Spielen in der Corona-Krise?Wie die Kölner Theater mit der Öffnung umgehen
- Wie läuft der Neustart an den Kölner Theater-Spielstätten ab? Wer spielt, wer wartet lieber noch ab? Wie werden Sicherheits-Konzepte umgesetzt? Was sind die größten Probleme?
- Wir haben mit den Leitern der Freien Theater in Köln gesprochen.
Köln – Seit gut einer Woche dürfen die Kölner Theater wieder spielen. Für die Bühnen der Freien Szene eine technische wie künstlerische Herausforderung. Es gilt, dem Zuschauer wieder leibhaftige Theatererlebnisse zu bieten und gleichzeitig alle Hygiene-Maßgaben der Corona-Schutzverordnung einzuhalten. Das Kölner Gesundheitsamt ist dafür verantwortlich, die Konzepte der Theater auf Unbedenklichkeit zu prüfen. Für die Spielstätten wird der Juni ein Probelauf für die kommende Saison, die nach den Theaterferien im September beginnen soll. Wir haben nachgefragt, wie der Neustart an den Spielstätten abläuft.
Dietmar Kobboldt, Studiobühne Köln:
Die Studiobühne wird den Spielbetrieb vor der neuen Spielzeit im September nicht wieder aufnehmen. Unsere Stücke sind alle für mehrere Schauspieler konzipiert und zurzeit nicht realisierbar. Das Impulse-Theater-Festival 2020, dessen 30-jähriges Bestehen in diesem Jahr gefeiert wird, musste ebenfalls abgesagt werden. Bis zum 14. Juni werden zumindest drei der zehn Stücke in Online-Formaten unter www.impulsefestival.de zu sehen sein. Auch die Akademie „Zeige Deine Klasse“ übersetzen wir ins Digitale: Die Impulsvorträge zu sozialer Herkunft und freiem Theater finden per Videokonferenz statt. Im September hoffen wir, mit neuen Premieren in die Saison zu starten. Das werden dann auch Inszenierungen sein, die sich formell und inhaltlich mit der Corona-Situation auseinandersetzen.
Heinz Simon Keller, Theater der Keller:
Endlich können wir wieder spielen. Im Gegensatz zu unserer alten Spielstätte, dieser kleinen Schuhschachtel in der Kleingedankstraße, finden wir hier bei der Tanzfaktur in Deutz ideale Raummöglichkeiten. Wir starten mit zwei Premieren, bei denen wir beim Inszenieren auf die aktuelle Situation eingehen können. Bühnenbild sowie Schauspiel und Tanz arbeiten mit den Abstandsregeln, die zurzeit gleichermaßen für die Akteure wie für die Zuschauer gelten. Den Auftakt hat „Das EXXperiment“, ein Tanztheater von Bibiana Jiménez gemacht. Das Thema des Stückes, die Isolation von Künstlerinnen in einer Männergesellschaft, bietet hier viele spannende Möglichkeiten.
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Tom Müller, dessen „Der Zauberer von Oz – there’s no place like home“ am 12. Juni Premiere haben wird, will sich auch künstlerisch mit den neuen Maßgaben auseinandersetzen. Die große Werkshalle bietet perfekte Bedingungen dafür, dass Publikum und Schauspieler die Hygiene-Standards einhalten, ohne Abstriche beim Theater-Erlebnis machen zu müssen. Die Auseinandersetzung mit Anspruch und Wirklichkeit des amerikanischen Traums ist gerade jetzt hochaktuell. Daneben nehmen wir mit „Bilqiss“ und „Terror“ zwei Inszenierungen wieder ins Programm, die ebenfalls ohne künstlerische Einbußen gespielt werden können. Wenn es das Wetter zulässt, verlegen wir „Terror“ am 7. Juni sogar nach draußen, als Open-Air-Event.
Am 4. September starten wir dann mit der Premiere von „Transit“, nach dem Buch von Anna Seghers.
