So war der „Tatort“ aus WiesbadenDoppelgänger-Märchen ohne Spannung
Wiesbaden – Charlie Chaplin hat es getan, Jack Nicholson hat es getan und zuletzt hat es auch Tom Hardy eindrucksvoll im sonst doch recht zähen Kino-Blockbuster Legend getan. Doppelrollen sind für Schauspieler schon immer eine ganz besondere Herausforderung. Und nun bekamen wir auch in der sonntäglichen Tatort-Abendunterhaltung dieses doppelte Spiel präsentiert. Und wer würde sich dafür besser eignen, als Ulrich Tukur alias Hauptkommissar Felix Murot aus Wiesbaden.
Im Stil von Ericht Kästners „Doppeltem Lottchen“ trifft Murot hier nicht nur auf seinen Doppelgänger, sondern – und auch das kennen wir aus Kästner – entscheidet sich eben auch dafür, zumindest zeitweise die Rolle seines Gegenübers einzunehmen. Naja, wobei „entscheiden“ das falsche Wort dafür ist. Viel mehr entsteht dieses Vorhaben aus einer Schnapslaune heraus. Blöd nur, dass Murots Doppelgänger noch in der gleichen Nacht von einem Auto überfahren wird. Willkommen beim neuesten Tatort-Streich „Die Ferien des Monsieur Murot“.
Der Fall
Felix Murot bekommt endlich seine wohlverdienten Ferien und möchte gerade eine Ansichtskarte an seine Kollegen schicken, als er seinen Augen nicht traut. Irgendwo im beschaulichen Taunus trifft er plötzlich auf einen Mann, der ihm selbst zum Verwechseln ähnlich sieht.
Walter Boenfeld heißt der Mann und auf die Verwunderung folgt eine feucht-fröhliche Partynacht, in der es die beiden mal so richtig krachen lassen und sich kurzerhand dafür entscheiden, die Rolle des jeweils anderen anzunehmen. Als Murot am nächsten Morgen mit dickem Schädel wach wird, trifft er nicht nur auf seine Schein-Ehefrau Monika (Anne Ratte-Polle), sondern erfährt auch, dass Walter auf einer Landstraße vorsätzlich überfahren wurde.
Die Auflösung
Murot entscheidet sich, weiter in seiner Rolle des Walter Boenfeld zu bleiben und zu ermitteln. Weil die Polizisten am Tatort den LKA-Ausweis von Murot gefunden haben, wird der Wiesbadener Kommissar kurzerhand für tot erklärt.
Für „Tatort“-Fans
„Tatorte“ gibt es viele: klassisch, experimentell, spannend oder doch eher langweilig? In unserer Vorschau erfahren Sie immer bereits ab Samstag, wie der kommende „Tatort“ werden wird.
Direkt im Anschluss an jede Sendung am Sonntagabend folgt dann unsere „Tatort“-Kritik.
In seiner neuen Rolle erfährt Murot alias Boenfeld schnell, dass Monika nicht nur unter ihrem Mann litt, sondern ihn auch umgebracht hat. Als sie Murot am nächsten Tag im Haus sah, glaubte sie an einen Alptraum. Der „neue“ Ehemann gefällt ihr danach sichtlich besser, doch es lässt sich am Ende nicht vermeiden, dass Murot die sichtlich verzweifelte Frau ins Gefängnis bringt. Vor allem, nachdem auch Robert Blaske (Moritz Führmann), ein Arbeitskollege von Boenfeld, als Mitwisser ebenfalls sterben musste.
Das Fazit
Regisseur Grzegorz Muskala inszenierte vor sieben Jahren den ganz hervorragenden Die Frau hinter der Wand und zeigte damals schon, dass gut gemachtes Suspense-Kino nicht unbedingt aus Hollywood kommen muss. Jetzt durfte der 42-Jährige also erstmals einen Tatort inszenieren und widmete sich dabei der nicht unbekannten Doppelgänger-Thematik. Mit Tukur bekam er dafür den perfekten Schauspieler für dieses Unterfangen. Und vor allem die Szenen, in denen Murot auf seinen Doppelgänger Walter Boenfeld trifft, sind mitunter die Highlights der 90 Minuten.
Schaut man über die (bei diesem Thema selbstverständlich auftretenden) Logiklöcher einmal hinweg, scheitert „Die Ferien des Monsieur Murot“ vor allem an seiner Länge. Gut genug für vielleicht 45 oder 60 Minuten – doch bei 90 Minuten fragt man sich dann irgendwann schon, wann das denn alles endlich mal zu Ende geht. Die plötzlich auftretenden Gewissensschübe bei Marot dienen letztlich nur dazu, Zeit zu gewinnen. Genauso die Halluzinationen, die dem Kommissar immer wieder erscheinen.
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Der Fall selbst ist eigentlich nach einer Stunde gelöst. Auf einen große Twist wartet man vergebens, einige Fragen was die Nebendarsteller angeht bleiben zudem ungelöst – und auch Konsequenzen scheint es für Murot, der seine Pflichten als Kommissar einfach mal komplett vernachlässigt und dafür sogar ein weiteres Todesopfer in Kauf nimmt, nicht zu geben.
Als Doppelgänger-Märchen weiß der durchgehend gut inszenierte „Die Ferien des Monsieur Murot“ vor allem in der ersten Hälfte zu überzeugen. Als Krimi funktioniert der neueste Wiesbadener Tatort allerdings nur mit großen Abstrichen.