Der Hamburger Musiker ist leicht irritiert von der Lautstärkenbegrenzung im Tanzbrunnen und dem frühen Konzertbeginn.
Jan Delay im TanzbrunnenIm Großen und im Ganzen auch im Hellen Lust zum Tanzen
Also ernsthaft. Das sind echt schwierige Arbeitsbedingungen für eine Nachteule, die den allerbesten Treibstoff braucht, um so richtig in Fahrt zu kommen. Und der ist nun mal die Energie der Nacht. Doch die Nacht ist um zehn vor acht an einem Sommerfreitagabend im Tanzbrunnen ungefähr so weit entfernt wie der Hip-Hop von Nena, aber irgendwie und irgendwann muss Jan Delay nun mal raushüpfen auf die Bühne, wo seine Band schon auf ihn wartet. Die „Disko No. 1“, die den Anspruch hat, mindestens genauso gut zu sein wie der beste DJ der Welt.
Und der muss jetzt liefern, während seine Fans an den Getränkeständen in Endlosschlangen noch um Kölsch und Mineralwasser aus Pfandplastikbechern betteln, deren Rückgabe später zwei Stunden noch einmal so lange dauern wird.
„Das könnte man gut aufdrehen, wenn man keine Lautstärkenbegrenzung hätte in Köln“, ruft Jan Delay. „Türlich, türlich“ könnte man das. Aber es muss halt auch so gehen. Als Ohrstöpsel-Verkäufer würde man hier sofort pleitegehen. Punkt 22 Uhr darf kein Mucks mehr zu hören sein. So steht es im Vertrag. Das sind Arbeitsbedingungen. „Hammerhart“ eben.
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Und dann steht ziemlich weit vorn noch einer und hält die ganze Zeit einen HSV-Schal in die Höhe. Wo doch jeder weiß, dass Delay Werder-Fan ist. Da kommt aber auch alles zusammen, direkt am Rhein, in Kölle. Für einen Wassermann aus dem Norden. In Hamburg geboren. Wo das Wasser von oben kommt, von vorn und von unten. Wo das Wasser number one ist. Und nix wichtiger. Außer vielleicht ein geiler Reggae. Was soll man dazu noch sagen?
„Wollt ihr heiß werden heute? Ich weiß zwar noch nicht wie, aber wir sind in Kölle.“ Das ist die Antwort. Aber hallo! Jan schmeißt die Disko an. Mit diesen unfassbar starken Sängerinnen Esther Cowens, Ngone Thiam und Nathalie Dorra. Und holt seinen alten Bandkollegen Dennis Lisk auf die Bühne. Den Denyo aus den alten Zeiten Ende der 1990er Jahre, als Jan Delay mit seiner Hip-Hop-Formation „Beginner“ der kommerzielle Durchbruch gelang. Das macht „Spaß“, ist wirklich „Hammerhart“. Der Disko-Boss erweist sich im ersten Drittel der Show weiterhin als fürsorglicher Gastgeber, fragt immer wieder nach dem Wohlergehen seiner dankbaren Kundschaft, fordert sich bei vor „Oh Jonny“ sogar zum Handtuch oder Sonstwas-Wedeln auf. „Seid ihr angekommen? Man kommt eigentlich nie an? Oder?“
Doch. Exakt in dem Moment, der im Nachhinein als die Keimzelle der Zusammenarbeit mit der Funkband „Disko No. 1“ in die Popgeschichte eingehen wird. Das war die Zeit, „da kam auf einmal so viel Quatsch und so viel Spackenkram, da wurde gesabbelt, das war einfach zu anstrengend und wir hatten irgendwie Bock, mal was anderes zu machen. Dann kam dieser Song und das war die Geburtsstunde von diesem dicken fetten Jan Delay. Und diese wundervolle geile Band in mein Leben.“
25 Jahre ist das jetzt her. Da kann man schon mal mit fünf Platten auf Tour gehen, ein Best-Of mit ein paar Songs spielen, die man lange nicht gespielt hat.
Danke, Nena. Irgendwie, irgendwo und irgendwann habe es sich halt „ausgereggaet“. Jetzt ist der ausverkaufte Tanzbrunnen endlich willens, der Lautstärkenbegrenzung den Kampf ansagen. Die Reggae-Version des Nena-Klassikers ist der erste Höhepunkt des noch so frühen Abends.
Auch wenn Jan Delay gestehen muss, er sei immer noch „ein bisschen irritiert“, weil es einfach nicht dunkel werden will und sich jetzt alle einfach zusammen vorstellen müssen, sie befänden in einem Club. „Sie kann nicht tanzen“ kann man anderswo eben nicht spielen. Und einen Stopptanz anzetteln auch nicht. Scheiß auf die Sonne. Schmeißen wir das Rave-Ometer an, drehen alle einfach mal komplett durch, machen Krawall und Remmidemmi wie früher, wenn die Eltern auf einem Tennisturnier waren und die Kids die Zeit nutzten, um einen Aufguss mit der Hausbar in der Sauna zu machen. Und dabei die Musik lauter zu drehen.
Auf Sankt Pauli brennt noch Licht
Geht leider nicht. Doch wenigstens die Dämmerung hat endlich ein Einsehen, schiebt sich ganz langsam über den Tanzbrunnen, damit es nicht völlig irre klingt, von einem Ort zu schwärmen, an dem noch Licht brennt und wo noch lange noch nicht Schicht ist. Auf Sankt Pauli. Wo auch sonst?
Ziemlich weit vorn, inmitten von bezaubernden Geschöpfen, rollt ein einsamer Jan Delay-Fan seinen HSV-Schal ein und singt mit allen anderen ganz ergriffen „Ho-Ho-Ho“. Wohin mit all der Energie? Im Großen und im Ganzen hätten jetzt alle Lust zum Tanzen.
Die Frage ist nur, wo? Um 21.50 Uhr. Mitten am Tag. Und so steht man in der Schlange vor der Eisbude, die das Geschäft ihres Lebens macht, und fragt sich, ob da nicht irgendwas gefehlt hat auf dieser Zeitreise durch ein Vierteljahrhundert Jan Delay. Ja. Eine kleine Reminiszenz an Udo Lindenberg wäre schön gewesen. Denn irgendwie gehört Jan Delay doch auch dazu. Zum Clan der Lindianer und der Panikfamilie. Reeperbahn, verdammt nochmal!