Trumps WahlniederlageLügen zwischen Krematorium und Sex-Shop
Philadelphia – Die Farce, in welche Donald Trump die amerikanische Demokratie verwandelt hat, begann so, wie manche antike Tragödien enden.
Einem Deus ex machina gleich – also eines konfliktlösenden Gottes, der mittels einer Hebemaschine von oben auf das Bühnengeschehen herabschwebt – fuhr der Unternehmer und Fernsehstar damals in einem goldenen Aufzug aus seinem Penthouse im 58. Stockwerk bis in den Keller des nach ihm benannten Hochhauses in Manhattan, um dort vor mit 50-Dollar-Scheinen bezahlten Claqueuren seine Präsidentschaftskandidatur zu verkünden.
Am vergangenen Samstag endete seine Präsidentschaft in einem Gewerbegebiet in den nordöstlichen Außenbezirken von Philadelphia. Es ist eine Szene von solch gottverlassener Erbärmlichkeit, dass sich King Lears sturmumtoste Heide dagegen als veritabler Vergnügungspark ausnimmt.
Eine Pressekonferenz seiner Anwälte fände gegen 11 Uhr im Four Seasons in Philadelphia statt, hat Trump am Samstagmorgen via Twitter angekündigt. Die ersten Journalisten haben sich bereits vor dem Hotel eingefunden, als er einen weiteren Tweet hinterherschickt: „Big press conference today in Philadelphia at Four Seasons Total Landscaping – 11.30 am!“
Nicht wenige Berichterstatter zweifeln, nachdem sie die unbekannte Location einmal in Google Maps aufgerufen haben, entweder an ihrem Verstand, oder, nicht zum ersten Mal, an dem des Präsidenten: Das „Four Seasons Total Landscaping“ entpuppt sich als kleine Gärtnerei in der Wüstenei am Rande der Stadt an der State Road, die direkt zu den vier Strafanstalten Philadelphias führt. Eingerahmt ist dieses „Vier Jahreszeiten“ von einem Krematorium und einem Sex-Shop mit Einzelkabinen namens „Fantasy Island“.
Ob jemand den Twitter-Account des POTUS gehackt hat? Doch die eintreffenden Journalisten werden bereits von Sicherheitskräften erwartet, die ihnen bedeuteten, außerhalb des Geländes zu warten, während die Pressekonferenz vorbereitet wird. Die Vorbereitungen bestehen hauptsächlich daraus, „Trump 2020“ Plakate auf ein Garagentor zu kleben.
Der Schotterboden, das heruntergekommene Flachdachgebäude mit den außen verlegten Stromleitungen, der gelbe Gartenschlauch: Man steht vor einem Nicht-Ort, einer jener unwirtlichen, halb verwilderten, halb urbanen Räume, wie man sie vor allem von Shuttlebusfahrten vom Ankunftsflughafen zum Hotel kennt. Wie gesagt: Es ist die sturmumtoste Heide unserer Zeit.
Ein Chor in Form einiger Pro-Trump-Demonstranten hat sich auch eingefunden, unter ihnen ein Mann in Unterwäsche, der eine Joe-Biden-Maske trägt und immer wieder „George Soros“ brüllt. Als die Medienvertreter einzeln aufgerufen werden, den Parkplatz zu betreten, begleitet die Menge jede Erwähnung einer vermeintlich Trump-kritischen Organisation mit Buh-Rufen, sogar „Fox News“.
Versteckte Kamera
Und während die Journalisten vor dem Garagentor warten – einige wahrscheinlich darauf, dass gleich jemand „Versteckte Kamera!“ ruft –, macht die Nachricht die Runde, dass CNN gerade Joe Biden zum nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten ausgerufen hat.
Dann erscheint tatsächlich Rudy Giuliani, Trumps persönlicher Rechtsbeistand. Ein Mann, der einst, nach den Angriffen des 11. September, als New Yorker Bürgermeister als beliebtester Politiker der USA galt. Der zuletzt aber vor allem damit Schlagzeilen machte, dass er sich vor der Kamera des Satirikers Sacha Baron Cohen hochnotpeinlich im Schritt herumnestelte.
Wo Tote wählen
Giuliani berichtet mit ernstem Gesicht von großem Wahlbetrug. In Philadelphia wählten sogar Tote, Joe Frazier und der Vater von Will Smith, lügt er. Und kündigt, unbeirrt von der Lage der Dinge, Klagen gegen die Auszählungen in einzelnen Staaten an. Als ihn ein Journalist darüber informiert, dass Biden bereits zum Präsident ausgerufen wurde, gerät der Anwalt spürbar aus der Fassung. Welches Medium Biden ausgerufen habe?, will er wissen. „Alle“, lautet die lapidare Antwort. Giuliani versucht es mit Sarkasmus. Er breitet die Arme aus wie ein biblischer Prophet und schreit: „Alle Sender!“ Ein einsamer Rufer in der Wüste, Schall und Wahn.
Und so endet die Präsidentschaft Donald Trumps als Satyrspiel, jedenfalls für so gut wie jeden Amerikaner außer Trump selbst, der sich zur selben Zeit auf einen seiner Golfplätze zurückgezogen hat, sein „Fantasy Island“, auf dem er für immer Präsident bleiben wird. „Wütend, unberechenbar, untröstlich“, sei er, verriet ein hochrangiger Republikaner der Nachrichtenseite „Axios“. Der Mann, der nicht verlieren kann, ist jetzt ein König ohne Land, eine Leerstelle zwischen Urnen, Topfpflanzen und Dildos.
Und es gibt T-Shirts
Am Tag danach geben die Betreiber des „Four Seasons Total Landscaping“ auf Facebook bekannt, dass es ihnen eine Ehre war, die Pressekonferenz zu beherbergen. Ab Montag werde man über die Webseite der Gärtnerei T-Shirts verkaufen.