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Über deutschen Rap in den ChartsWas bitte ist an diesen Klischee-Fabrikanten ehrlich?

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Unser Kolumnist ist gelinde gesagt kein Freunde von Capital Bra.

  1. War früher alles besser? In den Musikcharts ganz bestimmt! Sicher? Na gut, vielleicht auch nicht.
  2. Jede Woche hört sich unser Kolumnist Marcus Bäcker in seiner Glosse „Neu in den Charts”durch die Hitliste – und findet dabei Entsetzliches wie Schönes.
  3. Besonders zittern müssen vor seiner strengen Feder die vielen Talentbefreiten unter den Stars und Sternchen. In dieser Woche unter anderem: Capital Bra.
  4. Aber es gibt für Bäcker auch Licht am Horizont: zum Beispiel das Debüt der Kölner Band „Die Realität”.

Dass ich mich gelegentlich gezwungen sehe, konstruktive, fast möchte ich sagen: wohlmeinende Kritik an Deutschlands geistig verwahrlostem, stumpf daher brabbelndem, die miesesten Reime hervorstoßendem Gangsta-Rap-Gesindel zu üben, hat sich in meinem Freundeskreis durchaus herumgesprochen.

Ich werte es als Zeichen der Solidarität und Fürsorge, dass mich einige meiner Freunde neuerdings mit frischen Nachrichten aus dieser alles in allem doch sehr befremdlichen Welt versorgen, so von wegen: Solltest Du schon wieder über Capital Bra schreiben müssen, hilft Dir das vielleicht ja weiter. Diese Woche neu auf Platz 1: „Zombie“ von Capital Bra und Samra. Neulich wurde mir nun zugetragen, dass es jetzt wohl eine Panini-Deutsch-Rap-Sammelalbum gebe. Vielleicht liege ich ja völlig falsch, aber ich stelle es mir rein optisch als eine Mischung aus „Neulich in der Shisha-Bar“ und Fahndungsaufruf vor.

Nicht völlig auszuschließen ist auch, dass das fragwürdige Teil noch gar nicht in den Handel gelangt ist. Sätze wie „Tausche Haftbefehl gegen RAF Camora, Du Opfer“ sind mir jedenfalls noch nicht untergekommen, und ich spitze wirklich sorgfältig die Ohren, wenn mir düster dreinblickende Teenager mit Ghetto-Kostümierung entgegenkommen. (Anmerkung: Bei der Recherche für diesen Text habe ich erfahren, dass es einen Rapper namens „Hustensaft Jüngling“ gibt. Ich weiß nicht, wie es Ihnen damit geht, mich irritiert das.) Doch zurück zu der Infomaterial-Belieferung durch meinen Freundeskreis.

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Zugespielt wurde mir auch ein Text aus der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, in dem es unter anderem heißt: „Was an Rap anziehend ist, ist die Wut und Energie, die Straßenschläue und die Selbstgerechtigkeit, das Rauslassen von Trieben, das ganze Weghauen von Tabus, macht Rap leider auch ein kleines bisschen hassenswert.“ Ganz ehrlich – Wut, Energie, et cetera? Der Output der mittelständischen Klischee-Manufakturen aus den deutschen Rap-Gewerbegebieten kann damit nicht gemeint sein. Diese Woche auf den Plätzen 4, 18, 19, 27, 28, 30, 32, 37, 43 und 98: Shindy aus dem schwäbischen Bietigheim-Bissingen.

Kommen wir nun aber zu etwas wirklich Wichtigem (und ich meine damit nicht, dass auch Ed Sheeran die Charts mit einer größeren Anzahl von Liedern flutet, die ich in einem Anfall von Großherzigkeit und guter Laune als „nur bedingt zwingend“ bezeichnen möchte). Nein, richtig wichtig ist, dass vor wenigen Tagen die sensationelle Debüt-Single der Kölner Band Die Realität erschienen ist. Sie heißt „Nur die Realität“ und lässt eine deutliche Vorliebe unter anderem für Kraut und Lofi, für Can und die Flaming Lips erkennen und brilliert mit Zeilen wie diesen hier: „Für alles, was wir lieben, gibt es eine Industrie. / Der Krieg dauert schon seit Menschengedenken und endet nie. / Hier am Ende der Schönheit, am Anfang der Welt / stehen wir mit leeren Koffern und Herzen voller Geld.“ Klingt zugegeben etwas pessimistisch, aber das leider nicht ohne Grund.