Stefko Hanushevsky im Interview„Köln ist meine Familie geworden“
- Stefko Hanushevsky ist ein Schauspieler aus Österreich. Am Freitag spielt er im Schauspiel Köln die letzte Premiere vor dem Lockdown.
- Dabei wird er ganz allein auf der Bühne des Depot 1 stehen. Wenige Tage später schließen die Bühnen Köln ihren Vorstellungsbetrieb.
- Im Interview spricht Hanushevsky über die Premiere, Charlie Chaplin und die Stadt Köln.
Herr Hanushevsky, am Freitag spielen Sie im Schauspiel Köln die letzte Premiere vor dem Lockdown. Wie fühlt sich das an?Vor dem ersten Lockdown im März war „Verhaftung in Granada“ meine letzte Premiere, danach haben wir nur noch zwei Vorstellungen gespielt. Das Gefühl, nach einer Premiere gleich aufhören zu müssen, ist mir also sehr schmerzlich vertraut. Gerade weil ich diese Arbeit sehr mochte und die auch sehr gut ankam, war es umso schlimmer, einfach so abrasiert zu werden. Dass es uns jetzt wieder trifft, ist schon sehr bitter.
Sie werden ganz allein auf der Bühne des Depot 1 stehen. „Stefko Hanushevsky erzählt: Der große Diktator“ gehört zu einer losen Reihe des Regisseurs Rafael Sanchez und des Autors Petschinka, bei der ein Schauspieler sein Leben mit einem bekannten Film vermengt. Wie sind Sie auf „Der große Diktator“ gekommen?
Petschinka und ich hatten schon vor Jahren überlegt, dass es schön wäre, so eine Arbeit auch mit mir zu machen. Rafael Sanchez war auch gleich mit an Bord. Bei der Suche nach dem richtigen Film, der den Überbau liefern könnte, gab es ein paar Irrwege. Als wir dann wieder zusammensaßen, lautete der erste Satz: Eines steht fest, wir machen definitiv nichts mit Nazis.
Und warum kam es anders?
Ich habe einfach ganz viel aus meinem Leben erzählt. Unter anderem, dass ich als Reiseleiter gearbeitet habe. Ich habe Wochentouren mit amerikanischen Touristen gemacht, das war im Rahmen der Oberammergauer Passionsspiele. Die gucken sich 500.000 Leute an und das sind zu zwei Dritteln Kanadier und Amerikaner. Diese Touren waren ein großer Pool für Anekdoten. Viele Amerikaner sind sehr geprägt von diesem Klischeebild von Deutschland und Österreich. Da hat man einerseits „The Sound of Music“ ...
.. selbst da kommen am Ende ja die Nazis ...
.. genau, und dann gibt es natürlich noch diese ganzen anderen Filme, ich glaube der Fachausdruck heißt Naziploitation, jedenfalls waren die amerikanischen Touristen wahnsinnig an diesen Nazisachen interessiert. Das führte unter anderem dazu, dass die sich vor das Reichstagsgelände gestellt und dort die Hand zum Hitlergruß gehoben haben. Die haben sich nichts dabei gedacht. Die Tourismusindustrie bedient dieses Interesse auch, der Karren wird geritten. So kam der Brückenschlag zu „Der große Diktator“.
Zur Person
Stefko Hanushevsky ist 1980 im oberösterreichischen Linz geboren, studierte in Berlin Schauspiel und war anschließend in Frankfurt und Dresden engagiert. 2013 wechselte er ans Schauspiel Köln.
„Stefko Hanushevsky erzählt: Der große Diktator“ feiert am 30. Oktober im Depot 1 Premiere. Es bleibt vorerst bei einer Vorstellung. Vom 2. bis einschließlich 30. November schließen die Bühnen Köln ihren Vorstellungsbetrieb.
Was reizt Sie an Chaplin?
Ich bin in Österreich auf dem Land aufgewachsen und habe wahnsinnig viele Filme geguckt. Das war mein Fenster zur Welt. Die amerikanische Filmkultur und das ganze Leben dort haben mich fasziniert. Und Chaplin hat dabei eine große Rolle gespielt, Filme wie „Modern Times“ oder „Goldrush“. Da gab es Sachen, die ich als Kind noch gar nicht richtig verstanden hatte, aber ich fand es wahnsinnig lustig.
