Der Kölner Moderator Thorsten Schorn folgt bei der ARD auf Peter Urban. Im Interview und Podcast spricht er über seine neue Aufgabe.
„Toller Radio-Hit“ESC-Kommentator Thorsten Schorn sieht Chance für Deutschlands Beitrag
Herr Schorn, Sie werden in diesem Jahr als Nachfolger von Peter Urban den ESC fürs Erste kommentieren. An Ihrem Geburtstag Anfang April haben Sie die Zusage erhalten. Was ging Ihnen da durch den Kopf?
Was für ein schönes Geschenk, auch wenn das mit dem Geburtstag nur zufälligerweise zusammen fiel. Der NDR und ich hatten uns schon früh das gegenseitige Gefühl gegeben, dass wir uns das miteinander vorstellen können. Auch wenn ich eigentlich seit meiner Kindheit wusste, dass dieser Anruf eines Tages kommen wird. (lacht) Ich habe mich sehr gefreut, weil ich eine große Liebe zu dieser Veranstaltung habe.
Sie haben gesagt, Sie verspüren keinen Druck. Das kann ich kaum glauben.
Ich bin ja nicht der deutsche Beitrag im Wettbewerb. Ich bin nicht Isaak, dessen drei Minuten auf der Bühne sitzen müssen. Davon ist abhängig, wo Deutschland am Ende landen wird. Ich dagegen darf die Veranstaltung über ein paar Stunden begleiten, wenn ich mal stolpere, dann ist das alles halb so wild. Es geht nicht um mich, es geht um die Show.
Aber Sie müssen über Stunden präsent sein und Millionen Menschen werden Ihnen zuhören.
Und das ist doch wunderbar. Ich freue mich, das Ganze unterhaltsam begleiten zu dürfen. Eine Freundin hat es als nationale Aufgabe bezeichnet. Das fand ich ganz süß, wenn auch ein bisschen übertrieben. Ich sehe mich in diesem Schauspiel eher in einer Nebenrolle, ich stehe nicht im Mittelpunkt.
Sie wollen die Leute an die Hand nehmen. Was muss man sich darunter vorstellen?
Das ist vielleicht ähnlich wie bei einem Reiseleiter. Da ist einer, der sich vor Ort auskennt, alles schon mal gesehen hat, aber deshalb keine Referate hält. So begreife ich meine Aufgabe: Ich weiß über alles Bescheid und nehme das Publikum mit auf diese wundervolle Reise, ohne es mit Informationen zu überfrachten. Ich habe ja nur eine halbe Minute, bis der Act auf die Bühne kommt, da fokussiere ich mich auf die spannendsten Aspekte. Und ich schaue natürlich auch, was sich in einem Moment spontan ergibt und lasse mich auf die Show ein.
Wie bereiten Sie sich vor? Ihr Vorgänger, Peter Urban, verfügt ja über immenses Wissen.
Peter Urban hat sogar einen Doktortitel und war in seinen Kommentaren klug und auf den Punkt. Die Lässigkeit und Ruhe in seiner Art zu kommentieren fand ich immer genau richtig und ich denke, dass mein Stil für keinen Bruch sorgen wird, auch wenn es natürlich mein eigener ist. Und was die Vorbereitung angeht: Ich kenne die Songs, habe sämtliche Hintergrundinfos und verfolge in Malmö die Proben. Vermutlich könnte ich zu jedem Beitrag mehrere Minuten lang etwas erzählen, das spare ich mir aber. Schließlich sollen auch all diejenigen einen unterhaltsamen Abend haben, die sich nur an einem einzigen Tag im Jahr für den ESC interessieren.
Sie können sich noch daran erinnern, wie sie als Sechsjähriger in Pulheim vor dem Fernseher saßen, als Nicole 1982 den ersten deutschen Sieg geholt hat. Welche Beziehung hatten Sie danach zum ESC? Sind Sie ein großer Fan?
