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Streit um Sammlung von Heinz MackKunstfälschungs-Skandal oder bloße Naivität?

Lesezeit 5 Minuten
  1. Vor 35 Jahren brannte es im Atelierhaus des Zero-Künstlers Heinz Mack in Mönchengladbach.
  2. Das Feuer zog auch die private Sammlung Macks in Mitleidenschaft.
  3. Heinz Mack hat die beschädigten Werke „teilweise restauriert“, wie sein Anwalt sagt. Aber was heißt das genau? Und vor allem: Wer wusste davon, als Mack restaurierte Werke auf dem Kunstmarkt anbot. Der Versuch einer Rekonstruktion.

Köln – Im Herbst 1984 erschütterte eine Meldung die deutsche Kunstwelt. Das Mönchengladbacher Atelierhaus von Heinz Mack war bei einem Brand weitgehend zerstört worden und mit ihm zahlreiche Werke des bekannten Zero-Künstlers. Weniger bekannt wurde, dass auch die private Sammlung Macks mit Werken befreundeter Künstler wie Yves Klein, Lucio Fontana oder Arman betroffen war.

Jetzt sagen mehrere prominente Kunstexperten, Mack habe einige beim Brand beschädigte Werke eigenhändig und ohne Wissen oder Zustimmung der Schöpfer restauriert und als Originale in den Kunsthandel gebracht.

Auf Anfrage dieser Zeitung lässt Heinz Mack die erhobenen Behauptungen durch seinen Anwalt zurückweisen. Zwar habe es im Hause Macks tatsächlich einen Brand gegeben, bei dem „einige Werke von befreundeten Künstlern in Mitleidenschaft gezogen und beschädigt“ worden seien. Doch seien diese Beschädigungen nur „leicht“ gewesen.

„Unser Mandant hat dann unter Heranziehung und mit Kenntnis und fachlicher Begleitung von zwei anerkannten Restauratoren einige leicht beschädigte Kunstwerke mit seinem ganzen künstlerischen Können teilweise restauriert.“ Der Händler, der die Sammlung seinerzeit gekauft habe, habe von den Restaurierungen gewusst.

Korruption ein Kavaliersdelikt auf dem Kunstmarkt?

Dieser ehemalige Kunsthändler heißt Helge Achenbach, der selbst wegen Betrugs verurteilt wurde. In seiner kürzlich veröffentlichten Autobiografie „Selbstzerstörung“ (Riva Verlag) schreibt er, dass beispielsweise Korruption auf dem Kunstmarkt oft als Kavaliersdelikt gelte.

In einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte er außerdem den Fall eines Künstlers erwähnt, der ihm, so Achenbach wörtlich, eine angeblich „gefälschte“ Sammlung verkauft habe. Achenbach hatte betont, es gehe ihm „lediglich um ein weiteres Beispiel, das die Eitelkeit und die Verrohung des Kunstmarkts zeigt, nicht um Namen“. In der Szene sei der Fall seit Jahrzehnten bekannt.

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Helge Achenbach, ehemaliger Kunstberater, im Kaarster Kunsthof

Ende der 80er Jahre habe der Künstler ihn angerufen und gefragt, ob er kurzfristig Interesse an seiner Sammlung habe, erinnerte sich Achenbach. „Er sagte, er brauche Geld für seine Finca am Mittelmeer.“ Noch am gleichen Tag habe der Mann ihm seine eindrucksvolle Privatsammlung gezeigt.

„Er verlangte 2,5 Millionen Mark, den Preis fand ich fair, eher preiswert“, so Achenbach. Kurze Zeit später habe er die Sammlung gekauft, von einem Spediteur abholen und in seinem Zentrallager aufstellen lassen. Irgendwann habe sein Lagermeister ihn angerufen und gebeten, kurzfristig zu kommen.

Mit der Sammlung stimme womöglich etwas nicht, einige der Werke würden nach frischer Farbe riechen. Postwendend habe er bei Otto Hubacek angerufen, einen schon damals renommierten Restaurator, und um seine Expertise gebeten, erinnert sich Achenbach.

