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Ausstellung „Mama. Von Maria bis Merkel“Die Mutter hat immer etwas zu sagen

Lesezeit 5 Minuten
Der Sessel „La Mamma“ von Gaetano Pesce, Fotografien von Leigh Ledares und das Bild „Hemmung: Deine Mutter anrufen und auflegen“ von Lara Jordan (oben) sind in der Ausstellung „Mama. Von Maria bis Merkel“ im Museum Kunstpalast zu sehen.

Der Sessel „La Mamma“ von Gaetano Pesce, Fotografien von Leigh Ledares und das Bild „Hemmung: Deine Mutter anrufen und auflegen“ von Lara Jordan (oben) sind in der Ausstellung „Mama. Von Maria bis Merkel“ im Museum Kunstpalast zu sehen. 

Eine umfangreiche Ausstellung im Kunstpalast Düsseldorf kümmert sich um das Bild der Mutter in der Kunst und darüber hinaus.

Zu allen Zeiten war und ist die Mutter ein Thema in Kunst und Kultur, im Alltag ist sie es sowieso. Sie ist omnipräsent, selbst in ihrer Abwesenheit. Jedes Lebewesen hat eine, sie lebt fort in Erinnerungen und Erzählungen, Erwartungen und Vorstellungen, in Ideal- wie in Schreckensbildern. In frühesten Kulturen ist sie Fruchtbarkeitssymbol und Göttin, ist Furie, ist Gottesmutter.

Unter dem Titel „MAMA. Von Maria bis Merkel“ zeigt der Düsseldorfer Kunstpalast einen Parcours mit rund 120 Exponate, die sich dem Thema Mutter widmen. Neben Malerei, Druckgrafik und Skulptur, Fotografie und Video sind auch Objekte der Popkultur, Werbung, Musik sowie zahlreiche Gebrauchsgegenstände Teil der Schau: Milchpumpe und Tripp Trapp Stuhl, ein Plattencover der Nina Hagen Band von 1978: „Unbeschreiblich weiblich“ und der SPIEGEL-Titel mit Angela Merkel als Mutter Teresa (39/2015), ein ausladend gemütlicher Sessel, Model „La Mamma“ von 1969 und ein hölzerner Gebärstuhl aus dem 18./19. Jahrhundert.

Gut die Hälfte der Exponate der Ausstellung stammt aus dem eigenen Haus, diese Fülle war wohl die erste Überraschung, als die Kuratorinnen in die Archive schauten. Das Thema Mutter ist offenbar ein großes, intim und politisch zugleich, privat und öffentlich. Als spätmittelalterliche Madonnenfigur oder Instagram-Post, als riesiges Ölgemälde oder gezeichnete Karikatur, die Mutter hat immer etwas zu sagen.

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Zwischen Bindung und Bevormundung

Die acht Kapitel, in denen sich die Ausstellung mit dem Thema Mutter befasst, machen eines deutlich: das Bild der Mutter hat sich immer wieder gewandelt, hat sich dem Zeitgeist angepasst und doch ist es auch irgendwie dasselbe geblieben. Es gibt Moden und Revolutionen, es gibt Emanzipation und Aufbrüche, und gleichzeitig gibt es immer auch Rückfälle in alte Klischees und Rollenbilder. Traditionell wird Mutterschaft als zentraler Teil weiblicher Identität angesehen, längst aber kümmert sich die Kunst auch um andere weibliche Lebensentwürfe. Dabei sind es zumeist Künstlerinnen, die Muttersein und Kunst zusammendenken, im Blick sowohl auf die eigene Lebenswirklichkeit als auch auf Mutterschaft als gesellschaftliches und politisches Thema.

Heutzutage gibt es zahllose Varianten von Familie, dafür wird lange schon und nach wie vor gekämpft. Schroffe Abwehr und Widerstand gegen diese Vielfalt aber sind ebenfalls immer noch hörbar.

Die „Family“ in Alice Neels Bild besteht aus einer Mutter und ihren drei Töchtern, (1980), Louise Bourgeois’ Aquarell zeigt den mütterlichen Mann mit einem Embryo im Bauch („The Maternal Man“, 2008) und die große Foto-Wand am Ende der Schau umfasst gar alle denkbaren Facetten von Mütterlichkeit und mütterlicher Liebe, in die auch Männer und Tiere einbezogen sind (A.L. Steiner, Puppies & Babies, 2012).

