KommentarWarum unsere Kinder nicht mehr „Drei Chinesen“ singen sollten
Hannover – Als der Musikwissenschaftler Nepomuk Riva vergangenen September in der „Hannoverschen Allgemeinen“ die Ansicht äußert, dass es sich bei dem Kinderlied „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ um ein rassistisches Werk handelt, das man nicht mehr singen sollte, liefen die Leser Sturm.
Den Tenor der Wortmeldungen kann man sich denken: abstruse Thesen, PC-Polizei, Cancel Culture. Und vielleicht denken Sie ja ganz genauso.
Doch Riva hat Recht und das kann jeder für sich sehr einfach beweisen: Verabreden Sie sich mit einem „asiatisch“ markierten Menschen aus Ihrem Bekanntenkreis. Singen Sie ihm das bewusste Lied vor, mit wechselnden Vokalen. Fragen Sie Ihre(n) Bekannte(n), wie er oder sie sich fühlt. Oder, wie sich als Kindergartenkind gefühlt hat, wenn das Lied gesungen wurde.
Bin ich Rassist?
Der Grund für die Entrüstung, die einsetzt, kaum dass jemand vorschlägt, bestimmte Inhalte, die man selbst als Kind positiv erlebt hat, nicht weiter fortzusetzen – man denke nur an die aufgeregte Diskussion den König mit dem N-Wort aus „Pippi in Taka-Tuka-Land“ –, ist ein geistiger Kurzschluss: Demzufolge bezeichnet das Wort „Rassismus“ das absolut Böse, von dem es sich eiligst zu distanzieren gilt. Selbst Nazis wollen ja heutzutage keine Nazis mehr sein.
Apropos Nazis: Neben dem Kontrabass saßen ursprünglich Japaner. Die wurden erst mit Chinesen ausgetauscht, als Hitler-Deutschland und Italien 1940 den Dreimächtepakt mit dem Japanischen Kaiserreich schlossen. Mit anderen Worten: Sogar die Nazis wussten um die abwertende Bedeutung des Liedes.
Die farbenblinde Mehrheit
Aber in der aktuellen Diskussion geht es ja gar nicht darum, irgendjemanden als Rassist zu brandmarken. Sondern um sogenannte Alltagsrassismen. Um die kleinen und größeren Demütigungen, die man als „farbenblinder“ Angehörige(r) der weißen Mehrheit nicht wahrnimmt. Oder zumindest lange nicht wahrgenommen hat.
Da hat man also selbst wärmste Erinnerungen an ein Lied – war doch immer lustig und nie bös gemeint – und nun kommt jemand daher, beschwert im Nachhinein die unbeschwerte Kindheit und stempelt einen zum Rassisten! Natürlich laufen die Leute Sturm.
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Dabei zeigt niemand mit dem Finger auf die Vergangenheit. Es geht ums Hier und Jetzt. Darum, dass Lieder wie die „Drei Chinesen“ noch immer in Kinderliederbüchern abgedruckt werden, in Kita und Grundschule gesungen werden.
Wider, das muss man schon sagen, besseren Wissens. Überholte Weltbilder, die längst als rassistisch erkannt sind, aus nostalgischen Gründen oder falsch verstandener Liberalität weiterzugeben, darin liegt dann schon eine gewisse Bösartigkeit.