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Dirk Roßmann im Interview„Ich sehe keine Alternative zur Utopie“

Lesezeit 5 Minuten

Unternehmer und Buchautor Dirk Roßmann.

  1. Dirk Roßmann, geboren am 7. September 1946 in Hannover, ist Gründer und Geschäftsführer der inhabergeführten Drogeriemarktkette „Rossmann“ mit derzeit 2200 Filialen.
  2. Roßmann gilt als Erfinder und Pionier des Drogeriemarktgeschäftes in Deutschland.
  3. Im Interview spricht der Unternehmer über seinen gerade erschienen Thriller, den Klimawandel, Zukunftssorgen und die Corona-Pandemie.

Herr Roßmann, Sie sind Gründer der größten Drogeriemarktkette Deutschlands. Jetzt haben Sie einen politischen Thriller geschrieben, »Der neunte Arm des Oktopus«. Ist das nicht ein bisschen ungewöhnlich?Es ist eher ein bisschen geheimnisvoll. Man könnte sagen, dass ich dieses Buch geträumt habe.

Wie das?

Im Dezember letzten Jahres bin ich 14 Tage lang jede Nacht um vier Uhr aufgewacht. Allerdings war ich nicht richtig wach, sondern befand mich in einer Art Übergangswelt und träumte die komplette Geschichte des Romans. Jede Nacht ging es ein Stück weiter, bis alle wichtigen Bausteine zusammen waren. Nach diesen 14 Tagen war mir klar, dass ich dieses Buch unbedingt schreiben muss. Ich war regelrecht besessen davon. Das Problem war nur, dass ich kein Thriller-Autor bin. Ich hatte zwar die komplette Idee im Kopf, doch um sie mit Leben zu füllen, brauchte ich Unterstützung.

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Wie sah die aus?

Ich habe zunächst Peter Käfferlein und Olaf Köhne, mit denen zusammen ich schon meine Autobiografie »… und dann bin ich auf den Baum geklettert« geschrieben habe, mit ins Boot geholt. Später sind noch einige hervorragende Rechercheure hinzugekommen und haben mir all die Informationen besorgt, die ich brauchte, um aus meiner Idee ein Buch zu machen. Allein hätte ich das nicht geschafft.

Wie hat diese Zusammenarbeit geklappt?

Ich bin ja ein Teamplayer. So habe ich auch meine Firma aufgebaut. Trotzdem war die Arbeit enorm anstrengend. Ich habe mich über Monate ausschließlich mit der Klimakatastrophe und anderen schrecklichen Dingen beschäftigt und bin regelrecht krank darüber geworden. Mein Blutdruck ging in die Höhe, ich bekam eine Magenschleimhautentzündung. Inzwischen geht es mir wieder gut, und ich bin sehr stolz auf dieses Buch.

In Ihrem Buch wollen China, Russland und die USA gemeinsam die Klimakatastrophe abwenden. Für wie realistisch halten Sie diese Kooperation?

Ich halte sie definitiv für höchst unwahrscheinlich. Doch: War es wahrscheinlich, dass ein kleiner Leutnant auf Korsika namens Napoleon Bonaparte 20 Jahre später ganz Europa beherrscht? War es wahrscheinlich, dass ein neurotischer, mittelloser junger Mann namens Adolf Hitler, der 1909 über die Kärntner Straße in Wien schlenderte, 30 Jahre später die Welt stürzen würde?

Halten Sie denn eine Kooperation der Supermächte für wünschenswert?

Auf jeden Fall. Allerdings müssen die drei Großmächte, wie ich in meinem Buch ja auch schreibe, jedem Land auf dieser Erde die absolute, territoriale Unverletzlichkeit und politische Souveränität garantieren, unabhängig davon, welche Staatsform es hat. Die Länder, die sich der Weltgemeinschaft anschließen, verpflichten sich ihrerseits zur totalen Abrüstung, zur Senkung der Geburtenrate und zur Durchsetzung der Ziele der Klimakonferenz. Alles andere hat die Weltregierung nicht zu interessieren.

