des Lebens von Benno, Zoé und Chris, das die Drei verbergen wollen, ist in die Freiburger Drogenszene verwickelt, ist abhängig von Investitionen in Krypto-Währung und geprägt von geheimen Liebschaften.

„Das geheime Leben unserer Kinder“ zeigt aber auch Erwachsene, die Facetten ihrer Welt versuchen zu verbergen. Vater Paul Wolf (Christian Schmidt) hat eine Affäre und scheint als arbeitsloser Musiker nicht mit seinem Neid auf den wohlhabenden Ex-Mann seiner Freundin umgehen zu können. Mutter Miriam Schenk (Susanne Bormann) führt währenddessen ein ahnungsloses Leben.

Die Kommissare Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) im „Tatort: Das geheime Leben unserer Kinder“.

Die Kommissare Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) im „Tatort: Das geheime Leben unserer Kinder“.

Parallel versucht Ermittlerin Franziska Tobler (Eva Löbau) eine bessere Beziehung zu ihrer Nichte aufzubauen. Die Teenagerin will Influencerin werden, dreht dafür gefährliche Youtube-Videos und läuft von ihren Eltern weg, um bei Tobler unterzukommen. Nicht nur privat, auch im Fall findet die Kommissarin nur schwierig den richtigen Weg, zu den Jugendlichen durchzudringen. Mit ihrem Kollegen Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) sucht sie in der Drogenszene Freiburgs nach dem Mörder von Chris. Die beiden Polizisten glauben, dort hätte sich Chris Geld für eine Afrika-Reise verdienen wollen.

Die Auflösung zum „Tatort“ aus dem Schwarzwald

Benno und Zoé wollten mit Chris nach Neuseeland auswandern, um vor dem Klimawandel sicherer zu sein. Dafür haben sie das Geld auf dubiosen Wegen beschafft und Schulen bei der Drogenmafia angehäuft. Deshalb fliehen sie fliehen vor der Polizei – was den Verdacht der Ermittler und der eigenen Eltern, sie könnten für den Tod von Chris verantwortlich sein, noch bestärkt.

Dummerweise vergisst Zoé ihren Notizzettel mit dem Passwort zum Krypto-Konto in ihrer Wohnung. Ohne es können sie der Mafia kein Geld überweisen. Als Benno den Zettel holen will, wird er von den Drogenbossen als Geisel genommen. Zoé bekommt Angst und wendet sich doch wieder an die Eltern. Sie wollen den Sohn gegen Lösegeld freikaufen. Mutter Miriam Schenk nimmt ihren Ex-Mann, Bennos leiblichen Vater, mit zur Übergabe. Dieser zückt in einem Moment der folgenschweren Selbstüberschätzung eine Pistole – die Berufsgangster sind schneller und schießen als erste zurück. Benno landet mit einer Kugel im Körper im Krankenhaus. Er überlebt knapp. Sein leiblicher Vater dem Anschein nach nicht und so bleibt Chris vermutlich nicht der einzige Tote dieses „Tatorts“.

Zurück zu seinem Mord: Der hatte gar nichts mit der Drogenszene zu tun. Sein Freund, der älter als er und bereits verheiratet ist, wollte Chris nicht ohne ihn nach Neuseeland gehen lassen. Die beiden Liebhaber hatten sich für ein Gespräch an einem Steg am nahegelegenen Rhein verabredet. Es kam zu einer Rangelei und Chris fiel mit dem Kopf auf einen Steg am Wasser. Aus Wut zurückgewiesen worden zu sein, stieß sein Freund ihn dann in den Fluss.

Generationen leben in diesem „Tatort“ aneinander vorbei

In „Das geheime Leben unserer Kinder“ leben Generationen aneinander vorbei. Das Konstrukt aus Lügen, dass die Kinder aufgebaut haben, musste eines Tages auffliegen. Es ist bezeichnend für die Beziehung zu ihren Familien, dass die Polizei und nicht die Eltern ihr Leben hinterfragen.

Benno (Aniol Kirberg) und Zoe (Caroline Cousin) im „Tatort: Das geheime Leben unserer Kinder“.

Benno (Aniol Kirberg) und Zoe (Caroline Cousin) im „Tatort: Das geheime Leben unserer Kinder“.

Diese Parallelwelten kontrastiert Regisseur Kai Wessel mehrfach durch Splitscreens. Auf der einen Seite redet Tante Tobler nichts ahnend mit der Mailbox ihrer Nichte, auf der anderen balanciert diese mit verbundenen Augen auf dem Bogen einer Brücke.

In diesem „Tatort“ wissen nicht nur die Erwachsenen nicht, was ihre Kinder tun. Auch die Filmemacher scheinen weit weg von der Realität junger Menschen zu leben. Mehr Klischees über Jugendliche hätte man in 90 Minuten kaum unterbringen können. Sie fahren ein „motorisiertes Kinderspielzeug“, gemeint sind E-Roller, die sich im echten Leben wahrlich auch bei Erwachsenen großer Beliebtheit erfreuen. Sie wollen Influencer werden, fahren Skateboard, hängen auf Bänken in der Stadt herum, ernähren sich vegan, leben in unaufgeräumten WGs und haben Panik vor dem Klimawandel, die sich in absurdem Verhalten äußert.

Fazit zum „Tatort“ aus dem Schwarzwald

Der Krimi verbindet über die Thematik der Jugendlichen, die mit dem Kopf durch die Wand wollen, das Leben von Familie Schenk/Wolf mit dem der Ermittlerin Tobler. Die „Tatort“-Kommissarin kommt mit ihrem Band-Shirt und schäbig-schicker Single-Wohnung cooler daher, als es ihre Nichte sehen möchte – ein unterhaltsamer Einblick in ihr Privatleben.

Gleichwohl werden die beiden Erzählstränge nicht verbunden. Sie sorgen jedoch für eine durchgehende Spannung. Das Lügenkonstrukt wird immer größer, die Suche nach Chris' Mörder immer schwieriger. Dabei wirken die Dialoge zwischen Verdächtigen und Ermittlern streckenweise nicht gerade ausgearbeitet. Die Schauspielenden machen die schlechte Vorgabe teilweise wett.

Die sich zunächst stetig parallel anhäufenden Lügen in den Erzählsträngen werden schließlich in verschiedene Richtungen aufgelöst, die Welten der Generationen, in den Splitscreens noch so klar getrennt, werden schließlich jeweils verbunden. Während Toblers Nichte zu ihren Eltern zurückzieht, endet der andere Strang im großen Drama: Der finale Showdown mit der Drogenmafia ist in einem radikal anderen Modus dargestellt als der restliche Krimi.

Auf einmal findet die Handlung in Zeitlupe statt, der Regen prasselt auf die Protagonisten ein. Der bürgerliche Mann wittert seinen großen Moment, sich für seinen Sohn bei der Mafia zurechnen. Das Familiendrama wird urplötzlich zum Thriller. Hört allerdings ebenso schnell auch wieder auf, einer zu sein.