Wo fällt denn das Biografische mit der Fiktion zusammen?
Es gibt einen Kunstgriff, der mir eine Friseurlehre andichtet. Die deckt sich schön mit dem Film, man kann darüber viel über dieses Landleben erzählen. Und es gibt noch eine andere Parallele: So wie es in „Der große Diktator“ zwei Seiten einer Figur gibt...
.. Chaplins Doppelrolle als Diktator Hynkel und als jüdischer Friseur ...
.. gibt es in jedem Leben Punkte, an denen man sich entscheiden muss: Wie steht, wie verhält man sich zu etwas? Vielleicht machen einen diese Entscheidungen zum Friseur oder zum Großen Diktator. Vielleicht ist die Frage, sehr vereinfacht, was macht man mit seinem Talent? Wird man Chaplin, oder Hitler?
Gibt es im Rückblick Lebensentscheidungen, die sie heute bedauern?
Auf jeden Fall. Zum Beispiel meine Zeit im österreichischen Bundesheer. Das war eine skurrile Erfahrung und auch nicht immer schön. Viele Sachen sind überhaupt erst durch das aktive Erinnern wieder hochgekommen. Es gibt eine Reise nach New York, wo ein Onkel von mir lebte, der sehr wichtig für mich war.
Wie alt waren Sie, als sie nach Amerika gegangen sind?
Das war zwischen meinem ersten und zweiten Theater-Engagement 2009, zwischen Frankfurt und Dresden. Ich war in den USA eigentlich nur auf Urlaub, dann hieß es plötzlich komm, wir können dir ein Casting besorgen, und mein Onkel hat sich da wahnsinnig ins Zeug gelegt. Aber ich dachte, Moment, ich muss doch eigentlich nach Dresden umziehen. Ich kann jetzt nicht alle Zelte abbrechen und in New York bleiben. Oder soll ich das doch? Ich bin nach Dresden gegangen, und das war die richtige Entscheidung.
Sie haben ja sogar die amerikanische Staatsbürgerschaft.
Ja, weil mein Vater gebürtiger Amerikaner ist. Meine Großeltern sind aus der Ukraine nach Amerika emigriert, dort ist mein Vater geboren. Der ist dann nach Österreich gegangen und hat da meine Mutter kennengelernt.
In Frankfurt und Dresden waren Sie je vier Jahre, in Köln spielen Sie schon seit 2013. Vergeht die Zeit schneller, oder ist es hier so schön?
Ein bisschen was von beidem. Ich habe hier meine Frau und zwei Kinder. Auch mein Bruder lebt hier. Köln ist also meine Familie geworden.
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Haben Sie sich über die Jahre als Schauspieler verändert?
Mein Selbstvertrauen ist größer geworden. Damit meine ich das Vertrauen, in das, was man mitbringt, was man kann. Damit geht eine positive Form von Entspannung einher. Früher war ich noch viel komödiantischer unterwegs, da habe ich in jeder Figur, in jeder Szene den Witz gesucht. Inzwischen geht es auch mal ohne. Außerdem habe ich in Köln angefangen, mehr zu drehen und als Sprecher zu arbeiten, für den Hörfunk, oder bei Lesungen. Intensiver mit der Stimme und mit Texten zu arbeiten, das macht mir sehr viel Spaß.
Komik kann eine Krücke sein.
Und gleichzeitig, in ihrer höchsten Stufe, wie sagt man, „truth and pain“. Wenn man es schafft, die Komik, die man bedienen kann, mit einem Kern von Wahrheit und Schmerz zu verbinden, dann wird es vielleicht wirklich groß.
Was uns wieder zum „Großen Diktator“ bringt.
Genau. Es gibt ja ganz unterschiedliche Ansichten über diese Schlussrede. Aber ich fand das immer groß, sich das zu trauen, die Komik, die Abgründe und das ernste Anliegen so nebeneinander zu stellen. Und der Film hat nichts von seiner Wirkung verloren. Ich schaue immer mal wieder Clips vom „Großen Diktator“ mit meinem Sohn, der ist jetzt sieben, und der schmeißt sich dabei weg vor Lachen.