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UFA-Geschäftsführerin im Interview„Da konnte ich nicht widerstehen“

Lesezeit 6 Minuten
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Szene aus „Expedition Arktis"

  1. Ute Biernat ist Geschäftsführerin der Kölner Firma UFA Show & Factual, die unter anderem für RTL „DSDS“ und „Das Supertalent“ produziert.
  2. „Expedition Arktis“, die erste große Dokumentation, die ihr Haus gedreht hat, ist am Montagabend, 20.15 Uhr, im Ersten im Rahmen der Themenwoche „#WieLeben“ zu sehen.
  3. Im Interview spricht sie unter anderem über die Vereinigung von Dokumentation und Unterhaltung.

Frau Biernat, UFA Show & Factual ist bekannt für Shows wie „DSDS“ oder „Wer weiß denn sowas?“ Nun haben Sie erstmals eine aufwendige Doku gedreht über die größte Polarexpedition. Wie kam es dazu?Unser Chef Nico Hofmann kennt Professor Wiestler von der Helmholtz-Stiftung. Sie sprachen über das Projekt, und schnell war klar, dass diese Jahrhundert-Expedition dokumentarisch begleitet werden muss. Da es keine Fiktion ist, landete es auf meinem Tisch. Ich wusste, das ist ein einmaliges Abenteuer. Wenn etwas besonders ist, dann das. Und wir müssen es jetzt machen, denn diese Expedition wird nicht wiederholt werden.

Wir sind mit dem Projekt auf die Sender zugegangen. RTL hatte wenig Interesse, was ja deren gutes Recht ist. Dann stieg die ARD ein, obwohl es ein Content Alliance Projekt von Bertelsmann ist. Wir haben mit den Kollegen vom rbb, NDR und hr tolle Partner gefunden. Die bekommen drei unterschiedliche Filme für ihre Sender – und einen übergeordneten ARD-Film.

Wie aufwendig war der Dreh?

Wir hatten immer zwei Kameraleute, die auch Ton machen können, auf dem Schiff und mussten ihnen im Vorfeld alles doppelt und dreifach mitgeben, weil wir nicht wussten, ob und wann wir Material austauschen können. Im Schiff 20 Grad, außerhalb fast minus 50 Grad. Halten die Kameras das aus? Über 900 Stunden hochaufgelöstes 4K-Material haben die Kamerateams vor Ort gedreht. Allein um das Bewegtbild zu sichern, sind 1,4 Petabyte Speicherplatz eingerichtet worden. Aus diesem umfangreichen Material die vier Filme zu machen, war unsere große Aufgabe.

Warum sind Sie mit solch einem aufwendigen Projekt ins Dokumentarfilm-Genre eingestiegen?

Das ist eine einmalige Chance, da konnte ich nicht widerstehen. Das ist „high end“ und international verwertbar. Es sind am Ende 300 Forscher aus 20 Ländern auf dem Schiff gewesen, 80 Institutionen waren involviert. Die einjährige Expedition hatte ein Budget von rund 150 Millionen Euro. Da war mir klar: Es geht nur das Motto „Think big – klein wird es von allein“.

Sie wollen das also ausbauen?

Unterhaltung ist meist einmalig und nicht wiederholbar. Die Dokumentation ist es sehr wohl, und das Interesse an echten Menschen mit wahren Geschichten steigt im linearen TV wie bei allen VODs. Nico Hofmann befeuert das Thema schon länger. Im UFA Board diskutieren wir bereits, wie wir weiter vorgehen werden. Ich stelle gerade einen Businessplan für die nächsten drei Jahre auf. In der Zeit muss dieser Bereich groß werden, sonst rechnet es sich nicht. Ich bin fest davon überzeugt, dass das ein Erfolg wird.

Was bedeutet das fürs restliche Portfolio? Sie werden doch jetzt nicht die Firma enorm vergrößern?

Doch. Es müssen ja nicht alle in Köln sitzen. Wir haben auch einen Dokuteil in Berlin. Es wird Schnittpunkte mit den Kollegen der Fiction geben, wir müssen nicht alles selber machen. Aber wir werden uns personell vergrößern, das ist klar. Das hängt – wie so vieles – von der richtigen Mannschaft ab. Wenn wir die zusammen haben, klappt das auch.

