Starfotograf Peter Lindbergh gestorben„Operierte Frauen sehen alle gleich aus”
- Der Fotograf Peter Lindbergh gehört zu den berühmtesten Fotografen der Welt. Jetzt ist er im Alter von 74 Jahren gestorben.
- Mit diesem im Februar 2017 in Düsseldorf geführten Interview möchten wir noch einmal an den Fotografen erinnern.
Düsseldorf – Herr Lindbergh, Sie haben Ende der 1980er-Jahr den Mythos um die Supermodels begründet – Stars wie Linda Evangelista, Cindy Crawford, Christy Turlington, Tatiana Patitz, Naomi Campbell vor der Kamera versammelt. Was halten Sie vom heutigen Erfolg der Instagram-Models?
Da muss ich weiter ausholen. Instagram ist das allerwahnsinnigste Instrument, das man sich überhaupt nur vorstellen kann. Das wird von Leuten benutzt, hauptsächlich um sich selber darzustellen. Das ist einerseits für die gut, die nichts anderes mitbringen können. Andererseits auch für die perfekt, die etwas mitzuteilen haben. Für viele Menschen an den entlegensten Orten einfach ein sehr guter Kanal. Ich folge einem Mann in Alaska und sehe Bilder, von denen ich noch nicht mal eine Vorstellung hatte, dass es so etwas gibt.
Keine Kritik? Etwa, dass heute für große, vielleicht auch zweifelhafte Modelkarrieren ein Instagram-Account ausreicht?
Ich finde das total okay. Toll für diejenigen, die damit Erfolg haben, warum nicht? Ich schaue doch auf Instagram ohnehin nur das an, was mir gefällt. Der Rest interessiert mich gar nicht. Wenn ich jetzt allen Fashion-Teenies folgen würde, dann wäre mir das einfach zu viel.
Wie vielen Menschen folgen Sie denn?
100, 200, ich weiß es gar nicht so genau.
Und wie viele Follower haben Sie?
Das weiß ich auch nicht genau. Ich weiß nur, dass jeden Tag 1000 neue Follower dazu kommen, ohne dass ich irgendwas dafür tun muss.
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Inwieweit werden denn die Mode und die Modefotografie von Instagram beeinflusst?
Die Entwicklung der Mode wird dadurch natürlich immer schneller. Kollektionen werden sofort bekannt, weil ja alles sofort zu sehen ist. Das macht es für Designer vielleicht schwieriger, aber die Styles, der Mix, das gefällt mir. Für mich, für meine Fotografie, wird es aber nur dann interessant, wenn ich das für mich gebrauchen kann. Es gehört zu den Vorzügen des Älterwerdens, dass man sich ein paar Sachen aussuchen kann.
Sie haben schon vor 30 Jahren Couture mit Jeans gemixt. Es handelte sich um den ersten Titel der US-Vogue unter der Regie von Anna Wintour. Eine Revolution?
Es war schon ein legendäres Foto. Jeans auf dem Titel, ein Tabubruch. Aber Anna hatte den Mut, dieses eigentlich eher zufällig entstandene Foto zu titeln. Gewöhnlich schneidet man beim gewählten Format die untere Seite ab. Mir hat es gut gefallen, zeigte es ihr, und sie entschied sich für die Kombination Straße und Couture.
Ist Anna Wintour demnach kein schlechtes Thema mehr? Sie waren einmal schlimm zerstritten…
Wir waren nicht nur zerstritten, das fühlte sich an wie Scheidung. Aber das hat sich längst geklärt, wir sind gut befreundet und haben eine ganz lange, gemeinsame Geschichte. Anna hat mir damals nur übel genommen, dass ich von der Vogue zur Konkurrenz, zu Harper’s Bazaar, gegangen bin. Da hat sie dann ein bisschen weniger mit mir gesprochen.
Würden Sie sagen, Sie haben ihr Ihren Erfolg zu verdanken?
Ich sage nur, dass auf einen Schlag ein paar Menschen berühmt wurden. Soll ich die Geschichte wirklich noch mal erzählen?
Unbedingt!
