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Kölner Ausstellung „Maskulinitäten“Das beste Stück des Mannes in allen Variationen

Lesezeit 4 Minuten

Manchmal sind Männer auch zärtlich: Szene aus Jonathas De Andrades Video „The Fish“

  1. Unter der Prämisse „Kenne deinen Feind“ können sich Künstlerinnen erst seit wenigen Jahrzehnten an das Mysterium des Mannes wagen.
  2. Im Kölnischen Kunstverein geht es um „Maskulinitäten“ und die Frage, wie man es damit aushält.
  3. Nach Schwänzen, Ruten oder Latten muss man sich lange suchen. Es gibt sie in beinahe jeder Ecke.

Köln – Auf der einen Seite ist zum Thema Männer seit Herbert Grönemeyers gleichnamigem Klagegesang eigentlich alles gesagt. Auf der anderen Seite ist seitdem doch einiges passiert: Angela Merkel, #MeToo, die machtvolle Wiederkehr des Machismo auf der politischen Weltbühne. Dazu kommt ein gewisser Nachholbedarf: Während männliche Künstler das „Rätsel Frau“ seit Jahrhunderten erkunden, können sich Künstlerinnen erst seit wenigen Jahrzehnten an das Mysterium des Mannes wagen – und sei es unter der Prämisse „Kenne deinen Feind“.

In gewisser Hinsicht kommt die große, „Maskulinitäten“ betitelte Männerbeschau im Kölnischen Kunstverein gerade zur rechten, nämlich durch politische Machofiguren wie Trump, Bolsonaro, Salvini oder Putin geprägten Zeit. Da kann man sich als Feministin schon mal bange fragen, wohin (zurück) das alles führen soll, und als Mann kann es ohnehin nur lehrreich sein, seinesgleichen durch die Augen einer Frau zu sehen – oder in den Weinstein-Spiegel zu blicken. Schließlich wurden wir, in den Worten Grönemeyers, „als Kind schon auf Mann geeicht“. Und wer sich über den allgemeinen Schweine-Verdacht erhaben fühlt, sitzt wahrscheinlich auch breitbeinig in den U-Bahn.

Verspielter Start in die Ausstellung

Die Kölner Männlichkeiten beginnen dann allerdings eher verspielt. Am Eingang gibt es feministische Parolen zum Überziehen (ein Jenny-Holzer-T-Shirt kostet 27 Euro), und hinter der Glastür zur großen Ausstellungshalle liegt ein grauer Fußball zum Anstoß bereit. Selbstredend juckt einem da als geeichter Mann das Schussbein, doch Vorsicht, auch Frauen verstehen sich aufs archaische Fallenstellen; Sarah Lucas’ Skulptur besteht aus massivem Beton. Einen Schlag ins Fiese hat auch Lucas’ Selbstporträt mit dicken Eiern: Auf einem Foto sitzt sie mit gespreizten Jeansbeinen da, in ihrem Schritt formen zerknüllte Kölschdosen ein männliches Geschlecht.

Alles zum Thema Angela Merkel

Zur Ausstellung

„Maskulinitäten“ ist eine Kooperation der Kunstvereine in Köln, Bonn und Düsseldorf. Die drei Ausstellungen können jeweils für sich oder als Trilogie betrachtet werden. Beteiligt sind rund 70 Künstlerinnen und Künstler, im November erscheint ein Katalog.

Kölnischer Kunstverein, Hahnenstr. 6, Di.-So. 11-18 Uhr, bis 24. November.

Überhaupt braucht man im Kunstverein nicht lange nach Schwänzen, Ruten oder Latten suchen. Es gibt sie in beinahe jeder Ecke, als hoch aufgeschossenen Kaktus im Pissoir, als Haltegriffe transsexueller Puppen, auf Papier oder aus Plastik und in den allseits beliebten Größen Large und Extra Large. Allzu oft scheinen die im Titel großmütig eingeräumten Maskulinitäten in dieser Ausstellung dann doch auf das eine, den Penis, zusammenzuschrumpeln.

Ungleichheit in den Geschlechterverhältnissen

Andererseits führt vom kleinen körperlichen Unterschied ja tatsächlich ein direkter Weg zur Ungleichheit in den Geschlechterverhältnissen. Und so hat die Penisfixierung der 1918 geborenen Carol Rama eben auch etwas mit der Phallokratie zu tun, in der die oft zensierte italienische Surrealistin lebte.

Ebenfalls schon beinahe klassisch sind die Vergleichsstudien, die Marianne Wex in den 1970er Jahren in Illustrierten und Magazinen betrieb. Sie schaute, wie Männer und Frauen auf den Bildern sitzen, stehen oder liegen und förderte eine gegensätzliche Bildsprache zutage, die heute alles andere als überraschend wirkt (rankende Frauen, standfeste Männer), aber eben sehr schön zeigt, wie das Eichmaß der Geschlechter funktioniert.

Liegt es in der Natur der Sache?

Mittlerweile fällt es Künstlerinnen leichter, sich dem Rätsel Mann auch in Form eines Rollenwechsels anzunähern. So hat Heji Shin männliche Models in Polizeiuniformen gesteckt und in erotischen Posen abgelichtet, während sich Georgia Anderson und Morag Keil (gemeinsam mit zwei Männern) als Heimwerker versuchten und ein Muskeltrainingsgerät mit Massagefunktion sowie Analstöpsel auf der Sitzfläche montierten. Die Muckimaschine sieht solide gefertigt aus; aber ob sich durch Zubehör aus dem Sexshop „patriarchale Geschlechterkonzeptionen destabilisieren“ lassen, wie es die Kuratorinnen erhoffen, sei einmal dahingestellt.

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So richtig viel Neues (oder Interessantes) ist Nikola Dietrich, Leiterin des Kölnischen Kunstvereins, zum Thema Mann nicht ein- und aufgefallen. Oder liegt es in der Natur der Sache? Ist an den Maskulinitäten vielleicht wirklich nicht mehr dran als sein bestes Stück? Dann freilich hätte Trump gewonnen.