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Travis Scott im Rhein-Energie-StadionWie ein Puppenspieler und seine Marionetten

Lesezeit 4 Minuten
Travis Scott während seiner Circus Maximus' Tour in Kalifornien. Er ist ganz in Schwarz gekleidet und reckt die rechte Hand in die Höhe.

Travis Scott während seiner Circus Maximus' Tour in Kalifornien. In Köln waren keine Fotografen zugelassen.

Der US-Rapper Travis Scott gastiert mit seiner „Circus Maximus“-Tour im ausverkauften Rhein-Energie-Stadion. Trotz langer Wartezeiten lassen sich seine Fans in Ekstase versetzen.

Travis Scott ist ein Prophet, ein Anführer, ein Herrscher - zumindest erweckt es den Anschein, beobachtet man die 40.000 überwiegend jungen Fans, die seinem Ruf ins Rhein-Energie-Stadion am Samstagabend gefolgt sind. Keine Schlange ist zu lang, kein Preis zu hoch, um für den 33-jährigen Texaner seine Energie vollumfänglich zu mobilisieren - und das trotz schweißtreibender Temperaturen.

Die Masse im Innenraum interessiert sich für die Hitze nicht. Schulter an Schulter quetschen sie sich schon lange vor Beginn des Konzertes in Richtung Bühne. Als dann das Intro „Greetings From Utopia“ einsetzt, bricht direkt Ekstase aus. Unmittelbar formen sich riesige Moshpits, in denen mit Sturmhauben maskierte Männer als Anheizer den Ton angeben. Als Travis Scott dann zum Übergang in seinen Song „Hyaena“ aus einer Höhle der aztekisch anmutenden Bühne schreitet, beginnt ein Wahnsinn, der für die nächsten 80 Minuten anhalten soll.

Der Megastar peitscht die Menge nach vorne

Mit jedem Song wird das Konzert intensiver, man spürt den Boden im Stadion buchstäblich beben. Der Megastar peitscht die Menge nach vorne. Mit einer schwer beschreibbaren Intensität bewegt sie sich so, wie ihr Maestro es fordert. Nach links, nach rechts, nach unten und vor allem nach oben. Immer wieder animiert Travis Scott die Masse mit Ausrufen wie „Jump“ oder „Bounce“ und das Publikum liefert. Und die Fans des US-Musikers springen so hoch und so oft wie sie können.

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Konstant öffnen sich immer wieder Moshpits, durch die es an bestimmten Stellen gefährlich eng wird. Zwangsläufig denkt man da an die Katastrophe von vor drei Jahren, als während Travis Scotts Auftritt auf dem von ihm organisierten „Astroworld Festival“ in Houston, Texas, zehn junge Menschen bei einer Massenpanik ums Leben kamen. Doch das Unglück ist hier kein Thema: Im Innenraum des Rhein-Energie-Stadions gibt es zwar im hinteren Teil noch viel Platz, die Fans aber drängen nach vorne in Richtung ihres Idols.

Travis Scott selbst lebt die frenetischen Bewegungen auf der Bühne vor und überträgt sie wie ein Puppenspieler auf seine Marionetten. Die als Steinformation gestaltete Bühne ist ein langer Steg, der die Menge teilt. Der US-Rapper rennt ununterbrochen von hinten nach vorne, klettert auf Emporen und beugt sich nach unten in Richtung seiner Fans. Er ist ihnen nah und hat keine Berührungsängste - auch nicht, als er zum fünften Song „sdp interlude“ drei Fans auf die Bühne holt, die ihn überschwänglich umarmen. Mit ihnen zusammen rappt er den Song und titscht wie ein Flummi über den Steg.

Travis Scott muss bestens abgespeichert haben, wo sich auf der Bühne die Pyrotechnik befindet, denn durchgehend schießt ein Feuerstrahl nach dem anderen aus den Felsen. Mindestens genau so viel Feuerwerk wird abgefeuert und sogar Raketen, die den Anschein erwecken, sie würden in die Tribüne krachen, nur um kurz vorher abzudrehen und wieder in Richtung Bühne zu fliegen.

Er rappt sich und die Menge in einen Rausch

Von der ersten bis zur letzten Minute ist dieses Konzert ein Spektakel. Seinen Höhepunkt erreicht es, als der Rapper aus Texas siebenmal in Folge die erste Passage aus „Fe!n“, seinem gemeinsamen Song mit Playboi Carti spielt. Er rappt sich und die Menge in einen Rausch, der von Wiederholung zu Wiederholung intensiver wird. Viele der Fans haben zu diesem Zeitpunkt bereits ihr T-Shirts ausgezogen und wirbeln diese auf sein Kommando durch die Luft. Travis Scott selbst hat sich auch längst aus der etwas sperrig anmutenden Schutzjacke befreit, die er zu Beginn des Konzerts noch trug. Geblieben ist die bis zu den Knöcheln reichende Jeans, ein bauchfreies Oberteil, sein rotes Stirnband und eine dazu passende Sonnenbrille.

Das Rhein-Energie-Stadion hat sich in einen Hexenkessel verwandelt, in dessen Zentrum Travis Scott, wie ein Magier umringt von Nebel und Lichtblitzen, seine Anhängerschaft einschwört. Alles ist angerichtet für das große Finale, bestehend aus seinen drei bekanntesten Songs, „Sicko Mode“, „Antidote“ und „goosebumps“. Ein letztes Mal werden seitens der Fans alle Kräfte mobilisiert.

Sein Dank dafür fällt mau aus, denn obgleich man glauben könnte, dass irgendwann auch die letzten Fans keine Energie mehr übrig haben, fordern sie zum Ende noch eine Zugabe. Da befindet sich ihr Prophet jedoch schon auf der Ladefläche eines Golfcarts, summt die letzten Töne seines Outros „Telekinesis“ und wird, wie man auf der Leinwand verfolgen kann, in die Katakomben gefahren.

Verdruss macht sich trotzdem nicht breit, die treue Gefolgschaft war schon vor dem ersten Song befriedet. Sie haben blindes Vertrauen in ihren Künstler, zucken nicht mit der Wimper, wenn ein Tour-Shirt 50 Euro kostet und ärgern sich nicht über zu lange Schlangen vor dem Stadion. Im Gegenzug werden sie mit einer außergewöhnlichen Show belohnt und bekommen sogar noch eine fast schon sozialliberale Botschaft mit auf den Weg: „There are no VIPs at my shows“.