Dieser sei fassungslos gewesen. Die Werke seien neu aufgebaut worden, einige von ihnen erst vor wenigen Wochen.

Otto Hubacek, ehemaliger Chefrestaurator der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf, bestätigt den Fall gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Er habe seinerzeit auf Bitten Achenbachs die Werke aus der Sammlung Mack in Augenschein genommen. Dabei habe er festgestellt, dass diese neu aufgebaut oder retuschiert worden waren.

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Hubacek spricht von „offensichtlichen Übermalungen“. „Ich würde nicht von Betrug oder Fälschungen sprechen“, sagt Hubacek. „Heinz Mack hat damals offenbar versucht, die beschädigten Werke aus seinem künstlerischen Selbstverständnis heraus zu rekonstruieren. Das war sicherlich naiv und aus Sicht der Materialethik nicht in Ordnung. Aber die Grundsubstanz der Werke war noch vorhanden und Mack offenbar davon überzeugt, dass er die Arbeiten im Sinne seiner Künstlerfreunde wieder herstellen könne.“

Achenbach soll nicht der einzige Händler gewesen sein, dem Heinz Mack seine restaurierten Werke anbot. So berichtet Rudolf Zwirner, Mitbegründer der Kunstmesse Art Cologne, dass er in den 80er Jahren eine „Geige“ des französischen Künstlers Arman aus der Sammlung Macks bei einer Düsseldorfer Galerie erworben habe.

Als er das Objekt auf der Pariser Kunstmesse Fiac anbieten wollte, habe es Arman, so Zwirner, noch vor der Eröffnung als nicht original enttarnt.„Ich wollte Mack damals anzeigen“, so Zwirner, „aber Arman bat mich, es nicht zu tun.“

Zwirner: „Eine Katastrophe, was Mack getan hat“

Stattdessen habe Arman seinem Freund Mack ein anderes Werk als Ersatz für die beim Brand zerstörte „Geige“ geschenkt. Zwirner wiederum gab die „Geige“ an die Galerie zurück und ließ sich den Kaufpreis erstatten. Heute sagt Zwirner zu den Vorgängen: „Es ist eine Katastrophe, was Mack getan hat.“

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Rudolf Zwirner, Mitbegründer der Art Cologne 

Auch hier widerspricht Macks Anwalt: Die „Episode“ mit dem Künstler Arman sei „frei erfunden“. Arman habe Mack Monate nach dem Brand angerufen und „dabei ausgeführt, dass sich das Ganze in Paris auf der Messe als Irrtum beziehungsweise als ein Missverständnis herausgestellt“ habe.

Möglicherweise lässt sich der Fall nie ganz aufklären. Der Künstler Arman ist tot, auch eine Händlerin, die laut Aussage verschiedener Galeristen neu aufgebaute Werke aus der Mack-Sammlung verkauft haben soll, lebt nicht mehr.

Ein ehemaliger Mitarbeiter Achenbachs erinnert sich zwar, möchte aber nicht zitiert werden und „nichts mehr mit der Sache zu tun haben“.Macks Anwalt unterstellt Helge Achenbach, „in Hinblick auf seine Buchveröffentlichung ein vornehmlich wirtschaftliches Interesse“ zu haben, „die damaligen Geschehnisse in einer die Wahrheit völlig verzerrenden Weise wieder zu Tage zu fördern“.

Bei der Frage, ob Mack die Restaurierung ohne Wissen oder Zustimmung der betroffenen Künstler vorgenommen habe, verweist der Anwalt auf die lange verstrichene Zeit.

Wie viele von Mack restaurierte Werke kamen in den Handel? Und wie viele könnten bis heute noch darin kursieren? Der Anwalt schreibt, Mack habe alle von Helge Achenbach zurückgenommenen Arbeiten zerstört, dies sei auch fotografisch dokumentiert.

Auf die Bitte nach Belegen verweist er darauf, dass der Fall mehr als 30 Jahre zurückliege. Ob über den behaupteten und von Mack bestrittenen Vorfall in Paris hinaus weitere „mit seinem ganzen künstlerischen Können teilweise restaurierte“ Werke in den Markt gelangten, weiß womöglich nur der Künstler selbst.