Marko Berger, Orangerie Theater:
Wir planen für Juni und Juli zwei Premieren, um unter echten Bedingungen in der aktuellen Lage zu testen. Das TheaterK von Szabó/F.A.C.E. macht im Juni mit der Visual Performing Arts „HAIRY der maskierte Friseur“ den Anfang. Im Juli folgt vor der Theaterpause dann noch „Fractura“ von Wehr51 unter der Regie von Andrea Bleikamp, die auch für das Konzept verantwortlich zeichnet. Zum Sicherheitskonzept gehört die komplette Zuschauersituation bis in die Fasern jeder einzelnen Inszenierung hinein. Wir beginnen absolut minimalistisch unter Berücksichtigung strengster Auflagen, die man später gerne lockern kann. Die Umsetzung der künstlerischen Konzepte ist derzeit die größere Herausforderung. Gemeinsam mit den Künstlern bilden wir ein starkes Team, das enger zusammen arbeitet denn je.
Natürlich kalkulieren wir bereits, wie dazu eine jeweilige Finanzierung ab Herbst aussehen müsste und hoffen bereits jetzt auf Unterstützung unter anderem durch das Kulturamt. Für alle bisherigen städtischen-, Landes- und Bundeshilfen sind wir bereits sehr dankbar. Wenn man wieder hochfahren will, muss man damit anfangen.
Bernd Schlenkrich, Theater im Bauturm:
Auch wir wollen den Spielbetrieb vor dem Sommer wieder aufnehmen. Aus künstlerischen Gründen haben wir uns jedoch gegen die den Hygieneregeln angepasste Wiederaufnahme von unseren Repertoire-Stücken und für die Entwicklung eines komplett neuen Spielplans entschieden, der auf Themen Bezug nehmen wird, die uns gerade besonders relevant erscheinen.
Daher sind wir derzeit im Probenprozess und werden Mitte Juni mit einer Premiere starten und dann bis in den Juli spielen. Mit dem Regisseur Kieran Joel entwickeln wir „Das Theater und sein Double“, ein Ein-Personen-Stück, das die Situation um die Pandemie aufgreift und die Rolle des Theaters unter diesen besonderen Bedingungen thematisiert. Außerdem werden wir als Gastspiel „Ich werde nicht hassen“ von Izzeldin Abuelaish bringen, ein weiteres Ein-Personen-Stück mit Mohammad-Ali Behboudi, das mit seiner Thematisierung von Verfolgung und Gewalt einen wichtigen Kommentar zur in den Medien „seit Corona“ unterbelichteten Situation von Menschen auf der Flucht bietet. Für unser traditionelles Sommerstück „Sommerloch. Eine Reisewarnung“ sind vier Aufführungen bei unseren Nachbarn auf der Aachener Straße, der Volksbühne am Rudolfplatz geplant. Dort haben wir ausreichend Platz, um unsere Ereiferung gegen den Reisewahn in der gewohnten Besetzung mit Laurenz Leky und René Michaelsen aufzuführen. Der Abend wird die aktuelle Reisesituation natürlich nicht außer Acht lassen.
Guido Rademachers, Freies Werkstatt Theater:
Es ist wichtig, dass Theater, das in der Prioritätenliste der Politiker erschreckend weit hinten liegt, nun wieder eine Rolle spielen kann. Es ist gut, dass wieder Kommunikation im öffentlichen Raum stattfindet, von Angesicht zu Angesicht. Und es macht Lust, wieder dorthin zurückzukehren, wo Bretter die Welt bedeuten, nachdem so lange die digitale Welt tonangebend war.
Dass Sicherheitsabstände im Zuschauerraum und auf der Bühne eingehalten werden müssen, kann lustig, grotesk oder auch traurig sein. Das ist der Kommentar zum „Corona-Menschen“, den das Theater jetzt gibt. Der Blick auf das Bühnengeschehen wird sich ändern. Ein Beispiel: Unser „Werther“ mit seinem geradezu prophetischen Bühnenbild, einem „Schutzvorhang“ zwischen Bühne und Zuschauerraum, liest sich plötzlich als ein vom Virus der Liebe infizierter Modellfall seelischer Isolation. In anderen Stücken wird die Distanz auf der Bühne die Absurdität menschlicher Begegnungen deutlicher machen, in wieder anderen kann die Sehnsucht nach Nähe neu und unerwartet zum Vorschein kommen.
Das FWT hat mit seinem großzügigen Foyer und dem Innenhof alle Möglichkeiten, trotz strenger, mit dem Gesundheitsamt abgesprochener Hygienemaßnahmen einen entspannten Theaterabend zu gewährleisten. Der Zuschauerraum erlaubt es, Schutzmasken abzunehmen.