Ich bekam einen Auftrag vom Condé Nast-Papst aus New York. Er wollte mich für ein Cover engagieren, aber ich konnte mir das nicht vorstellen. Immer die gleichen Gesichter, alle schrecklich lackiert, Handtäschchen, alles furchtbar. Er war irritiert, als ich das sagte, gab mir den Auftrag aber trotzdem und sagte, ich solle mir die Models aussuchen. Ich suchte mit einer Stylistin die Mädchen, machte das Bild, aber Wintours Vorgängerin wollte es nicht. Besser gesagt, sie ist ausgerastet, das Bild landete in der Schublade. Sechs Monate später kam dann Anna und wählte es in die 100-jährige Jubiläumsausgabe der Vogue als wichtigstes Bild .
Über Nacht waren Sie und Ihre Supermodels weltberühmt. Was ist das Besondere an diesem Bild?
Die Mädchen hatten nur weiße Hemden an. Von den Mädchen wurde damals fast alles weggenommen, was sonst so wichtig war in Modestrecken oder Kampagnen. Kaum Make-up, kein großes Theater. Für mich war es überfällig, die Modefotografie auf die wesentliche Aussage zu konzentrieren.
Hat sich denn das Schönheitsideal seither geändert?
Nein, für mich nicht. Schönheit entscheide ich von Fall zu Fall. Eine Schönheit im klassischen Sinne, mit vollkommen symmetrischen Gesichtszügen, finde ich eher langweilig.
Sind Frauen oder Männer schöner?
Frauen! Ich liebe Frauen! Wenn ich Frau wäre, wäre ich Lesbe, ich könnte mit keinem Mann zusammen sein. Ich finde Frauen so schön.
Waren Sie in Ihre Supermodels verliebt? Hätte Sie nicht wenigstens eine von ihnen heiraten wollen?
Ich war in alle verliebt, für welche hätte ich mich entscheiden sollen? Das war und ist wie eine Familie.
Lindbergh über dünne Models, schöne alternde Gesichter und den Pirelli-Kalender
Heute sind die Models viel dünner. Finden Sie das schön?
Nein. Aber die Entwicklung hängt damit zusammen, dass früher die Mädchen von Fotografen entdeckt wurden, heute von Headhuntern, die sie für Defilees zurichten.
Und wenn Sie bis zur Entstellung operierte Schönheiten sehen, etwa Uma Thurman, finden Sie das gut?
Uma? Die ist wie meine Schwester, ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass die sich nicht hat operieren lassen. Auf den Fotos sieht sie zum Teil schlimm aus, das stimmt. Wenn ich die Ergebnisse von manchen Photoshop-Doktoren sehe, dann kommen mir die Tränen.
Also fotografieren Sie gerne alternde Gesichter?
Natürlich. Die schönsten Gesichter waren für mich Jeanne Moreau und meine Freundin Pina Bausch. Das waren ja eher außergewöhnliche Gesichter und gar nicht im klassischen Sinne schön. Bei vom Jugendwahn befallenen Damen denke ich: Sie tun mir leid. Weil ja auch alle dasselbe machen lassen. Kissen in die Wangen, aufgeblasene Lippen, nach hinten gezogene Augen. Dann sehen alle gleich aus. Manche kriegen das hin, aber das sind die wenigsten. Der Trick ist, mit 25 Jahren musst Du damit anfangen. Meine Supermodels waren da schlauer: Die haben ganz früh begonnen und alle zehn Jahre Kleinigkeiten korrigiert. Ich kenne zum Beispiel einen Schönheitschirurgen in Madrid, der erzählt mir Geschichten… Frauen, die mit 62 zu ihm kommen und ein Foto von einer 18-jährigen Kate Moss dabei haben, und allen Ernstes sagen: So will ich aussehen.
Ihr letztes Großprojekt waren die Shootings für den Pirelli-Kalender 2017. Junge oder alte Stars?
Absolute Super-Frauen! Berühmte Schauspielerinnen, die tollsten die es gibt. Penelope Cruz, Nicole Kidman, Julianne Moore, Uma Thurman, Helen Mirren und noch viele mehr. Ein Traum.