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Starökonom rechnet ab und fordert„Schenkt allen 25-Jährigen 120.000 Euro“

Lesezeit 5 Minuten

Der französische Starökonom Thomas Piketty

  1. Der französische Star-Ökonom Thomas Piketty rechnet in seinem neuen Buch „Kapital und Ideologie“ scharf mit den Reichen und Superreichen ab.
  2. Unter anderem fordert er angesichts der massiv wachsenden finanziellen Ungleichheit bis zu 90 Prozent Vermögensteuer pro Jahr für Milliardäre.
  3. „Wir sind lange ohne Menschen ausgekommen, die 100 Milliarden Euro besitzen“, sagt er.
  4. Außerdem sollten, so Piketty, alle 25-Jährigen mit 120.000 Euro beschenkt werden.

Die Zukunft ist bereits da, ob sie uns gefällt oder nicht. Und einiges dürfte nun vorgezogen werden, was man sonst gerne auf die lange Bank geschoben hätte. Insofern kommt das Buch von Thomas Piketty „Kapital und Ideologie“ (C. H. Beck) gerade zum richtigen Zeitpunkt. Und dazu zählt eine Verringerung der massiven Ungleichheit, die sich in den letzten vier Jahrzehnten in fast allen Ländern der Welt gravierend ausgewachsen hat.

Piketty wirbt dafür, dass jeder und jedem 25-Jährigen 120 000 Euro vom Staat geschenkt werden. „Die unteren 50 Prozent haben quasi kein Eigentum. Die erben auch nichts, vielleicht ein paar Euro, aber eben nicht substanziell. Bekommen sie Zugang zu Privateigentum, verändert das die Machtverhältnisse. Mit ein bisschen Geld können sie eine Firma gründen. Eine Wohnung kaufen. Ihr Gehalt selbstbewusster verhandeln, überhaupt besser aussuchen, welchen Job sie haben wollen“, schreibt er. 120 000 Euro, das entspreche 60 Prozent des durchschnittlichen Vermögens in Frankreich. „Aber mir geht es nicht um diese konkrete Zahl“, erklärt er. „Ich will ein Modell für partizipativen Sozialismus entwickeln. Dieses »Erbe für alle« ist darin eine Komponente.“

Wie massiv die Ungleichheiten auf dieser Erde gewachsen sind, verdeutlich ein Rechenbeispiel von Oxfam. Wenn jemand 8000 Euro am Tag gespart hätte und das seit dem Sturm auf die Bastille in Paris am 14. Juli 1789, besäße sie heute etwa ein Prozent des Vermögens von Bernard Arnault, dem Mehrheitseigner des französischen Luxuskonzerns LVMH, einem der reichsten Männer der Welt.

Das Beispiel zeigt: Eine gute Ausbildung, Fleiß und eine sparsame Lebensführung garantieren nicht den Zugang zu Besitz und Eigentum. Die alte Erzählung ist zu Ende, die meisten Ökonomen glauben ihr ohnedies nicht mehr. Wer tüchtig unternimmt, gründet und sein Kapital frei bewegen kann, schafft Reichtum. Mit Ronald Reagan und Margeret Thatcher begann eine neue Ära des Kapitalismus, durch die diese Ungleichheiten massiv hervorgerufen wurden.

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Piketty fordert bis zu 90 Prozent Vermögensteuer pro Jahr für Milliardäre. „Wir sind lange ohne Menschen ausgekommen, die 100 Milliarden Euro besitzen“, erklärt Piketty. Die Produktivität, vor allem in den USA, ist 1950 bis 1990 sei stärker gewachsen, also in der Zeit, bevor es so viele Milliardäre gegeben haben. US-Präsident Ronald Reagan und seine Wirtschaftspolitik, die „Reaganomics“, vertraten die Idee: Mehr Ungleichheit bringt mehr Wachstum. „Aber so ist es nicht gekommen“, wendet Piketty ein. „Zwischen 1990 und 2020 ist das Nationaleinkommen in den USA pro Kopf um 1,1 Prozent gestiegen, zwischen 1950 und 1990 lag der Wert doppelt so hoch. Wachstum kommt nicht daher, dass wir Milliardäre vergöttern. Wirtschaftlicher Wohlstand beruht stattdessen auf Bildung und einem gewissen Maß an Gleichheit. Es ist schön, Unternehmer und Innovatoren zu haben, aber wenn sie keine Auswirkungen auf die Produktivität haben, bringen sie uns nicht wirklich etwas.“