Die Skulptur „Die Steinklopferin“ (1902) von Karl Janssen ist in der Ausstellung „Mama. Von Maria bis Merkel“ im Museum Kunstpalast zu sehen.

Die Skulptur „Die Steinklopferin“ (1902) von Karl Janssen ist in der Ausstellung „Mama. Von Maria bis Merkel“ im Museum Kunstpalast zu sehen.

Hannah Höchs in Rot- und Orangetönen glühendes Bild einer Frau mit Säugling im Arm, „Frau und Saturn“ (1922), zeigt die Frau als Beschützende. Käthe Kollwitz verbindet in ihrer Bronze das christliche Motiv der Mater Dolorosa (der schmerzensreichen Mutter) mit der kriegerischen Realität und ihrem eigenen Schmerz („Mutter mit totem Sohn“, 1938). Egon Schieles Bild von 1910 zeigt eine „Tote Mutter“, Gabriel von Max eine „Kindsmörderin“ (1877). Katharina Bosses große Fotografien wiederum feiern eine schwangere fast nackte Frau mit ihrem kleinen Kind irgendwo in der Natur, („Heide“, 2008). Die Serie parodiert spöttisch eine geläufige Übereinkunft und bis heute gängige Zuschreibung, die die Mutter gerne in der Wald- und Wiesen-Kulisse der Natur zeigt, weil diese die „machtvolle Vorstellung von Mutterschaft als natürliche Aufgabe jeder Frau“ unterstreicht.

In ihrem grandiosen Videofilm „Semiotics of the Kitchen“ (1975) performt Martha Rosler in Anlehnung an die damals sehr populären Kochshows, mit Küchengeräten ein ABC des Hausfrauenalltags. Judith Samen, ebenfalls in Kittelschürze und vor einer ganzen Wand Delfter Kacheln, hat ihr nacktes Baby im Arm während sie mit einem großen Messer einhändig Brot schneidet. („Brotschneiden“, 1997).

Kontinuitäten und Brüche

Das mütterliche Ideal der Hausfrau hatte sich im 19. Jahrhundert zunehmend verfestigt, doch spätestens seit den 1960er Jahren lehnen sich Frauen und eben auch Künstlerinnen dagegen auf, auf ihre Rolle im Haus festgelegt zu sein. Die Balance zwischen Erwerbs- und Carearbeit muss immer wieder aufs Neue ausgehandelt werden. Bis heute.

In der Schau finden sich unter anderem auch ein Orden der NSDAP („Ehrenkreuz der Deutschen Mutter“,1938) sowie ein ganzes Wandregal an Literatur und Mütterratgebern, eine Puppenstube und ein Familienidyll aus feinstem Porzellan; Baby Born und eine schwangere Barbiepuppe, die junge, entspannt-souveräne Queen auf einem Foto mit ihren lachenden Kindern Prinz Charles und Prinzessin Anne (Marcus Adams, Her Majesty The Queen ..., 1954). Jedes Mutterbild transportiert auch eine Botschaft über sich selbst hinaus.

Selbst in einem winzigen Bild wie in dem nur 9 x 5,4 cm großen Albuminabzug von 1866, kann ein großes Thema eindrücklich verhandelt werden. Auf dem Bild „Remedio D’ Avalos und seine versteckte Amme“, Mexico 15. August 1866, von Adrien Cordiglia (ca. 1830- 1900) sieht man den kleinen Knaben Remedio. Seine ihn in Positur haltende namenlose Amme sieht man indes kaum. Die Ersatzmutter soll möglichst unsichtbar bleiben, sie sorgt dafür, dass das Kind prominent im Mittelpunkt steht. Auch das ist eine Mutterrolle.

Am Ende der Stadtautobahn ermahnt MAMA von einem großen Plakat daran: „Fahr bitte vorsichtig!“. Verstreut im Düsseldorfer Stadtraum finden sich andere großflächig plakatierte Kommentare und Aussprüche, Redensarten und Maxime. Hab Dich lieb, Mama.


MAMA. Von Maria bis Merkel, Düsseldorf Kunstpalast, bis 3. August, Di-So 11-18, Do 11-21

www.kunstpalast.de