Ute Biernat

Und das andere Geschäft läuft wie gewohnt weiter?

Auf jeden Fall. Das, was wir sonst machen, werden wir nicht vernachlässigen. Da wären wir ja schön blöd. In der Corona-Zeit sind ganz viele Ideen aufgekommen. Was brauchen wir? Was fehlt? Wie können wir preiswerter produzieren, weil ja alle Sender leiden? Wir müssen uns umstellen, schauen, was da auf uns zukommt, und die Dinge anders verwerten.

Ist der Zeitpunkt nicht sehr schwierig?

Ich finde das gerade jetzt total richtig, weil sich an manchen Orten so eine gewisse Lethargie breit macht. Wenn alle mit sich beschäftigt sind, sind wir mit neuen Sachen beschäftigt. Wenn man schaut, was junge Leute interessiert, was die Öffentlich-Rechtlichen im Bereich Doku machen, was die Streamer zeigen – das ist alles wiederholbar. Es gibt genügend Themen, derer wir uns bedienen können. Wir müssen nur Geld in Personal und Inhalte investieren.

Um welche Themen soll es denn gehen?

Für mich steht im Vordergrund, ob das Thema groß genug ist und ausreichend Leute interessiert. Ich schiele auf die kommerzielle Auswertung. Bei uns muss die grobe Richtung das mehrteilige, große, international vermarktbare Projekt sein. Das sind Themen wie Natur und Umwelt, international bekannte Köpfe. Die UFA verfilmt den Wirecard-Skandal. Da können wir die Doku zum Film machen. Aber wir können auch Themen finden, die später zu einer fiktionalen Serie führen.

Wie wollen Sie das erzählen?

Für mich ist ein Aspekt ganz wichtig: schwere Kost leicht gemacht. Es muss Menschen sofort ins Auge springen, da muss etwas sein, das sie fasziniert. Fakten ja, aber Fakten kann man auch über Schautafeln und bunte Bilder vermitteln und nicht nur über schwere Texte. Man muss Leute mitnehmen auf die Reise. Der klassische Dokumentarfilm ist meistens sehr sachlich, sehr distanziert. Jeder Mensch, der einen Film macht, hat aber auch immer eine Haltung. Ich möchte sagen dürfen: Mich hat das mitgerissen. 

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Sie haben immer gesagt, Sie machen Fernsehen für den Moment. Verwässern Sie da nicht Ihr Image?

So nach dem Motto: Hilfe, jetzt macht sie auch noch Fernsehen für die Ewigkeit. Ich gebe zu, ich habe anfangs schwer mit mir gerungen, ob das gut gehen kann, aber ich bin zu dem Entschluss gekommen: Ja, kann es. Weil wir es anders angehen. Weil wir in beiden Genres Menschen und ihre Geschichten erzählen. Wir machen eben nicht den klassischen Dokufilm mit vielen historischen Schwarz-Weiß-Bildern. „Expedition Arktis“ ist eine Reise, die wir begleiten, und nichts anderes machen wir mit unseren Shows auch. Das ist natürlich nicht einfach, aber am Ende ist wichtig: Packt es die Menschen, ja oder nein?

Sie kehren der Unterhaltung also nicht den Rücken?

Nein, ich möchte zwei Welten einander näherbringen, die glauben, sie haben nichts miteinander zu tun. Uns nützt die beste Wissenschaft nichts, wenn die Menschen nicht begreifen, was sie damit anfangen können. Das lehrt uns die Pandemie. Ich möchte mehr echtes Leben, mehr Verständnis. Das möchten ja auch viele junge Wissenschaftler, die wollen raus aus dem Elfenbeinturm. Wir profitieren in der Unterhaltung von neuen Themenfeldern, und die Wissenschaft profitiert davon, dass mehr Menschen verstehen, was sie machen. Die Unterhaltung wird immer meine Leidenschaft sein: Da ist drin, was draufsteht. Wenn wir das auch in der Doku hinkriegen, wäre das schön.