In Deutschland gibt es etwa 200 Milliardenvermögen, schätzen die Wirtschaftsmagazine Bilanz und Manager Magazin, die unabhängig voneinander Firmenwerte, Aktienanteile, Immobilien und Kunstwerte taxieren. Geht es nach Thomas Piketty, gäbe es in Deutschland bald viel weniger Milliardäre. Oder gar keine mehr. „Hier geht es um eine sehr kleine Gruppe von Leuten. Die Wirtschaft funktioniert auch ohne Milliardäre.“ Er erklärt: Von 1932 bis 1980 lag der Spitzensteuersatz für Einkommen in den USA im Durchschnitt bei 81 Prozent und für Erbschaften bei 75 Prozent. Hat das den Kapitalismus in den USA zerstört? Offensichtlich nicht, sogar im Gegenteil: Das Wachstum war höher als nach 1980.

Das buch

Thomas Piketty, geboren 1967, lehrt an einer der angesehensten Forschungseinrichtungen Frankreichs, an der „Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales“. Sein mehr als 800 Seiten umfassendes Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ wurde ein Weltbestseller.

Sein neues Buch: „Kapital und Ideologie“ ist im Verlag C.H. Beck erschienen, 1312 S., mit 158 Grafiken und 11 Tabellen, 39,95 Euro.

Pikettys Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ war ein Welterfolg. Es hat sich weltweit mehr als zwei Millionen Mal verkauft. Darin vertritt er die These, dass der Ertrag aus Kapital, als r bezeichnet, regelmäßig größer ist als das allgemeine Wachstum, als g bezeichnet, und er fasste das in die Formel r > g. Übersetzt hieß das: Wenn der Staat – oder die Geschichte – nicht für einen Ausgleich sorgt, werden die Reichen einfach immer reicher. Sein neues Buch „Kapital und Ideologie“ ist vor kurzem erschienen. In ihm begibt man sich auf eine Art Streifzug durch die Länder und ihre Geschichte, vor allem die Geschichte der Ungleichheiten. Viele Daten hätten seinem großen Erstling noch nicht vorgelegen. Das aber sei nun anders, erklärt er. Und so kann der Leser die Entwicklungen in Indien genauso verfolgen wie die in Deutschland. Piketty zeigt sich besonders von der Idee und Umsetzung der betrieblichen Mitbestimmung hierzulande äußerst angetan.

Es ist 1300 Seiten stark. In dem Buch analysiert er Ungleichheitsregime, also Institutionen und juristische Regeln, die Ungleichheit rechtfertigen, in Europa, Indien, Brasilien, China, Südafrika, beginnend mit der Zeit der Kolonisierung, also vom 16. Jahrhundert an bis heute. Ein großes Projekt, das erfordert Platz. Der Leser sollte Zeit haben, im Grunde so wie im Augenblick. „Wenn man dem Kapital keine Grenzen setzt, aber keine europaweite Exekutive, keine Steuergesetze, kein Haushaltsrecht für das Europäische Parlament schafft, dann erleben die Leute Europa als ungerecht.“ Die Rechten würden immer deutlicher in ihrer Politik der Diskriminierung - da müsste die Linke dagegenhalten mit einer wagemutigeren Umverteilung. „Man muss den Bürgerinnen und Bürgern etwas anbieten!“

Auch die Grünen werden von ihm kritisiert. „Sie geben sich damit zufrieden, bei reichen und hochgebildeten Wählern zu punkten. Sie sind nicht ambitioniert, Vermögen umzuverteilen. Die Grünen könnten sich nicht entscheiden, ob sie mit Linken oder Konservativen regieren wollen. Wenn wir wirklichen Klimaschutz haben wollen, wird das nur durch einen großen Abbau sozialer Ungleichheit klappen.“

Piketty scheut auch vor einem Weltparlament nicht zurück. Das könnte für Klima- und Gerechtigkeitsfragen zuständig sein, die nationalen Parlamente darunter für regionale Angelegenheiten.