Was bleibt nach der Pandemie?So verändert Corona die Arbeit in Kölner Medienhäusern
- Journalismus in allen Formen, seien es Nachrichten, Fernsehen oder Radiosendungen, lebt vom Austausch der Menschen – unter Corona-Bedingungen ist das schwer.
- Das mobile Arbeiten verändert den Alltag in den Medienhäusern Kölns nachhaltig.
- Vieles wurde geändert, angepasst und optimiert. Doch was wird davon auch nach Corona bleiben?
Köln – Videokonferenzen, E-Mails, Chat-Programme: Die Corona-Pandemie stellt den Büroalltag schon seit Monaten auf den Kopf. Das zeigt sich auch in der Medienbranche. Obwohl die kreative Arbeit von Redakteurinnen und Redakteuren, Moderatorinnen und Moderatoren und anderen Medienschaffenden vom Austausch miteinander lebt, haben auch sie ihre Abläufe verlagert: ins Homeoffice. Wie das funktioniert und was davon auch nach der Corona-Zeit erhalten bleibt, zeigen einige Beispiele bei Kölner Medienunternehmen.
Im Neven DuMont-Haus an der Amsterdamer Straße, in dem auch die Redaktionen des Kölner Stadt-Anzeiger und des Express ansässig sind, zeigt sich die neue Normalität: Verwaiste Tische, nur vereinzelt sitzen Journalistinnen und Journalisten vor Computern – kaum jemand arbeitet im Büro. Zeitungen und die Internetpräsenz entstehen aus privaten Wohnungen.
Weg von der Straße
So sieht es auch beim Deutschlandradio aus. „Im Kölner Funkhaus arbeiten gegenwärtig nur noch die Personen, die zur Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs notwendig sind“, berichtet Tobias Franke-Polz aus der Kommunikationsabteilung. Unter dem Strich bedeutet das: Maximal 35 Prozent der Mitarbeitenden sind noch im Büro.
Das bestätigt auch die freie Journalistin Annika Witzel, die unter anderem für den Deutschlandfunk (DLF) und den Westdeutschen Rundfunk (WDR) arbeitet: „Vor der Corona-Pandemie war ich fast jeden Tag in den Redaktionen. Entweder ich hatte eine feste Schicht oder war dort um mittel- und langfristige Recherchen zu machen. Vor allem habe ich super viele Umfragen auf der Straße geholt. Das fällt jetzt alles weg.“
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Ähnlich ist es bei RTL und den dazugehörigen Sendern: Von rund 2700 Mitarbeitenden arbeiten nur noch rund 500 regelmäßig im Deutzer Sendezentrum. Mitarbeiter Andreas Greuel hat als Leiter des Verifizierungsteams zwar schon vor der Pandemie dezentral gearbeitet. Der nun fehlende Austausch sei jetzt der größte Unterschied zu vorher. „Es gibt allerdings auch Kolleginnen und Kollegen, vor allem Autorinnen und Autoren, die in kürzester Zeit gelernt haben, aus dem Mobile Office heraus Beiträge alleine oder mit unseren Cuttern via Videoschalte zu schneiden und zu vertonen.“
Unterstützung per App
Im Gegensatz zu den meisten klassischen Bürotätigkeiten haben es TV- und Radiomacherinnen und -macher „rund ums Mikrofon“ eben schwerer aus dem Home- oder Mobile Office zu arbeiten. Nicht alles lässt sich nämlich von Zuhause aus erledigen. „Moderationen, Senderegie, Ton- und Übertragungstechnik erfordern bisweilen physische Präsenz“, erklärt Franke-Polz vom Deutschlandradio. Doch selbst in diesen Bereichen bereiten Mitarbeitende viel Zuhause vor und kommen nur noch für die Live-Moderation ins Studio. „Fachredakteurinnen und -redakteure haben die Möglichkeit, für Gespräche live per App von zu Hause aus zugeschaltet zu werden“, verrät Franke-Polz. Berichte und Kommentare könnten ebenfalls zum Teil zu Hause aufgenommen und geschnitten werden. „Diese Art zu arbeiten bestimmt längst auch den Alltag unserer Korrespondentinnen und Korrespondenten in den Bundesländern und im Ausland.“
Insgesamt hat das zwar auch Vorteile, aber Journalistin Annika Witzel vermisst das klassische Arbeiten vor Ort: „Gerade bei Interviews, bei denen es um gefühlige Themen geht, mache ich bevorzugt Videocalls, damit ich wenigstens ein bisschen eine bessere Verbindung zum Gesprächspartner aufbauen kann.“ Zudem müsse sie sich mehr auf Quellen vor Ort verlassen als einfach selbst hinzufahren. Abgesehen davon, dass auch Abnahmen länger dauern, weil der direkte Kontakt fehlt, vermisst sie auch das Brainstorming mit den Kolleginnen und Kollegen. „Jetzt muss man sich zum Call verabreden und die Kreativität will häufig nicht so fließen wie sie es sonst tun würde“, so Witzel.
