Welket Bungué im Interview„Der Rassismus hier ist systemisch“
- Er ist noch recht neu im deutschen Film und konnte trotzdem schon mit seinem ersten Auftritt einen Hit landen: Der Schauspieler, Filmemacher, Autor und Weltenbummler Welket Bungué spielt die Hauptrolle in der Neuverfilmung von „Berlin Alexanderplatz“.
- Wir sprachen mit Bungué am Rande des Diversity Days im Kulturbunker Köln-Mülheim, wo er auf Einladung des Africologne Festivals an einer Podiumsdiskussion über die heutigen Aufgaben gesellschaftlicher Integration teilnahm.
- Bungué erzählt von seinem Beruf, spricht über die deutsche Sprache und ordnet den Umgang mit Menschen anderer Hautfarbe in Deutschland ein.
Herr Bungué, in der Neuauflage von „Berlin Alexanderplatz“ macht die Migrationsthematik einen wesentlichen Teil aus. Was bedeutet Ihnen der Film persönlich?Bungué: Erst einmal ist er mir natürlich wichtig, weil es meine erste Hauptrolle in einer fremden Sprache ist und ich mit vielen tollen Schauspielern zusammenarbeiten konnte. Gleichzeitig ist es aber auch ein – wie ich ihn empfinde – äußerst ehrlicher und wahrhaftiger Film, sowohl was die Recherche, als auch das Casting der Sommerhaus Filmproduktion betrifft. Sie haben nicht nach den größten Namen gesucht, sondern nach talentierten Schauspielern, die auf die Rollen passen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass Menschen außerhalb meiner kulturellen Bubble meine Qualitäten erkannt und mir die Rolle angeboten haben. Das gibt mir auch eine leise Hoffnung, dass die deutsche Gesellschaft über die Veränderungen Bescheid weiß, die gerade tief in ihrem Inneren stattfinden.
Wie spiegelt die neue Version von „Berlin Alexanderplatz“ die Gesellschaft und ihre Veränderungen wider?
Natürlich reflektiert sie erst mal die Gesellschaft in Berlin, dem ausgewählten Mikrokosmos für den Film. Wenn man dessen Themen auf Deutschland, Europa oder den ganzen Okzident ausweiten wollte, müsste er – obwohl er drei Stunden lang ist – noch sehr viel länger sein. Aber er wirft schon allgemeine Fragen auf, zum Beispiel warum wir den ungerechten Verhältnissen in diesem Land so passiv gegenüberstehen.
Was haben Sie zum Beispiel über Deutschland gelernt, während Sie sich in Ihre Rolle eingearbeitet haben?
Zuerst einmal war Deutsch eine große Herausforderung, weil ich die Artikulation üben musste. Die Sprache kam mir kalt vor – und auch die Gesten der Menschen erschienen mir so sehr kontrolliert. Aber der Einarbeitungsprozess hat meine Wahrnehmung verändert. Ich habe die große Präzision und Objektivität der deutschen Sprache schätzen gelernt. Und ich habe festgestellt, dass sie wunderschön sein kann, zumindest wenn ein empfindsamer Mensch wie Regisseur Burhan Qurbani sie einem näherbringt.
Da Sie eben darüber gesprochen haben: Was glauben Sie denn persönlich, was die Gesellschaft tun muss, um Vorurteile gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe abzubauen?
Man kann überall auf den Straßen sehen, dass Europa längst nicht mehr so weiß ist, wie es behauptet zu sein. Das ist eine Konstruktion, die einfach nicht zutrifft, über die aber kaum berichtet und gesprochen wird. Daher ist es ganz besonders wichtig, dass die Menschen sich damit auseinandersetzen, sich ein differenziertes Bild der Lage verschaffen und dabei verstehen, wie die Regierungen in Europa handeln.
Wenn sie ihren Job machen würden, hätten wir Gesetze, die eine Integration von Neuankömmlingen begrüßen. Denn diese Menschen nehmen der Mehrheitsgesellschaft nichts weg, ganz im Gegenteil: Sie arbeiten oft in den Jobs, die Einheimische nicht machen wollen und bringen neue Kinder zur Welt, während in Europa die Bevölkerungen immer älter werden. Außerdem verbreiten sie eine Interkulturalität, die für Fortschritt in der Gesellschaft sorgt.
Was glauben Sie, warum da so wenig Umdenken stattfindet?
Weil der Rassismus hier systemisch ist. In der Politik, in der Wirtschaft und in den Medien gibt es immer noch diese mächtige weiße Oberschicht, die einfach die Probleme nicht sieht oder sich nicht dafür interessiert. Und auf der anderen Seite stehen dann die ultrarechten Bewegungen, denen es schon längst nicht mehr nur um die Hautfarbe, sondern um ganze Kulturen geht.
Sie suchen immer wieder Argumente, um Personengruppen auszuschließen, die angeblich nicht hierher passen. Deswegen verbreiten sie diese Idee des weißen Deutschlands oder weißen Europas so stark im Netz und beeinflussen damit die Menschen. Es ist daher sehr wichtig, dass wir als Gesellschaft lernen zu reflektieren und nicht alles glauben, was wir hören oder lesen.
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Ist Aufklärung auch eine Motivation für Sie, Filme und allgemein Kunst zu machen?
Da geht es nicht nur um Motivation, ich sehe es als meine Pflicht an. So viele Leute leiden hier unter Intoleranz, nicht nur gegenüber anderen Hautfarben, sondern auch anderen Geschlechtern und Glaubensrichtungen. Wir haben so viel für die Entwicklung von Technologien getan, auch für die Entwicklung fürchterlicher Waffen – aber in Hinsicht auf Humanität machen wir Rückschritte. Das finde ich beschämend, daher will ich als Künstler diese Lücke füllen.