Ich fand das als europaweite Fernsehübertragung schon als Kind unglaublich faszinierend. Und geradezu magisch diese Punktevergabe mit den berühmten douze points. Ich bin freudig durchs Wohnzimmer in Pulheim gepest, als wären wir Fußball-Weltmeister geworden. Ich habe den Wettbewerb danach als Kind, als Jugendlicher und bis heute verfolgt, das ist ein fester Termin bei mir im Kalender.
Bei Ihnen zu Hause lief eigentlich immer das Radio. Das hat ja sogar Ihre Berufswahl entscheidend beeinflusst. War das auch eine gute Vorbereitung auf den ESC?
Ja, letztendlich hat das Radio meine Liebe zur Musik geprägt und auch meine Bereitschaft, mich auf jede Form von Musik einzulassen. Gerade früher, als es weniger Sender gab und dadurch das musikalische Spektrum eines einzelnen Programms breiter war, hat das Radio mir geholfen, mich für jede Musikrichtung faszinieren zu können. So freue ich mich auch auf den Eurovision Song Contest, an einem Abend bekommt man einen kompletten musikalischen Querschnitt durch Europa.
Wird es Ihnen also nicht schwerfallen, eigene Vorlieben oder Abneigungen außen vor zu lassen?
Ich kenne das vom Radio. In meiner Sendung laufen Titel, die ich persönlich sehr mag, aber natürlich sind auch Songs dabei, die ich privat nicht direkt auf meine Playlist geholt hätte. Von mir kriegt aber grundsätzlich alles eine Chance. Das ist eine gute Voraussetzung, um den ESC zu kommentieren. Sie werden nicht hören, was meine persönlichen Favoriten sind.
Sie leben offen schwul, der ESC wird immer für seine Vielfalt und seine Bedeutung für die queere Community gefeiert. Sehen Sie sich da in einer Botschafterrolle?
Nein, ich sehe mich nicht in einer besonderen Vorreiterrolle. Dass ich in der gleichen Mannschaft spiele, ist jetzt erstmal Zufall und wird für meine Kommentierung keine Rolle spielen. Dennoch finde es natürlich toll, dass zwischen all den Länderflaggen, die beim ESC im Publikum geschwenkt werden, ganz selbstverständlich auch die Regenbogenflagge dabei ist. Genau diese Selbstverständlichkeit wünsche ich mir und nicht die Betonung, dass dies etwas Besonderes sei.
Haben Sie Angst, dass Ihnen in den vielen Stunden mal eine zu flapsige Bemerkung rausrutscht?
Angst halte ich grundsätzlich für keinen guten Berater im Leben. Es ist mir in sämtlichen Formaten, an denen ich mitgewirkt habe, oft genug gelungen, etwas Unterhaltsames zu sagen, ohne jemanden damit zu verletzen. Ich gehe auch hier mit einer positiven Grundeinstellung rein. Ich habe keine Sorge, mich im Ton zu vergreifen. Und wenn ein Spruch dabei sein sollte, den ich vielleicht im Freundeskreis bei einer privaten ESC-Party gebracht hätte, weiß ich auch, wann ich mir auf die Zunge zu beißen habe. Die gemeinsame Feier mit Freunden ist wahrscheinlich auch das Einzige, was ich vermissen werde. Dieses Zusammensitzen in einem Wohnzimmer, mit Käseigel und Wettlisten. Meine Freunde brauchen mich nicht zu vermissen. Ich bin ja nach wie vor da. Sie haben den großen Vorteil, dass sie mich jetzt mit der Fernbedienung leise drehen können.
Sie waren beim ESC 2011 in Düsseldorf als Reporter dabei. Erklären sie doch mal Menschen, die das noch nie erlebt haben, welche Dimensionen das hat.