Das klingt in der Tat utopisch.

Natürlich beschreibe ich in meinem Buch eine Utopie, aber ich sehe keine Alternative dazu. Ich fürchte, dass die Menschheit einfach so dumm und charakterlos ist, dass sie nicht nur sich selber, sondern die gesamte Schöpfung zerstören wird. Umso wichtiger ist es, dass sich die Vernunft durchsetzt.

Die G3, wie sie im Buch genannt werden, setzen auf Geburtenkontrolle, verändertes Essverhalten, drastisch reduzierten Verkehr. Darf man das Selbstbestimmungsrecht so drastisch einschränken?

Es ist nicht die Frage, was man darf, sondern, was unbedingt passieren muss. Wir haben eine Verantwortung für unsere Kinder und Enkelkinder, und dementsprechend müssen wir handeln. Natürlich sind die Vorschläge, die ich in meinem Buch formuliere, radikal und provokativ, aber so weiterzumachen wie bisher wäre zutiefst inhuman.

Wie stehen Sie zu Greta Thunberg?

Ich finde sie großartig, aber allzu viele Hoffnungen macht sie mir nicht. Sie hat zwar eine gewisse Macht und bewegt junge Menschen auf der ganzen Welt. Aber ihr fehlt die Entscheidungsmacht, die man braucht, um Dinge schnell, eruptiv zu verändern. Womit wir wieder bei den drei Großmächten wären. Doch da passiert auch nichts. Wie viel Geld wird für überflüssiges Zeug verdaddelt, obwohl wir alle unsere Kraft und Vernunft brauchen, um die Erderwärmung zu stoppen und die große Klimakrise doch noch abzuwenden. Manchmal denke ich, die ganze Welt ist verrückt geworden.

Wie klimafreundlich leben Sie selbst?

Meine Frau und ich wohnen seit 1984 auf dem Land in einem reetgedeckten Fachwerkhaus. Wir haben weder eine Yacht noch ein Privatflugzeug, wir haben kein Haus im Ausland. In diesem Jahr bin ich aus geschäftlichen Gründen ein einziges Mal geflogen, und meine Autos fahre ich immer acht Jahre. Was ich sagen will: Wir sind keine Konsummenschen.

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Die Idee war, den Lesern zu zeigen: Wenn wir heute, im Jahr 2020, 2025, alles richtig machen, dann haben die Menschen gute Chancen, in Zukunft ein menschenwürdiges Leben zu führen. In meiner Fantasie wird es ihnen in 80 Jahren sehr viel besser gehen als heute. Allerdings werden wir weniger Menschen sein. Wie diese Welt genau aussehen wird, weiß ich natürlich nicht.

Was ist für Sie die größere Bedrohung: Corona oder der Klimawandel?

Wegen Corona mache ich mir nicht so viele Sorgen. Die Pandemie ist im Gegensatz zum Klimawandel eine vorübergehende Bedrohung, die natürlich bitter ist und hunderttausende Menschen das Leben gekostet hat. Aber wir werden schon bald sehen, dass die Zahlen heruntergehen. Im nächsten Jahr wird es vermutlich einen Impfstoff geben, der einen 90-prozentigen Schutz bieten soll.

Für wie sinnvoll halten Sie die die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung?

Für absolut sinnvoll. Ich bin nicht immer ein Freund von Angela Merkel, aber sie macht in der Coronakrise eine ganz tolle Arbeit. Ich habe überhaupt kein Verständnis für Corona-Leugner und Partymacher, die sagen: Sollen die Alten doch sterben. Es geht nicht darum, ob die Alten sterben, sondern darum, dass unser Gesundheitssystem, das für alle da ist, zusammenbrechen könnte. Wenn das passiert, hat auch das fünfjährige Mädchen, das mit einer Blinddarmentzündung ins Krankenhaus eingeliefert wird, keine Chance.