Doch Annika Witzel findet es grundsätzlich richtig, dass auch Journalistinnen und Journalisten soweit es geht ins Homeoffice gewechselt sind – quasi mit gutem Beispiel vorangehen. Wer allerdings gar nicht von Zuhause arbeiten kann, sind Mitarbeitende in der Poststelle, der Haustechnik, Sicherheitspersonal oder der Betriebskantine.
Mobiles Arbeiten hat sich bewährt
Obwohl es bei vielen Medienunternehmen, wie auch dem Deutschlandradio, schon vor Ausbruch des Coronavirus mitunter sogar Anspruch auf „mobiles Arbeiten“ gab, waren aufgrund des bevorzugten persönlichen Austauschs viele Mitarbeitende eher im Büro anzutreffen. Dennoch zeigt eine interne Umfrage beim Deutschlandradio, dass mehr als 90 Prozent der Teilnehmenden sagen, dass sich die mobile Arbeit grundsätzlich bewährt habe. Keine überfüllten Straßenbahnen auf dem Weg zur Arbeit oder Stau auf der Autobahn sowie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden positiv bewertet. Obwohl die Doppelbelastung vor allem in Familien mit Homeschooling oder der „nebenbei“-Betreuung der Kinder immens ist.
Trotzdem glaubt Franke-Polz vom Deutschlandradio, dass die meisten Arbeitsstunden nach der Pandemie wieder im Funkhaus gearbeitet werden. „Dies ist nach unserer derzeitigen Einschätzung auch von vielen Kolleginnen und Kollegen so gewünscht.“ Es bestehe aber die Erwartung, dass die jetzt gelebte Flexibilität bestehen bleibe – es hat eben alles seine Vor- und Nachteile.
Der WDR hingegen analysiert noch, welche Initiativen auch nach der Pandemie beibehalten werden können. Annika Witzel sagt, dass sich gerade bei Planungsschichten das Homeoffice bewährt hat - und gerne bleiben könne. Auch vermehrt Konferenzen ins Digitale zu verlagern, könne „gerne beibehalten werden“.
Bei der Produktionsfirma „i&u TV“ ist hingegen jetzt schon klar, dass die Mehrheit der Mitarbeitenden wieder täglich ins Büro möchte, sobald das wieder möglich sein sollte. Deshalb wird der Standort der Produktionsfirma auch vergrößert – das Unternehmen wächst. Darüber hinaus sei es jedoch noch „viel zu früh“, um über ein Arbeiten „nach“ Corona nachzudenken, so Henriette Gutmann.
Weniger Dienstreisen, mehr Fokus auf das Wesentliche
Julia Reuter, Geschäftsführerin Strategie, Personal und Kultur bei der Mediengruppe RTL Deutschland, zieht hingegen ein äußerst positives Fazit der vergangenen Monate. Ihre Mitarbeitenden waren schon vor Pandemie-Beginn mit mobilen Arbeitsgeräten ausgestattet und vieles klappe auch im Mobile Office „erstaunlich gut“. Zwar habe sich der Berufsalltag stark verändert – weg vom persönliches Austausch, hin zu virtuellen Meetings und insgesamt einem enormen Digitalisierungsschub. Und: „Zu den positiven Effekten zählen sicherlich schnellere Meetings, weniger Dienstreisen und mehr Fokus auf das Wesentliche“, so Reuter.
Nur virtuell hat kreatives Arbeiten seine Grenzen
Andreas Greuel wünscht sich, dass diese positiven Effekte auch nach Corona bleiben, etwa, „dass auch zukünftig der Sinn und die Notwendigkeit von Meetings und Dienstreisen hinterfragt und entsprechend Anpassungen vorgenommen werden“, so Greuel. Generell gebe es für ihn die „Erkenntnis, dass Mobile Office und Arbeitseffizienz sich nicht per se ausschließen und sich Vertrauen auszahlt“.
Vieles davon fließt schon in aktuelle Überlegungen bei RTL ein. „Aktuell erarbeiten wir mobile Konzepte für die Zeit nach Corona“, sagt Julia Reuter. Wie sollen Flächen genutzt werden, wie müssen Konferenzräume ausgestattet sein, damit Schalten besser funktionieren, wenn mehrere Kolleginnen und Kollegen lediglich digital dabei sind? Damit aber auch der persönliche Austausch in Corona-Zeiten nicht komplett wegfällt, hat die Mediengruppe einige interne Formate geschaffen, die das „Wir“-Gefühl stärken sollen: ein Mitarbeiterradio mit täglichen Unternehmensnews, digitale Weihnachts- und Karnevalsaktionen und Achtsamkeits- oder Stressmanagement-Webinare. Die lobt übrigens auch Andreas Greuel, auch wenn er sich wünscht, dass ihnen mehr Zeit eingeräumt werden könnte, genauso wie für „Bio-Breaks“: meetingfreie Tageszeiten.
Klar ist aber, wie Julia Reuter betont: Viele vermissen den direkten Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen, weshalb auch bei RTL gilt: „So gut es auch funktioniert: Nur virtuell hat kreatives und innovatives Arbeiten seine Grenzen.“