Es war Wahnsinn. Die imposante Show im Düsseldorfer Stadion hat damals neue Maßstäbe gesetzt. Allein das Opening, eine Rockabilly-Version von „Satellite“ inklusive 43 Lena-Doppelgängerinnen und gewaltigem Feuerwerk, war gigantisch. Eine unglaublich unterhaltsame Show, und das aus Deutschland. Es war zudem einfach toll, dieses ESC-Fieber in einer Stadt zu spüren. Es hat etwas Völkerverbindendes. So viele Nationen treffen sich zu diesem bunten Happening und feiern gemeinsam. Jedes Land möchte den Wettbewerb am Ende gewinnen und trotzdem ist es da mehr möglich als bei einem Sportturnier, dass ich mich auch für ein anderes Land begeistern kann. Selbst als Kölner habe ich es Düsseldorf sehr gegönnt, Gastgeberstadt dieses Spektakels sein zu dürfen.
Glauben Sie, der ESC kann tatsächlich etwas beitragen zum europäischen Gedanken?
Im Kern hat dieser Musikwettbewerb selbstverständlich etwas sehr Verbindendes, trotz mancher Begleiterscheinungen, wie sie auch in Malmö zu erleben sind. Gerade in diesen Zeiten finde ich es wichtig, dass wir diese popkulturelle Veranstaltung haben, auf die wir uns als Wettbewerb alle einigen können. Welches Land schickt das beste Lied? Es geht um nicht mehr und nicht weniger.
Sie wollen unparteiisch sein, aber die Gretchenfrage muss ich stellen: Welche Chancen geben Sie dem deutschen Beitrag?
Isaak hat mit „Always On The Run“ einen tollen Radio-Hit gelandet. Ich spiele ihn oft bei WDR 2 und spüre, dass er im Radio schon mal richtig gut funktioniert. Beim ESC spielt auch die Performance auf der Bühne eine große Rolle. Gelingt es, einen Song zu präsentieren auf den sich ganz Europa einigen kann? Im Moment sind bei den Wettbüros andere Länder vorne, aber die schönen Quoten nutzen denen auch nichts, wenn sie beim Finalauftritt einen schlechten Tag haben. Ich drücke Isaak die Daumen, dass er möglichst weit vorne landet. Im deutschen Finale ist ihm das ja bereits ganz wunderbar gelungen, mit jeweils 12 Punkten von den Jurys und im Televoting.
Aber es lief nicht gut für Deutschland in den vergangenen Jahren. Angeblich plant Stefan Raab ja sein ESC-Comeback. Halten Sie das für eine gute Idee?
Wenn ich zurückblicke auf die ESC-Auftritte, die wir Stefan Raab zu verdanken haben - Guildo Horn, Waddehaddeduddeda und den Sieg von Lena 2010 - waren das immer sagenhafte Momente. Von daher bin ich sehr gespannt auf das, was von ihm als Idee kommen wird. Im Moment ist lediglich bekannt, dass er sich einen Vorentscheid vorstellt, der auf mehreren Sendern ausgetragen wird. Offenbar stellt sich Stefan Raab etwas Großes vor.
Sie sind bekennender FC-Fan und Dauerkarten-Inhaber. Schlechtes Abschneiden ist ja auch da ein Thema. Können ESC-Fans also von FC-Fans lernen?
Der FC ist eine wirklich gute Vorbereitung für den ESC. Ich bin immer gerne im Stadion, auch wenn es gerade nicht gut läuft. Das sind mitunter Lektionen in Demut, aber es gibt eben wie so oft im Leben immer nur das ganze Paket. Als Kölner hast du das Privileg in dieser liebenswerten Stadt zuhause zu sein mit diesen wunderbaren Menschen und ihrem ganz besonderen Lebensgefühl. Das ist wirklich ein Geschenk. Und der FC gehört eben einfach dazu. In Müngersdorf schafft man es, sich zu begeistern und eine Leidenschaft für etwas zu haben, auch wenn das eigene Team vielleicht nicht immer den Sieg holt. Es geht um die Gemeinschaft und um ein Gefühl. Und so sollten wir unsere Freude am Eurovision Song Contest nicht davon abhängig machen, wie wir abschneiden.